Zweitwohnungsgesetz wirkt sich auf Bergregionen nicht nur positiv aus
Der Zweitwohnungsbau ist weitgehend gestoppt. Dies zeigt das Zweitwohnungsgesetz-Monitoring des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Während Bauwirtschaft und Hotellerie die Auswirkungen des Gesetzes nur geringfügig zu spüren bekommen, haben diejenigen, die im Berggebiet zu Hause sind, Mühe eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Quelle: Mark Tan, Unsplash
Celerina ist einer der Gemeinden, die unter steigenden Wohnungspresien leidet.
Gestiegen sind die Immobilienpreise vor allem an den touristischen Hot-Spots. Dafür ist vor allem die verstärkte Nachfrage nach Zweitwohnungen verantwortlich, wie das ARE und das Seco in der gemeinsamen Medienmitteilung schreiben. Für diese Nachfrage gibt es wiederum mehrere Gründe: Das niedrige Zinsumfeld habe das Anlegen in Immobilien attraktiv gemacht, heisst es weiter. Und die Covid-Pandemie sowie das ortsunabhängige Arbeiten hätten die Nachfrage nach Zweitwohnungen angeheizt.
Während nun das Überangebot von Zweitwohnungen mancherorts beinahe verschwunden ist, hat die Nachfrage nach altrechtlichen Wohnungen zugenommen. Unter einer altrechtlichen Wohnung im Sinne des Zweitwohnungsgesetzes versteht man eine Wohnung, die vor dem 11. März 2012 rechtmässig bestanden oder rechtskräftig bewilligt gewesen ist. Sie sind bezüglich Nutzung frei und dienen in vielen Fällen als Erstwohnungen. – Wie das Seco und das ARE festhalten, ist es für Eigentümer einer altrechtlichen Wohnung finanziell sehr attraktiv, die Immobilie als Zweitwohnungen zu verkaufen oder zu vermieten.
Unerschwingliche Wohnungspreise in Tourismus-Hochburgen?
Im Zuge dieser Entwicklung sind die Wohnungspreise in Tourismushochburgen für Einheimische und Arbeitskräfte oft unerschwinglich geworden. «Die Umnutzung von Erst- zu Zweitwohnungen und die Schwierigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu finden, führen zu Verdrängung und Abwanderung», schreiben das Seco und das ARE. «Die strukturellen Veränderungen im Berggebiet, die schon vor dem Zweitwohnungsgesetz eingesetzt haben, nehmen so weiter zu.»
Weiter verdeutlicht das Monitoring auch, dass ältere Menschen tendenziell eher in die zentraleren Talgemeinden oder in die nächstgelegene Agglomeration umziehen, zum Beispiel nach Visp-Brig, Chur, Martigny, Monthey oder Interlaken. Erwerbstätige zügeln hingegen in Gemeinden, von denen sich an den Arbeitsort pendeln lässt und in denen Miete oder Kauf einer Wohnung erschwinglich ist. Im Kanton Bern gilt dies zum Beispiel für Zweisimmen, Frutigen, Interlaken und Spiez. Im Kanton Graubünden sind gilt dies für Chur, Zernez, Poschiavo, das Unterengadin oder gar Tirano (I) und Chiavenna (I).
Im Baugewerbe und in der Hotellerie setzt sich der Strukturwandel hin zu grösseren Betrieben fort. Die Verlagerung der Bauwirtschaft Richtung Zentren zeichnete sich schon vor dem ZWG ab. Zu regionalwirtschaftlichen Einbrüchen oder mehr Arbeitslosen kam es wegen des ZWG nicht.
Bei Um- und Ersatzbauten Erstwohnungsanteile vorschreiben
Derweil hält sich die Zahl neu erstellter, touristisch bewirtschafteter Wohnungen in Grenzen. Dabei handelt es sich um Ferienwohnungen, deren Eigentümer diese nicht exklusiv nutzen dürfen und diese auch andere Personen vermieten müssen. Die Analysen zeigen, dass solche Wohnungen künftig an Bedeutung gewinnen dürften. Denn gemäss ZWG dürfen Zweitwohnungen in beschränktem Umfang bei Umnutzungen von Hotels gebaut werden oder für die Querfinanzierung von Hotels. – Allerdings ist von diesen Möglichkeiten bislang wenig Gebrauch gemacht worden, auch das zeigt das Monitoring.
Das ZWG sieht vor,
dass Kantone und Gemeinden Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen einschränken
können. Dies kann zum Beispiel geschehen, in dem bei Um- und Ersatzbauten Erstwohnungsanteile
vorgeschrieben werden oder in dem Bauland für bezahlbaren Wohnraums im Baurecht
abgegeben wird. Wie das ARE und das Seco schreiben sind, seien einige wenige
Gemeinden daran, derartige Massnahmen umzusetzen. (mai/mgt)
Monitoring über den
Vollzug und die Auswirkungen des ZWG
Artikel 19 des Zweitwohnungsgesetzes vom 20. März 2015 (ZWG) verpflichtet das
ARE, in Zusammenarbeit mit dem SECO, regelmässig die Auswirkungen des Gesetzes
auf die touristische und wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Regionen
zu analysieren. Am 12. Mai 2021 hat
der Bundesrat die erste Analyse gutgeheissen. Mit dem vorliegenden
Monitoring-Bericht wird über den Vollzug und die Wirkungen des ZWG informiert.
Dieses Monitoring soll Grundlagen für künftige Wirkungsanalysen schaffen. Die
nächste ist für 2025 geplant. (mgt)
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