Nachhaltige Wohnungswirtschaft: Wie Erstellungskosten kompensiert werden (2/2)
Die oft höheren Anfangskosten für energetisch sanierte Heizsysteme von Gebäuden und für eine bessere Nachhaltigkeit können sich positiv auf die Vermietung und die Erträge von Wohnimmobilien auswirken. Ein signifikanter Wertzuwachs dürfte sich laut einer Beispielkalkulation der Hochschule Luzern aber erst langfristig einstellen, was auch die Immobilienbewertung beeinflusst.
Quelle: ZHAW
Begrünte Dächer können Gebäude kühlen, konkurrieren aber um den Platz mit der Fotovoltaik. Laut Forschungen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) können sich vertikale Module und Dachbegrünungen sogar gut ergänzen wie bei diesem Gebäude in Winterthur (Bild).
Von Christian Kraft und Constantin Kempf *
Um zu simulieren, wie sich Kosten- und Erträge auf die
langfristige Bewertung von nachhaltigen Wohngebäuden auswirken, werden die
Effekte der Regressionen an einem fiktiven Projekt getestet (siehe dazu Teil 1 im Baublatt Nr. 24). Als Beispiel dient
der Neubau eines Mehrfamilienhauses (MFH) in einer Agglomerationsgemeinde mit
4000 Quadratmetern Hauptnutzfläche. Die Wohnungen sind im mittleren
Preissegment positioniert und das Haus bietet nachhaltige Standards in Bezug
auf Energieverbrauch und Emissionen.
Lohnende Investitionen
Ein Grossteil der Heizleistung kann über eine
Geothermie-Anlage erbracht werden. Bei Erstvermietungen wird ein
durchschnittlicher Mietzins von 270 Franken pro Quadratmeter und Jahr erreicht.
Die gesamten Erstellungskosten belaufen sich auf 4500 Franken pro Quadratmeter
Hauptnutzfläche. Die Nettomieteinnahmen werden in der Bewertung mit 2,3 Prozent
netto kapitalisiert. Dabei erfolgt die Bewertung in einem zweistufigen Modell
über 60 Jahre, das die erste Lebensphase und den Ausstieg aus der Investition
umfasst.
Die Baukosten für dieses Projekt liegen 4,9 Prozent über jenen eines weniger nachhaltigen gebauten Objekts ohne erneuerbare Energieträger. Als Referenzkategorie dient ein Gebäude mit einer Ölheizung. Die empirischen Ergebnisse zeigen zudem, dass im Gegenzug bei der Erstvermietung eine Mietzinsprämie von 1,9 Prozent erzielt werden kann. Bei ansonsten identischen Faktoren führt dies zu einem Abschlag beim Net Present Value (NPV) von 1,1 Prozent bei der nachhaltigeren Liegenschaft gegenüber der weniger nachhaltigen. Aufgrund der anfänglich höheren Kostenbelastung reduziert sich die Nettoanfangsrendite leicht, die Internal Rate of Return (IRR) fällt aber deutlich schlechter aus.
Quelle: Hochschule Luzern
Tabelle 1: Bewertungseffekte durch Kosten und Erträge.
Risiko Mietzinserosion
Es ist jedoch fraglich, wie sich laufende Kosten und Erträge
über den Lebenszyklus der zwei Vergleichsobjekte entwickeln werden. Eine
mögliche Folge ist, dass die nicht nachhaltige Liegenschaft im Wettbewerb um
Mieter einer Mietzinserosion ausgesetzt ist. Dies, weil die Nebenkosten für die
Mieter höher ausfallen oder die ökologische Nachhaltigkeit das Gewissen der
Mietenden so verändert, dass bei vergleichbaren Angeboten die Liegenschaft mit
ökologisch vorteilhaftem Heizsystem mit leicht höheren Mieten vorgezogen wird.
Auch auf der Kostenebene können sich Unterschiede einstellen. Um die
Vergleichbarkeit hochzuhalten, fokussiert der Vergleich hier jedoch primär auf
die Ertragsseite.
Die Mietzinserosion ergibt sich aus einer schleichenden Abweichung der Ist-Miete vom möglichen Marktniveau. Demnach führen Wiederviermietungen über die Jahre zu einer schleichenden Entfernung vom möglichen Marktniveau. Um im vorliegenden Beispiel den NPV-Abschlag der nachhaltigen Liegenschaft gegenüber der nicht nachhaltigen Immobilien von -1,1 Prozent zu egalisieren, reicht eine minimale Mietzinserosion von -0,014 Prozent pro Jahr der nicht nachhaltigen Liegenschaft über die kommenden 60 Jahre aus.
Quelle: Hochschule Luzern
Tabelle 2: Bewertungseffekte durch Kosten und Erträge bei minimaler Mietzinserosion von -0,014 Prozent pro Jahr.
Geht man als Eigentümer somit davon aus, dass sich eine weniger nachhaltig ausgestattete Liegenschaft auch nur ansatzweise negativ in der langfristigen Vermietung auswirkt, liegt der NPV bereits auf Augenhöhe (Tabelle 2). Ist man als Eigentümer mit langfristigem Anlagehorizont davon überzeugt, dass sich nach heutigem Stand nachhaltige Liegenschaften noch positiver auf die Vermietung auswirken werden, liegt der Investitionsentscheid auf der Hand: Bei einer Mietzinserosion der weniger nachhaltigen Liegenschaft von -0,2 Prozent pro Jahr liegen mit Ausnahme der Nettoanfangsrendite alle Indikatoren für die nachhaltige Wohnliegenschaft deutlich im Plus (Tabelle 3).
Quelle: Hochschule Luzern
Tabelle 3: Bewertungseffekte durch Kosten und Erträge bei minimaler Mietzinserosion von -0,2 Prozent pro Jahr.
Kosten rasch egalisiert
Die empirischen Ergebnisse zeigen dabei einmal mehr, dass es vor allem die offensichtlich sichtbaren oder komfortspendenden Technologien und Materialen sind, die sich für eine Differenzierungsstrategie im Markt anbieten. Wird diese Strategie auch in der Bewertung quantitativ in Form höherer Mietzinspotenziale abgebildet, werden höhere Erstellungskosten sehr schnell egalisiert. Stellen sich zusätzlich tiefere Lebenszykluskosten ein, dürfte die Investitionsentscheidung aus Sicht einer langfristigen dynamischen Bewertung eindeutig ausfallen. Um klare Kosteneffekte über mehrere Jahrzehnte abbilden zu können, fehlen bei neusten Technologien und alternativen Materialien allerdings zum Teil noch die Erfahrungswerte. Daher sind Pilotprojekte und weitere Forschungen im technischen Bereich gefragt.
*Christian Kraft ist Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Luzern, Constantin Kempf wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ (HSLU).
Buchtipp
Nachhaltige Wohnungswirtschaft in der Schweiz – Erkenntnisse aus Forschung und Praxis; Christian Kraft und Constantin Kempf; Springer Gabler Verlag; 162 Seiten; ISBN: 978-3-658-34807-6; 65,60 Franken.