Cyber Risk Management in der Schweiz: Wie ein Schiff ohne Kapitän?
Schweizer Unternehmen integrieren Cyberrisiken zu wenig stark ins Risikomanagement. Das zeigt eine gemeinsame Studie der Hochschule Luzern, der Mobiliar und der Economiesuisse: Zwar sind sich die Leitungsgremien der Gefahren bewusst, behandeln Cyberrisiken aber noch zu oft als reines IT-Problem.
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Gestrandetes Boot. (Symbolbild)
Aufsichtsorgane sind zunehmend gefordert, ihre rechtlichen
Kontroll- und Aufsichtspflichten auch im Umgang mit Cyberrisiken wahrzunehmen.
Nebst dieser rechtlichen Verpflichtung gibt es auch aus
betriebswirtschaftlicher Sicht gute Gründe, ins Cyber Risk Management zu
investieren. Schliesslich können Cyberangriffe einen erheblichen Schaden in
Organisationen verursachen. Sie können im schlimmsten Fall hohe Bussen, einen starken
Reputationsverlust, den Entzug der Betriebsbewilligung oder gar den Konkurs
bedeuten.
Bei vielen Unternehmen scheint ein zentrales Fundament zum
Managen von Cyberrisiken grundsätzlich zu fehlen: Keine der befragten
Organisationen hat explizit definiert, in welchem Ausmass Cyberrisiken bewusst
eingegangen werden sollen, um die Geschäftsziele zu erreichen. «Aus der Sicht
des Risikomanagements ist das vergleichbar mit einem Schiff, das keinen Kapitän
hat», sagt Stefan Hunziker, Studienautor und Leiter des Kompetenzzentrums Risk
& Compliance Management an der Hochschule Luzern (HSLU). Offenbar bereitet
das Entwickeln von sogenannten Risikoappetit-Aussagen in der Praxis grosse
Mühe.
Wie die HSLU-Studie zeigt, herrscht im Umgang mit
Cyberrisiken eine Lücke zwischen der technischen IT-Infrastruktur-Ebene und der
organisatorischen Ebene. «Cyber-Risiken werden noch zu stark als reines
IT-Thema verstanden. Entsprechend werden sie dezentral und operativ gesteuert
und zu wenig in das unternehmensweite Risk Management integriert», erläutert
Hunziker. Hier ist eine Diskrepanz der Relevanz des Risikos – respektive
Awareness – und der «Risk Governance» feststellbar. «Dieser Umstand
verhindert einen konsistenten Vergleich – und damit auch eine sinnvolle Priorisierung
– von Cyberrisiken und anderen Risikokategorien auf oberster Führungsebene»,
stellt der Experte fest.
Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung empfiehlt
er, die Zusammenarbeit zwischen Chief Information Security Officer (CISO) und
Risk Manager zu fördern. «Denn hier wird primär die Brücke zwischen der
technischen Cybersicherheit und dem betriebswirtschaftlichen Risk Management
geschlagen», erklärt Hunziker.
Risikoursache «Mensch»
Oft werden die einfachsten und gleichermassen
wirkungsvollsten Massnahmen im Umgang mit Cyberrisiken noch immer
vernachlässigt. «Gegebenenfalls ist die Definition von Cyberrisiken deshalb
auch etwas irreführend, da viele Risikoursachen nicht im Cyberraum zu finden
sind, sondern in menschlichem Fehlverhalten», so Hunziker. Hilfreich sei die
Analogie zur Medizin: Dort wisse man schon lange, dass korrektes menschliches
Verhalten die Übertragung von Krankheiten verhindert. Regelmässige
Desinfektion, diszipliniertes Händewaschen und Abstand einhalten ist
etabliertes Verhalten – spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie.
Die vorliegende Studie bestätigt, dass der «Faktor Mensch»,
beziehungsweise menschliche Verhaltensweisen im Bereich der Cybersicherheit im
Vergleich mit technischen Massnahmen noch zu wenig adressiert wird. «Der Faktor
‹Mensch› macht im kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Cybersicherheit
zwar nur ein Element aus, jedoch ein sehr wichtiges», führt Hunziker aus.
Menschliches Verhalten im Umgang mit der Cybersicherheit sollte so trainiert
werden, dass es so selbstverständlich und «normal» wird, wie in die Armbeuge zu
niesen.
Cloudmigration – nur mit Strategie
Viele Cyber-Risiken haben ihre Ursache in der Cloud-Nutzung.
Umso wichtiger ist es, dass Organisationen den Gang in die Cloud gut planen und
mit entsprechenden Massnahmen begleiten. «Das Erstellen einer klaren Strategie
steht ganz am Anfang einer gut geplanten Migration in die Cloud», sagt Armand
Portmann, Studienautor und Themenfeldverantwortlicher «Information & Cyber
Security | Privacy» am Departement Informatik der Hochschule Luzern.
Erfreulicherweise verfügt ein Grossteil der befragten Organisationen über ein
solches Dokument, das die Rahmenbedingungen zur Einführung und Nutzung von Cloud
Services beschreibt. Das lasse den Schluss zu, dass das Thema Cloud Computing
inzwischen auch in den Führungsgremien Aufmerksamkeit geniesst. «Es ist ein
Bewusstsein vorhanden, dass die Nutzung von Cloud-Diensten mit Risiken
verbunden ist», so Portmann.
Hauptrisiken der Cloudmigration
Bei der Benennung der Risiken, die sich bei der Nutzung von
Cloud Services ergeben, sind die befragten Organisationen nicht um Antworten
verlegen.
«Unter die Top drei fallen der Verlust der Vertraulichkeit,
respektive die Verletzung des Datenschutzes, die Abhängigkeit vom
Cloud-Diensteanbieter und Fragen der Haftung», führt Fernand Dubler aus, er ist
Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Luzern. Das
Thema sei komplex. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass die Massnahmen, die
für die Linderung dieser Risiken notwendig sind, nicht einfach auf der Hand
liegen. Dubler ergänzt: «Diese Massnahmen sind äusserst vielfältig und müssen
individuell aus der konkreten Outsourcing-Situation entwickelt werden. Das
stellt die betroffenen Organisationen oft vor sehr grosse Herausforderungen.» (mgt/HSLU)
Die Studie steht unter dem nachfolgenden Link zum Download bereit: www.hslu.ch