Zürich: Bald ein Verbot von kommerzieller Werbung auf öffentlichem Grund?
Kommerzieller Werbung auf öffentlichem Grund droht in der Stadt Zürich das Aus. Heute hat die linke Mehrheit des Stadtparlaments einen entsprechenden Vorstoss der AL überwiesen.

Quelle: Leon Meisser, Baugeschichtliches Archiv, Creative Commons BY-SA 4.0
Konsumverlockung? Der mit einem Plakat für eine bekannte Uhrenmarke versehene Schutztunnel für die Baustelle des Hauses zum Falken, das beim Bahnhof Stadelhofen entsteht, im 2024.
Für das Werbeverbot stimmten AL, Grüne und SP mit 58 Stimmen. Werbung mache unzufrieden und fördere den Konsum. Derweil hagelte es seitens Bürgerlicher scharfe Kritik am «klassenkämpferischen und ideologischen» Vorstoss, sie unterlagen aber knapp, mit 57 Stimmen. - Damit muss der Stadtrat nun gegen seinen Willen eine Vorlage ausarbeiten, die dann wieder in den Rat kommt. Zumal bereits von sich aus ein Moratorium für weitere digitale Werbeflächen bis 2030 beschlossen hatte. Doch dies genügte der linken Ratsseite offenbar nicht.
Die AL begründete ihr gefordertes Werbverbot mit den «zahlreichen schädlichen Auswirkungen», die Werbung mit sich bringe. Werbung sei manipulativ, fördere den Überkonsum und sei somit mitverantwortlich für die Umweltzerstörung, sagte Michael Schmid. Als besonders störend empfindet die linke Ratsseite die animierten, digitalen Werbeanzeigen: «Nur schon wegen ihrer Verschandelung des Stadtbildes ist es angebracht, sie zu verbieten», so Schmid weiter. Dazu komme noch der Stromverbrauch. Ähnlich sieht es die SP: Sie kritisierte die «Kommerzialisierung des öffentlichen Raums». Mit dem Werbeverbot solle die Konsumgesellschaft endlich transformiert werden, fand Anna Graff.
Bürgerliche: «Angriff auf die freie Gesellschaft»
Die Bürgerlichen sehen im Werbeverbot ein «Angriff auf die freie Gesellschaft». Das sei stossend, ideologisch und wirtschaftsfeindlich, sagte etwa GLP-Gemeinderat Nicolas Cavalli. Werbung sei doch auch Kulturgut. Und GLP-Ratspräsident Guy Krayenbühl konnte sich ein «Willkommen in Pjöngjang» nicht verkneifen.
Als eine «weitere Schaufel Dreck auf unser Grab» bezeichnete FDP-Gemeinderat Patrik Brunner, der im Vorstand des Zürcher Werbeclubs sitzt, das Anliegen der AL. In der Schweiz gebe es rund 7000 Stellen in der Werbebranche, die seien jetzt in Gefahr. Er verwies darauf, dass durch diese Motion nicht nur die «fancy Werber» in den Agenturen seien, sondern auch die Jobs von Plakateuren und Druckern. «Die Werbegelder werden alle abwandern, zu ausländischen Tech-Firmen», konstatierte er. Aber das sei den Linken ja offensichtlich egal.
Stadt Zürich: Jährliche Einnahmen von 19 Mio. Dank Werbeflächen
Kein Werbeverbot will auch der Stadtrat; Mit den Flächen nimmt die Stadt jährlich 19 Millionen Franken ein. «Reklameflächen haben eine lange Tradition», ergänzte Hochbauvorsteher André Odermatt (SP). Inmitten des Gewusels einer Stadt hätten Werbungen durchaus Platz. Zudem gebe es bereits heute strenge Regeln für die Verträglichkeit. «Es gibt fast keine Reklamationen», so Odermatt. Die digitalen Anzeigen würden natürlich Strom verbrauchen, räumte er ein. Allerdings ein Verbot laut Odermatt «nur ein bescheidener Beitrag» zur Reduktion des gesamten Stromverbrauchs. Odermatt ist überzeigt, dass die Zürcherinnen und Zürcher «genügend kompetent» sind, um der Werbung nicht hoffnungslos ausgeliefert zu sein.
Die Vorlage zum Verbot liefert übrigens die Genfer Gemeinde Vernier: Hier ist kommerzielle Werbung schon heute verboten. Das Bundesgericht hatte das Verbot gestützt: Es sei ein zulässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit. (mai/sda)