Wohin mit den Asylsuchenden?
«Asylrecht ist eine Schweizer Tradition»
Andy Tschümperlin ist SP-Nationalrat, Kanton Schwyz, und Vorstandsmitglied Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht.
In Eritrea werden Kinder unter 18 Jahren in den Militärdienst eingezogen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe belegt in der aktuellen Länderanalyse über Eritrea vom September 2011 diese Fakten mit den entsprechenden absolut verlässlichen Dokumentationen. Zum Teil waren während des Krieges mit Äthiopien 14-jährige Soldaten an Kampfhandlungen beteiligt. Tausende junge Menschen, die sich dem wehrpflichtigen Alter nähern, sind in den letzten Jahren auch in die Schweiz geflohen.
Alle Asylsuchende haben eine Geschichte. Die Aufgabe unseres Staates ist es zu klären, ob aufgrund dieser Geschichte Asyl gewährt werden kann. Gemäss unserer Gesetzgebung wollen wir Flüchtlinge schützen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder wegen ihrer politischen Anschauungen an Leib und Leben gefährdet sind. Diese Zielsetzung hat das Volk in der Referendumsabstimmung zum Asylgesetz vor fünf Jahren klar bestätigt.
Damit wir diese schwierige Aufgabe bewältigen können, brauchen wir eine pragmatische, lösungsorientierte und konstruktive Asylpolitik, in die Bund, Kantone und Gemeinden eingebunden sind. Unsere direktdemokratischen Rechte garantieren für alle Mitwirkungsrechte. Es ist also an uns, sich für Flüchtlinge einzusetzen – eine schweizerische Tradition, auf die ich stolz bin.
«Langfristige Planung statt Feuerwehr-Übungen»
Balthasar Glättli ist Nationalrat Grüne, Kanton Zürich, und Vorstandsmitglied der Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich.
Damit genügend Unterkünfte für Asylsuchende bereitgestellt werden können, braucht es eine langfristige Planung. Massstab dürfen dabei nicht die Wünsche nach sinkenden Gesuchszahlen und schnelleren Verfahrensabläufen sein. Die Kapazitäten müssen vielmehr ausreichen, um den Bedarf im langjährigen Mittel abzudecken.
Die vor ein paar Jahren eingeleiteten Sparmassnahmen, welche zur Senkung von Reservekapazitäten bei den Kantonen führte, waren von heute her gesehen kurzsichtig. Sie müssen darum rückgängig gemacht werden.
Auch wenn im Parlament momentan Vorschläge zur Beschleunigung diskutiert werden, darf man sich nicht in der Illusion wiegen, dass diese rasch zu Veränderungen führen werden. Bereits heute liegt der Grund für die langen Verfahrensdauern, welche den Gesamtbedarf an Unterkünften erhöhen, nicht in gesetzlichen Regelungen oder zu langen Fristen. Die Verfahren könnten bereits heute durch Verwaltung und Bundesverwaltungsgericht wesentlich rascher und dennoch rechtsstaatlich sauber durchgeführt werden. Hier müssten die personellen Ressourcen angemessen aufgestockt werden.
«Eine logistische Herausforderung»
Philipp Müller ist FDP-Nationalrat, Kanton Aargau.
Es ist nicht akzeptabel, dass afrikanische Asylsuchende unsere Bahnhöfe sprichwörtlich belagern, öffentliche Plätze besetzen, die Leute belästigen, Diebstähle begehen und im Drogenhandel tätig sind. Natürlich hat ein rasches Verfahren und die sofortige Ausschaffung von abgewiesenen Asylsuchenden oberste Priorität.
Da gerade nach Nordafrika Zwangsrückschaffungen kaum mehr möglich sind, müssen wir erreichen, dass es nicht mehr interessant ist, den Verbleib in der Schweiz zu erzwingen. Wir müssen also dafür sorgen, dass Asylsuchende, die sich nicht an unsere Spielregeln halten, aus dem öffentlichen Raum entfernt werden und nicht mehr ihren lukrativen «Geschäften» nachgehen können. Bei der Problematik der Unterbringung handelt es sich vor allem um eine logistische Aufgabe. Der Bund muss möglichst rasch eine Evaluation aller abseits gelegenen Militäranlagen vornehmen. Dazu gehört eine tabulose Auflistung sämtlicher nicht mehr oder nur noch teilweise benötigter Festungsanlagen, aller nicht mehr benutzten Armeeschiessplätze mit Truppenunterkünften und dergleichen. Die Unterbringung von Asylsuchenden in vom Bund betriebenen Zentren führt zu einer Verminderung der Attraktivität in der Schweiz zu bleiben. Konkret: Es verleidet den Leuten hier zu bleiben, wenn sie sich nicht in den bevölkerungsreichen Gebieten aufhalten können.
«Renitente raus aus den Dorfzentren»
Marco Romano ist CVP-Nationalrat, Kanton Tessin.
Als Bürger des Mendrisiotto, der südlichsten Region und Eingangstor zur Schweiz, kenne ich die Lage in Chiasso sehr gut. Die momentane Situation ist sehr angespannt und das Asylzentrum bereitet Behörden und Einwohnern täglich Probleme wegen übermässigem Alkoholkonsum, psychischen Problemen, Gewalt und Diebstählen. Die Lage der Unterkunft im Stadtzentrum ist heikel, da die Asylbewerber sehr engen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung haben. Die Zahl der Asylsuchenden steigt kontinuierlich an und das Personal ist zu knapp bemessen.
Ich sehe zwei kurzfristige Lösungskomponenten, die der Bund anordnen muss und kann: Erstens braucht es mehr Personal, welches vor allem die Abklärungsprozesse rasch durchführt. Zweitens braucht es neue Einrichtungen ausserhalb der Gemeinden, in die man problematische Fälle auslagern kann. Diese müssen über besondere Sicherheitsmassnahmen verfügen und die problematischen Asylsuchenden sollten möglichst wenig Kontakt mit der lokalen Bevölkerung haben. Die Suche und Organisation solcher Einrichtungen muss gemeinsam mit Kantonen und Gemeinden durchgeführt werden. Die «ruhigen» Bewerber, wie etwa Familien, können weiterhin in den Asyleinrichtungen in den Zentren bleiben.
Steigt der Druck an der Grenze, wie das gegenwärtig der Fall ist, müssen temporär auch Armee- und Zivilschutzanlagen für die Unterbringung genutzt werden.
«Die Gemeinden müssen Widerstand leisten»
Hans Fehr ist SVP-Nationalrat, Kanton Zürich.
Unser Asylwesen ist krank. Weil das Bundesamt für Migration unter Bundesrätin Sommaruga nicht handelt, müssen die Gemeinden die Suppe auslöffeln, die ihnen durch das obrigkeitliche Laisser-faire eingebrockt wird. Eine Besserung wird es nur geben, wenn Gemeinden und Kantone mit allen legalen Mitteln Widerstand leisten.
Dass sich die Zahl der jährlichen Asylgesuche in wenigen Jahren auf rund 22 000 (im Jahr 2011) verdoppelt hat, ist nicht etwa auf Kriege und Konfliktherde zurückzuführen, sondern auf die Tatsache, dass unser Land für Scheinflüchtlinge viel zu attraktiv ist. Ein Asylverfahren dauert durchschnittlich 1400 Tage. Mehrfachgesuche und Rekurse sind an der Tagesordnung. Wer also in unser Land kommt – es sind fast ausschliesslich junge Männer – kann damit rechnen, jahrelang hier bleiben zu können. Zudem stellen vor allem die Asylanten aus dem Maghreb enorm hohe Ansprüche, viele tauchen unter, und immer mehr betätigen sich kriminell. Für viele Gemeinden ist die Situation unhaltbar geworden. Darum ist konsequenter Widerstand gegen höhere Zuteilungen und neue Asylzentren angesagt.
Als Sofortmassnahme sind die Asyl-bewerber in erweiterten Bundeszentren, Militärunterkünften und Zivilschutzanlagen unterzubringen. Vor allem aber müssen die Verfahrensdauern drastisch gesenkt und die Rekursmöglichkeiten eingeschränkt werden; die Grenzkontrollen sind vor allem im Süden zu verstärken; renitente Asylanten sind in Bundeszentren zu verlegen und Kriminelle sind mit einer Null-Toleranz-Regelung in einem Schnellverfahren auszuschaffen. Nur so können die Gemeinden entlastet werden, und nur so kann die Schweiz ihre Asyltradition für echte Flüchtlinge aufrecht erhalten.
«Verfahren müssen beschleunigt werden»
Christoph Blocher ist SVP-Nationalrat, Kanton Zürich, und ehemaliger Vorsteher des EJPD.
Die heutige Dauer der Asylverfahren, die für abgewiesene Asylbewerber im Durchschnitt 1400 Tage beträgt, ist viel zu lange und hat letztlich auch die aktuellen Unterbringungsprobleme zur Folge. Die Verfahren müssen beschleunigt und abgewiesene Asylbewerber rascher in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Wirtschaftsmigranten dürfen nicht mehr so einfach ins Land gelassen werden und gegenüber kriminellen und renitenten Asylbewerbern ist viel härter durchzugreifen. Bei einem raschen, effizienten Verfahren und einem funktionierenden Vollzug des Asylrechts wird sich die Beherbergungsproblematik umgehend entschärfen. Das Ziel muss sein, die Einwanderung unattraktiv zu machen und die Schlepper abzuschrecken.
Das Bundesamt für Migration ist mit der aktuellen Situation heillos überfordert. Die Zeche zahlen insbesondere die Kantone und Gemeinden. Die Suche nach geeigneten Standorten müsste in erster Linie Aufgabe des Bundes sein. Dabei sind selbstverständlich die Interessen und Anliegen der jeweiligen Gemeinden zu berücksichtigen. Abgelegene Unterkünfte führen in der Regel zu weniger Protesten in der Bevölkerung. Zudem sind diese Standorte auch für die Asylbewerber weniger attraktiv. Wünschenswert wäre, dass die Unterkünfte vom Bund geführt und finanziert werden. Dies würde wohl auch dazu führen, dass der Druck zur Beschleunigung der Verfahren zunimmt. Sollte eine Führung durch den Bund nicht möglich sein, sind die betroffenen Gemeinden wenigstens angemessen zu entschädigen.