14:02 MANAGEMENT

Ambrosi Hoffmann: «Ich war vielleicht zu wenig frech, zu viel Realist»

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: Olivia Aebli-Item/Suedostschweiz

Skistar oder Bauarbeiter? Vor dieser Entscheidung stand Ambrosi Hoffmann als Teenager. Und sie fiel ihm nicht leicht. Während seinen 16 Jahren als Profisportler wünschte er sich oft, er wäre auf der Baustelle bei seinem Vater. 

Ambrosi Hoffmann

Quelle: Olivia Aebli-Item/Suedostschweiz

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Die Sonne scheint freundlich in Davos, als wir uns aufmachen zum zehnminütigen Fussmarsch vom Bahnhof zu Ambrosi Hoffmanns Einfamilienhaus. Wegen eines kürzlich vorgenommenen Wechsels der Hausnummern steht uns zudem ein kleiner Irrlauf bevor, bis wir den ehemaligen Skirennfahrer endlich finden: Sportlich, gross, blond steht er in der Türe seines Zuhauses, strahlt. Er bittet herein, höflich, zurückhaltend, die Stimme eher leise, die Gestik sanft und bedächtig. In der rustikalen Wohnküche tischt der Bauunternehmer Kaffee auf. Amba, wie er auch genannt wird, ist da angekommen, wo er schon als Kind hinwollte.

Rückblick: Lange schwankt das Leben des Bündners zwischen seiner Liebe zum Bau und der fürs Skirennfahren. Mit seinen Eltern und Bruder Andrea verbrachte er jeden Winter viel Zeit auf der Piste. «Doch bis in die sechste Klasse träumte ich nie davon, Skirennfahrer zu werden», erinnert sich der 47-Jährige. Natürlich habe er Stars wie Pirmin Zurbriggen, Peter Müller oder Vreni Schneider angehimmelt. Genauso bewunderte er aber auch seinen Vater Andrea, der 1969 die A. Hoffmann Bauunternehmung gegründet hatte. 

Einstieg ins Familienunternehmen geplant

Ambrosi ist gerne auf den Baustellen, mag die grossen Maschinen: «Im Sommer habe ich meinem Vater stets unter die Arme gegriffen. Wir waren eine kleine Firma, wie eine Familie, ich kannte alle Mitarbeiter – das war lässig.» Hier sieht der junge Ambrosi seine Zukunft.  Dass sein Weg vorerst in eine andere Richtung führt, hat mit seinem Ski-Talent zu tun, das sich immer deutlicher zeigt. Eine Profisport-Karriere wird für den Teenager immer greifbarer. Und: Wer würde es nicht versuchen, wenn die Möglichkeit da ist. 1996 wird Hoffmann in Hoch-Ybrig Juniorenweltmeister in der Abfahrt, holt sich eine Goldmedaille. Er steigt ins nationale Kader auf.

Im Weltcup angekommen, harzt es dann leider: Hoffmann fährt stets gut genug, um für das Kader selektioniert zu werden, doch die ganz grossen Erfolge bleiben aus: Er schafft es in seiner 16 Jahre dauernden Karriere gerade sechs Mal aufs Podest, allerdings nie als Oberster auf dem Treppchen. Grösster Triumph ist die Bronzemedaille im Super-G bei den Olympischen Winterspielen in Turin 2006. Diesem sympathischen Mann hätte man mehr Erfolg gewünscht. «Ich war vielleicht zu wenig frech, zu viel Realist», sinniert er retrospektiv. «Die letzten Leistungsprozente spielen sich im Kopf ab: Du musst über ein Killer-Gen verfügen – das macht den Unterschied zwischen drittem und erstem Platz.»

2012 stellt Hoffmann seine Ski in die Ecke – aus Frust, weil bei den Wettkämpfen die Resultate nicht mehr stimmen. Sein Rücktritt ist kein Schuss ins Blaue. Längst hat er seinen Einstieg ins Bauunternehmen seiner Familie geplant. Die Maurerlehre hatte er noch damals abgeschlossen, als seine Skikarriere bereits Lauf aufgenommen hatte. Während der ganzen Zeit im Skizirkus ärgert er sich, dass er im Sommer auf irgendwelchen Gletschern trainieren muss: «Ich wäre lieber beim Vater auf dem Bau gewesen.»

Ambrosi Hoffmann Silberhornschanze 2009

Quelle: Keystone / Peter Klaunzer

Ambrosi Hoffmann überwindet die Silberhornschanze während der Ski-Weltcup-Abfahrt der Herren in Wengen, am Samstag, 17. Januar 2009.

Im Traumberuf angekommen?

Nun ist er dort, wovon er immer geträumt hat. Viel gehört hat man seit seinem Rücktritt als Skiprofi nicht mehr vom Ambrosi Hoffmann, doch das ist ihm ganz recht: «Ich habe die Öffentlichkeit nie gesucht.» Nach seinem Einstieg wird die A. Hoffmann Bauunternehmung 2013 in Hoffmann Bau AG umbenannt. Gründer Andrea Hoffmann sen. wird heuer 80 Jahre alt. «Bis vor fünf, sechs Jahren war er jeden Morgen im Magazin», erzählt sein Sohn. «Jetzt arbeitet er noch als Springer. Wenn ich etwas brauche, kann ich ihn jederzeit anrufen.»

Ambrosis älterer Bruder Andrea jun., der bereits seit 2008 im Familienbetrieb arbeitete, kann ihn heute leider nicht mehr unterstützen: Vor etwa drei Jahren musste er seinen Beruf wegen eines Burnouts aufgeben. «Andy arbeitete im Büro, machte Offerten und holte Aufträge rein. Ich verstehe, dass er sich da einem grossen Druck ausgesetzt gefühlt hat», sagt Ambrosi Hoffmann. Eine Rückkehr ist nicht geplant. «Andrea wird sich etwas anderes suchen.»

Nun führt Amba das Hoch- und Tiefbau-Geschäft also allein – mit Hilfe seiner Frau Tamara (42), die immer mehr Aufgaben übernimmt. «Ich habe mir nach dem Ausstieg meines Bruders schon überlegt, was ich nun tun soll. Ich wusste aber, dass ich weitermachen will.» Am Anfang habe er zappeln müssen, schauen, ob er alles unter einen Hut bringt, ob es finanziell reicht. Eine seiner Stärken sei, seine eigenen Fähigkeiten einschätzen zu können. So ist eine Vergrösserung der Firma für ihn kein Thema: «Die jetzige Dimension – drei bis vier Personen – ist perfekt.» Und zudem eine Stärke: «Es fördert das Vertrauen der Auftraggeber, wenn der Unternehmer vor Ort auf der Baustelle anzutreffen ist. Oder wenn man den Verantwortlichen telefonisch direkt erreicht, ohne, dass man eine Nachricht hinterlassen muss.» Der im Spitzensport antrainierte Ehrgeiz komme ihm zugute: «Wenn du mehr gibst, als andere, bekommst du auch mehr.»

Ambrosi Hoffmann ist in sämtliche Bereiche seines Betriebs involviert. Er sitzt nicht nur im Büro, übernimmt oft körperliche Tätigkeiten - vom Handlanger bis zum Maschinisten: «Als Chef musst du von Allem eine Ahnung haben.» Die Hoffmann Bau AG läuft gut, erledigt hauptsächlich Aufträge für Private und die Gemeinde. «Die Präsenzzeit ist gross, das ist nicht immer ideal. Dafür habe ich mehr Freiheiten. Ich bin nur meinen Kunden und Mitarbeitern Rechenschaft schuldig, sonst kann ich mich frei bewegen.» Etwas, das während seiner Skikarriere als national bekannte Persönlichkeit nicht immer möglich war.

Skisport nicht ganz aufgegeben

Ganz Adieu sagte Hoffmann dem Skisport 2012 übrigens nicht. Bereits im Winter nach seinem Rücktritt wurde er Leiter der Jugendorganisation des Skiclub Davos. Momentan macht ihm die ehrenamtliche Arbeit allerdings mehr zu schaffen, als ihm lieb ist. «Wir brauchen mehr Schultern, auf die die Aufgaben verteilt werden können.» Er liebt den Zusammenhalt unter Gleichgesinnten – das war schon während seiner Skikarriere so. «Das findet man so sonst kaum irgendwo, dass alle am gleichen Strick ziehen.»

Und dann sind da noch seine Söhne Fadri (15) und Dario (13), die beide vom Skisport begeistert sind. Auch Tochter Selina (9) ist oft auf den Ski, aber weniger angefressen, als ihre Brüder. «Bei Fadri kommt es nächstes Jahr zur ersten grossen Selektion von der Jugendorganisation zu den Junioren», erklärt Ambrosi.

Ob Dario und Fadri den «Killerinstinkt» haben, der ihrem Vater fehlte? Heute arbeiten die meisten Top-Sportler mit Mentaltrainern, die sich um die «Leistungsprozente, die im Kopf stattfinden» kümmern. Vielleicht hätte eine solche Unterstützung Ambrosi Hoffmann vom dritten auf den ersten Platz geholfen? Er kann sich das nicht vorstellen : «Ich fuhr zusammen mit den ganz grossen Skihelden und die hatten auch keinen solchen Coach.» Zudem glaube er nur, was er sehe. Seine Frau ist da allerdings anderer Meinung.

Sollte einer seiner Söhne sich für eine Skirennsport-Karriere entscheiden, steht Ambrosi vor einer wohl bekannten Situation: Einem Leben zwischen Bau und Profisport. Er weiss: «Erfolgreicher Skirennfahrer kannst du nur werden, wenn die Eltern dich unterstützen und finanzieren. Dazu gehört auch, bei den Trainings und Rennen der Kinder dabei zu sein.»

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Freie Mitarbeiterin für das Baublatt.

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