Kolumne von Michel Bohren: «Veränderung braucht Ausdauer, Resilienz und Mut»
Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen: von der Zinswende über den Fachkräftemangel bis hin zu Nachhaltigkeit und Zirkularität. Michel Bohren, Vorsitzender der Geschäftsleitung von CRB, beleuchtet in seiner Kolumne, wie das System der Branche durch technologische Innovationen stabilisiert werden kann, warum dies aber auch Risiken birgt und weshalb Ausdauer, Resilienz und Mut entscheidend sind.
Quelle: CRB
Michel Bohren ist Vorsitzender der Geschäftsleitung von CRB.
Die Bau- und Immobilienwirtschaft kann als «komplexes System» aufgefasst werden. Einerseits ist sie hochgradig geordnet und organisiert, andererseits besteht sie aus heterogenen, funktionalen Strukturen. Die Vernetzung innerhalb dieser Strukturen ist unüberschaubar und wandelbar. Die Wechselwirkungen führen zu nichtlinearen Entwicklungen. Es gibt eine Vielzahl von Akteuren, die aufeinander einwirken: Bauherren, Architektinnen, Spezialplaner, Kalkulatorinnen, Banken, Versicherer, Juristinnen, ausführende Unternehmer, Logistiker, Softwareanbieter und Fachverbände.
Über die letzten 65 Jahre verfolgte CRB den Auftrag der Fachverbände, in diesem komplexen System ordnend zu wirken. Das System sollte der zunehmenden Gefahr durch Unordnung und Desorganisation mehr Stabilität entgegensetzen. Die Standards und Arbeitsmittel von CRB bewirken – auf Basis einer gemeinsamen Sprache – eine konsequente und iterative Rückkopplung innerhalb der Prozesse.
So ermöglichen die eBKP-Struktur und passende Kennwerte zuverlässige und vergleichbare Kostenschätzungen in Softwaresystemen, was die Kreditvergabe erleichtert. Spezifikationen in der NPK-Struktur werden über den Standard IfA18 verbindlich digital ausgetauscht und bilden die Basis, um mithilfe von Kalkulationsgrundlagen vergleichbare Offerten zu rechnen. Das Resultat fliesst nach der Vergabe als rechtsverbindlicher Anhang in den Werkvertrag ein. Die Projekte werden im weiteren Verlauf auf dieser Basis abgerechnet.
Typisch für komplexe Systeme ist, dass jede Störung grosse Unruhe erzeugt, worauf das System sehr schnell versucht, sich wieder zu stabilisieren.
Die aktuellen grossen Herausforderungen in unserer Branche können als solche «Störungen» verstanden werden: Zinswende, Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, Zirkularität und die zugehörigen nervösen Regulierungsbestrebungen. Viele Akteure sehen eine bereits nicht mehr neue technologische Errungenschaft – das «Building Information Modelling BIM» oder etwas weiter gefasst die Digitalisierung – als stabilisierenden Faktor im System. Dies nicht zu Unrecht, sind die genannten Herausforderungen wohl tatsächlich nur mit entsprechender technischer Unterstützung lösbar.
Allerdings darf hierbei nicht unterschätzt werden, dass wir es in diesem Umfeld mit isolierten 3D-CAD-Lösungen zu tun haben, welche sich im Informationsaustausch auf rein technische Standards (Industry Foundation Classes IFC, Information Delivery Specification IDS) verlassen. Baufachlich gibt es kaum einheitliche Definitionen. Weiter sind die 3D-CAD-Systeme stark geometrielastig und Spezifikationen, die nicht einzelne Bauteile beschreiben, werden nach wie vor ignoriert. Vielen Akteuren wie Banken, Versicherern oder Juristen fehlen Erfahrung und auch verbindliche Vorgaben im Umgang mit der neuen Technologie. Daraus folgen unklare Rechtsverhältnisse.
CRB arbeitet national und international an parallelen Vorhaben, um diesem Missstand entgegenzuwirken. Unglücklicherweise entspricht es dem Charakter von komplexen Systemen, dass sie immer versuchen, in die «alte» Stabilität zurückzufinden und sich einzelne Akteure kaum «orchestriert» bewegen. Die Wechselwirkungen bleiben unüberschaubar und wandelbar.
In diesem Bewusstsein, dass wir uns bemühen, ein komplexes System zu verändern, brauchen wir sehr viel Ausdauer, eine hohe Resilienz und viel Mut. Mit unserem internen Kulturwandel der letzten Jahre haben wir uns entsprechend aufgestellt. Wir sind bereit, diesen Marathon zu laufen!