Kolumne von Benjamin Schmid: «Hoch hinaus»
Benjamin Schmid, Geschäftsführer Ziegelindustrie Schweiz, beschäftigt sich in seiner Kolumne mit preisgünstigem Wohnraum, den Herausforderungen der Verdichtung und zeigt auf, dass Aufstockungen auch mit Tonbaustoffen eine gute Möglichkeit zur Wohnraumgewinnung bilden.
Quelle: zvg
Benjamin Schmid ist Geschäftsführer der Ziegelindustrie Schweiz.
In Schweizer Städten hat es zu wenig Wohnraum. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen übersteigt vielerorts das Angebot. Einige Gründe: Zum einen gibt es im städtischen Raum keine «grünen Wiesen» mehr, die sich für grosse Überbauungen eignen. Zum anderen soll einer zu starken Überbauung unseres knappen Bodens Einhalt geboten werden.
Eine Lösung des Problems erscheint nur möglich, wenn wir in
den Städten enger zusammenrücken. Und zwar in der Vertikalen. «Hoch hinaus»
lautet deshalb die Parole. Denn wer in die Vertikale baut, schafft hochwertigen
Lebensraum, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln. Tönt gut? Schauen wir uns
die Herausforderungen an!
Dazu ein Szenenwechsel. Schon von Weitem sind die
Geschlechtertürme von San Gimignano über den Hügeln der Toskana zu sehen.
Markante Zeugnisse stolzer Familien, die klarstellten, wo der «Bartli den Most
holt». Architektur als Ausdruck gesellschaftlicher Macht: dafür braucht es
keinen Rekurs ins Mittelalter. Himmelhohe Wohn- und Geschäftstürme erobern
Europa. Geschaffen von Stararchitekten bietet zum Beispiel das Quartier
«CityLife» in Mailand zentrumsnahen Wohnraum: Aufgrund hoher Mietpreise ein
Luxus für die oberen Zehntausend. Doch es geht auch bodenständiger: Über elf
Geschosse ragt die ikonische Backstein-Fassade von «The Wedge» in Oslo in die
Höhe. Im diesjährigen Herbsturlaub in der norwegischen Hauptstadt, erinnerte
mich die skulpturale Form des Hochhauses unwillkürlich an die Geschlechtertürme
der Toskana. Der rohe Backstein schafft einen beeindruckenden visuellen
Kontrast zu den anderen Häusern des Viertels. Der Ton macht hier buchstäblich
den Charakter: mit einer Optik, die grauen und gesichtslosen Hochhäusern oft
fehlt.
«CityLife» im Sinne eines urbanen und zugleich qualitativ
hochwertigen Wohnens darf kein Luxus sein, den sich nur Reiche leisten können.
Deshalb hier noch ein weiterer Gedanke, der «hoch hinaus» führt. Heutzutage
denkt man bei einer Aufstockung oft nur an die Leichtbauweise. Dabei ist die
Aufstockung eines bestehenden Gebäudes mit Tonbaustoffen eine ebenso gute
Möglichkeit zur Wohn- und Nutzraumgewinnung. Der Bauherr hält sich durch die
Massivbauweise die Möglichkeit offen, zum späteren Zeitpunkt noch ein weiteres
Geschoss zu ergänzen, ohne dabei auf die bewährten Vorteile der Massivbauweise
verzichten zu müssen. Es lohnt sich also, bei der Prüfung der statischen
Anforderungen genau hinzusehen, denn oft ist insbesondere die Tragfähigkeit
der darunterliegenden Mauerwerkskonstruktion nicht vollständig ausgenützt. Mit
zeitgemässer Baustatik-Software lassen sich die notwendigen Nachweise rasch
erbringen. Für die Realisierung von mehr Wohnraum ist zudem die Politik
gefordert: mehr Wohnungen, weniger Vorschriften! Weniger Vorschriften heisst
nicht zwingend weniger Sicherheit. Wir bauen in der Schweiz seit jeher sicher
und massiv, daran wird ein sinnvoller Bürokratieabbau nichts ändern.
Zurück zum Baustoff Ton. So unterschiedlich die baulichen
Anforderungen auch sein mögen: Tonbaustoffe erfreuen mit ihrer einzigartigen
Materialität und Ästhetik Herz und Verstand und schonen zu guter Letzt auch
noch das Portemonnaie. Denn die Errichtungskosten von Backsteinmauerwerk sind
merklich niedriger als bei anderen Wandvarianten. Und das ohne Einbussen an
Wohnqualität und Wohngesundheit. Der Anteil der inländischen Herstellung am
Schweizer Verbrauch von Backsteinen liegt übrigens bei rund 85 Prozent. Bei
Dachziegeln sind es rund 80 Prozent. Swissmodul, der am häufigsten in der
Schweiz verwendete Stein, weist eine Besonderheit gegenüber vergleichbaren
Steinen aus dem Ausland auf. Er ist schmaler, hat eine höhere Rohdichte und ist
tragfähiger. Dies kommt dem Bau in der kleinräumigen Schweiz, wo Boden und
Raum kostbar ist, entgegen. Ein Hoch auf alle, die hoch hinaus wollen!