14:07 KOMMUNAL

Wird in Rutschwil trotz Bundesgerichtsentscheid ein Riegelhaus abgerissen?

Teaserbild-Quelle: Zürcher Heimatschutz

Der Streit um den Abbruch des Gasthauses «Zur Traube» in Rutschwil, einem Dorf im Zürcher Weinland, ist komplex. Und er dauert seit Jahren an. Geht es nach dem Zürcher Heimatschutz ist er noch nicht zu Ende, obwohl vom Haus mittlerweile nur noch drei Mauern stehen.

Traube in Rutschwil

Quelle: Zürcher Heimatschutz

Von der ehemaligen Wirtschaft standen am Freitagabend nur noch drei Mauern.

Die Wirtschaft «Zur Traube» ist oder war vielmehr einst ein stattliches Riegelhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert. Allerdings findet sich der markante Bau  nicht im kommunalen Inventar der schutzwürdigen Objekte der Gemeinde Dägerlen, zu der Rutschwil gehört. Vor wenigen Jahren kaufte ein Immobilienentwickler die Liegenschaft und das dazugehörige Areal. Dies mit dem Plan, auf dem Grundstück Mehrfamilienhäuser zu errichten; Der ehemalige Gasthof hätte dazu abgebrochen werden sollen.  2019 bewilligte der Gemeinderat das dafür nötige Abbruch- und Baugesuch.

Gegen diese Pläne wehrte sich der  Zürcher Heimatschutz (ZVH) mit einem Rekurs: Er  erachtet die «Traube» als das «dominierendste und eindrücklichste Gebäude im Dorf» und damit als schutzwürdig. Zunächst hatte der ZVH wenig Erfolg: Wie er in einer Medienmitteilung schreibt, gingen die zürcherischen Gerichte nicht darauf ein, da das Haus nicht im Schutzinventar figuriert. Dieses wiederum war, wie der Medienmitteilung der Denkmalschutzorganisation zu entnehmen ist, offenbar erst kurz zuvor verabschiedet worden. Der ZVH wirft dem Gemeinderat vor, dass das Gebäude «offensichtlich bereits im Blick auf den damals angedachten Abbruch nicht in das Inventar aufgenommen» worden ist.
Darauf gelangte der Heimatschutz an das Bundesgericht und erhielt Recht: Das Haus sei in willkürlicher Weise nicht in das Inventar mit aufgenommen worden, wird das Gerichtsurteil zuhanden der Gemeinderats und der Bauherrschaft in der Pressemeldung zitiert. Zudem ordnete es darin an, dass die Eigentümerin zuerst ein Gesuch zur Abklärung der Schutzwürdigkeit einreicht und dass der Gemeinderat darauf auf der Basis des Gutachtens dann entscheidet, ob das Haus abgebrochen werden kann oder ob es unter Schutz gestellt wird. 

Gasthof erhalten und Scheune rückbauen

Nach dem Urteil war die Bauherrschaft laut ZVH mit dem Wunsch um eine einvernehmliche Lösung an ihn herangetreten. Unter Beteiligung des Gemeinderats einigte man sich: Der Gasthof sollte als Wohnhaus erhalten bleiben, dafür durfte die nach einem Brand neu errichtete Scheune aus dem 60er-Jahren rückgebaut werden - weil sie nicht als schutzwürdig galt. All dies jedoch unter der Bedingung, dass der Ersatzbau «die für das Erscheinungsbild wichtigen Gestaltungselemente der Scheune» übernimmt.  Schliesslich erteilte der Gemeinderat im Herbst vergangenen Jahres eine neue Baubewilligung, auch der Abbruch der Scheune erhielt grünes Licht. Ein Schutzentscheid, wie dies das Bundesgericht gefordert hatte, war gemäss ZVH jedoch entgegen der Auflage des Bundesgerichts nicht gefällt worden. 

Doch wenig später wendete sich das Blatt. Anwohner meldeten dem ZVH, dass vom Dach des Wohnteils die Ziegel entfernt werden. Von der Gemeindeverwaltung habe man die beruhigende Zusicherung erhalten, dass dies nur geschehe, um die heutigen Biberschwanziegel durch Falzziegel zu ersetzen, berichtet die Denkmalschutzorganisation. Der Wohnteil werde selbstverständlich nicht abgebrochen, hiess es weiter.

Dachstock der «Traube» wurde abgebrochen

Gestern eskalierte die Situation: «Gegen Mittag wurde der Heimatschutz von der Bevölkerung alarmiert, dass nun auch der Dachstock des Wohnteils abgebrochen werde», teilt er ZVH mit. Eine dringende Aufforderung, sofort einen Baustopp zu verfügen, habe ein Gemeinderatsmitglied dahingehend beantwortet, dass das Haus vollständig ausgekernt werde und dazu das Dach und alle Decken zerstört würden. Es würden drei Aussenmauern stehen bleiben. 

In der Folge verlangte der ZVH, dass die Arbeiten sofort, noch am selben Tag eingestellt werden. Weiter forderte er, dass die herausgerissenen Balken sorgfältig aufbewahrt werden, damit sie sich bei einem zukünftigen Wiederaufbau wieder verwenden lassen, und dass ein Notdach zur Sicherung der Bausubstanz des Wohnteils installiert wird. Zudem orientierte Heimatschutz das Generalsekretariat der Baudirektion über die Vorfälle. Die angedeutete Weigerung einen superprovisorischen Baustopp zu verfügen, führe mutmasslich dazu, dass die Abbrucharbeiten weiter geführt würden, bevor eine höhere Instanz eingreifen könne, befürchtet der ZVH. (mai/mgt)

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