15:31 MANAGEMENT

Chefsache mit Rolf Graf: «Für gegenseitige Offenheit»

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Rolf Graf ist Präsident des Verbandes Bauunternehmer Region Basel. In der Interview-Serie «Chefsache» äussert er sich gegen Diktate von oben und plädiert für eine Kommunikation auf Augenhöhe.

Porträt Rolf Graf

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Rolf Graf ist Präsident des Verbandes Bauunternehmer Region Basel.

Wie lautet Ihr wichtigster Führungsgrundsatz?

Diktiere keine Befehle von oben herab, sondern veranlasse deine Anweisungen auf Augenhöhe mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Was macht Sie zu einem guten Chef?

Ein guter Vorgesetzter oder eine gute Vorgesetzte ist jemand, der die Leistungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anerkennt und lobt. Dafür braucht es gegenseitige Offenheit. Dass man nicht nur anspricht, wenn etwas nicht zufriedenstellend ist, sondern auch, wenn jemand etwas Gutes geleistet hat. Zudem versuche ich, zu jeder Zeit ein offenes Ohr für Anliegen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben. 

Wollten Sie schon immer Chef werden?

Diese Frage hat sich für mich nie gestellt, denn das «Chef werden» ergab sich sozusagen aus unserer Familienkonstellation. Mein Vater war Inhaber eines Baugeschäfts. Daher war für mich auch von Anfang an klar, dass ich später einmal den Maurer-beruf lernen, in seine Fussstapfen treten und sein Geschäft übernehmen möchte. Rückblickend muss ich jedoch sagen, dass hinter dem «Chef sein» sehr viel Engagement steht und dass eine solche Entscheidung, wenn die Möglichkeit dazu besteht, sicherlich gut überlegt sein sollte. Ob ich den Mut in so jungen Jahren gehabt hätte ohne die familiären Gegebenheiten? Ich weiss es nicht.

In welchen beruflichen Situationen sind Sie schon an Ihre Grenzen gestossen?

Die härteste Erfahrung war mit Sicherheit der frühe Tod meines Bruders, mit dem ich gemeinsam unsere Bauunternehmen geführt hatte. Diese Lücke zu schliessen brachte mich sehr oft an meine Leistungsgrenze, und dies in einer auch persönlich schwierigen Zeit. Allerdings habe ich dadurch auch einiges für mein weiteres Leben gelernt.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Bauwirtschaft ein?

Zurzeit ist die Auslastung der Baufirmen sehr gut. Wir müssen jedoch davon aus-gehen, dass es in der zweiten Hälfte dieses Jahres und auch 2023 zu einer Abschwächung kommen wird als Folge der Corona-Krise, des Ukraine-Konflikts sowie der allgemeinen Materialbeschaffung und der Teuerung.

Was schätzen Sie an der Baubranche?

Grundsätzlich fasziniert mich das Handwerk als solches, dass man am Abend sieht, was man «erschaffen» hat. Zudem ist die Baubranche sehr innovativ, sei dies in der Anwendung von neuen Arbeitstechniken, Maschinen und Gerätschaften. Aber auch mit dem Umsetzen von eigenen Ideen und Visionen zeichnen sich die Unternehmen aus. Weniger schön ist der andauernde Fachkräftemangel, wodurch es oft zu Abwerbungen kommt. Hier wünsche ich mir, dass die Fairness, Ethik und Moral, die die vergangenen Generationen gelebt haben, weiterhin hochgehalten wird.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Image der Baubranche zu verbessern?

Tue Gutes und sprich darüber. Die Baubranche schafft sehr viel Essenzielles für die Gesellschaft, worüber nur wenig gesprochen wird. Ein gutes Beispiel dafür liegt zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit. Die Baubranche hat heute die Möglichkeit, die Weichen für die Zukunft zu legen, sei dies beispielsweise durch die verwendeten Materialen und deren Wiederverwendung, durch die Verbesserung der Verkehrs- oder Versorgungswege oder durch Renovationen von ineffizienten Gebäudebeständen. Dies ist vielen noch nicht bewusst. Zudem sprechen wir viel zu wenig über unser Ausbildungs- und Arbeitspotenzial. Den meisten ist gar nicht bewusst, welche Möglichkeiten sie in unserer Branche haben, dass wir gute Arbeits- und Sozialbedingungen und damit Topkonditionen auf dem Arbeitsmarkt bieten. Daher verpassen zu viele junge Menschen sehr gute Chancen bei uns.

Welche Probleme sollte die Politik sofort angehen?

Wir würden einen generellen Abbau der «Vorschriftenflut» sehr begrüssen. Zudem sollten die Einsprachmöglichkeiten bei Bauvorhaben überdacht werden, damit Visionen und wichtige, der Bevölkerung dienende Infrastrukturvorhaben auch in nützlicher, und nicht erst in Generationenfristen, realisiert werden können.

Was wünschen Sie der Schweiz?

Lassen Sie es mich so sagen: Man kann stolz sein, in diesem Land leben zu dürfen. Deshalb wünsche ich mir, dass die Schweiz auch in Zukunft ihre Eigenständigkeit und ihre Eigenheiten bewahrt. Zugleich sollten wir jedoch nicht vergessen, dass wir im Mittelpunkt von Europa leben und uns nicht abschotten können. Und das bedeutet auch, dass wir ab und zu auch mal etwas hinnehmen müssen, das vielleicht nicht allen gefällt.

Wo können Sie wirklich abschalten?

Wenn ich Zeit mit meiner Familie verbringen kann, mit meiner Frau und meinen vier erwachsenen Kindern. Oder dann bei einem schönen Kino-, Konzert- oder Gottesdienstbesuch. (cet)

Chefsache

In der Interview-Serie «Chefsache» nehmen bekannte Exponenten der Bauwirtschaft in loser Folge Stellung zu Fragen rund um das Thema Führung. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten die gleichen zwanzig Fragen, von denen sie zwölf auswählen und schriftlich beantworten können.

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