07:47 KOMMUNAL

Wie viel Mikroplastik schwimmt in Schweizer Gewässern?

Teaserbild-Quelle: Bernd Nowack, Empa

Oft lagert sich Mikroplastik weit entfernt vom ursprünglichen Entstehungsort ab. Wie die Konzentration solch winzigster Kunststoffteilchen in den Schweizer Gewässern berechnet werden kann, wissen Fachleute der Empa. Sie haben ein entsprechendes Rechnungsmodell entwickelt.

Mikroplastik

Quelle: Bernd Nowack, Empa

Mikroplastik: Plastikstückchen unter 5 Millimeter Grösse gelangen leicht in Gewässer.

In der Schweiz geraten alljährlich 14000 Tonnen Plastik in Böden und Gewässer. Bei einem Teil davon handelt es sich um Mikroplastik: Partikel im Mikro- bis Millimeterbereich. Mikroplastik stammt aus unterschiedlichsten  Quellen, etwa aus Kosmetika oder Kunstfaserkleidung. Mikroplastik entsteht aber auch durch Abrieb und Zersetzung von grösseren Plastikstücken - sogenanntem Makroplastik - entstehen Mikroplastikpartikel.

Mikroplastik gelangt wegen seiner geringen Grösse besonders leicht in die Gewässer: Zirka 15 Tonnen landen jährlich in den Flüssen und Seen der Schweiz. Die Konzentration von Mikroplastik im Wasser zu messen ist anspruchsvoll. Dies, weil sich die Plastikstückchen oft nur schwer von Partikeln natürlichen Ursprungs unterscheiden, und ihre Menge stark mit der Zeit und dem Ort der Messung sowie mit dem verwendeten Messverfahren variiert.

Die sieben häufigsten Kunststoffe

Will man sich ein Gesamtbild der Mikroplastikbelastung in den Flüssen und Seen einer grösseren Region verschaffen, zum Beispiel von der ganzen Schweiz, genügen Messungen alleine nicht. Die  Empa-Forscher David Mennekes und Bernd Nowack haben deshalb im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (Bafu) ein Modell entwickelt, das die Konzentration von Mikroplastik in Gewässern landesweit vorhersagen kann.

Die Grundlage dazu lieferte den Forschern ein im Jahr 2020 entwickeltes Modell. Dieses zeigt auf,  wo und in welchen Mengen die sieben häufigsten Kunststoffe als Makro- und Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt werden: Polyethylen (LD-PE und HD-PE), Polypropylen, Polystyrol und expandiertes Polystyrol, PVC und PET, wie sie in Verpackungen, Textilien, Isolationsmaterial und Landwirtschaftsfolien zum Einsatz kommen. «Nachdem wir zeigen konnten, wo und wie viel Kunststoff in die Umwelt gelangt, war es der logische nächste Schritt, ihre Konzentration aufzuzeigen», sagt Nowack.

Gemäss dem neuen Modell bleibt rund die Hälfte des Mikroplastiks, das in die Schweizer Gewässer gelangt, im Lande. Rund ein Drittel der Gesamtmenge setzt sich dabei in den Seen ab, der Rest in den Flüssen. Die genaue Verteilung von Mikroplastik ist allerdings mitunter komplex: Ein längerer Fluss hält nicht automatisch mehr Partikel zurück als ein kürzerer. Vielmehr bestimmen das Einzugsgebiet, die Staustufen und die Seen, wie viel Mikroplastik im Fluss verbleibt und wie viel weitertransportiert wird.

Plastikpartikel aus Bern, Zürich und Luzern

Besonders hohe Belastungen bestehen flussabwärts von Grossstädten. Am meisten Mikroplastik enthält der Rhein in der Nähe von Basel:  Rund viereinhalb Tonnen davon führt der Fluss jährlich Richtung Deutschland. Dies liegt auch an der Aare. Denn bevor sie in den Rhein fliesst, entwässert sie zusammen mit ihren Zuflüssen Reuss und Limmat, drei der grössten Städte der Schweiz: Bern, Zürich und Luzern.

«Messungen sind nur punktuell möglich. Mit unserem Modell können wir dagegen die Mikroplastikbelastung im ganzen Land berechnen», resümiert Nowack. «Ausserdem lässt sich damit abschätzen, welchen Effekt Verhaltensänderungen oder staatliche Massnahmen auf die Konzentrationen von Mikroplastik hätten.» Die Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler letzte Woche in der neuen Zeitschrift «Nature Water».

Das Modell kann laut Empa auch auf andere Länder und Gebiete angewandt werden. Nowack und Mennekes fokussieren sich allerdings auf die Schweiz. Sie arbeiten bereits an einem vergleichbaren Modell, um die Menge von Makroplastik – zum Beispiel  PET-Flaschen oder Plastiktüten – in Gewässern prognostizieren zu können. In einem nächsten Schritt könnten die modellierten Plastikkonzentrationen auch dazu verwendet werden, das Risiko für die Umwelt in den jeweiligen Regionen abzuschätzen. (mgt/mai)

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