07:51 KOMMUNAL

Wie wirkt sich das Bevölkerungswachstum auf die Finanzen von Städten aus?

Teaserbild-Quelle: Amit Lahav, Unsplash

Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung ist heute in Städten und Agglomerationen zu Hause. Und sie wächst konstant. Im Zuge dessen wird die Schweiz immer urbaner. Diese Entwicklung verändert auch die Gemeindefinanzen. Was das konkret bedeutet, hat eine Studie der EBP Schweiz im Auftrag der Konferenz der städtischen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren zu ergründen versucht.

Spazierendes Paar oberhalb vom Zürichsee

Quelle: Andreas Fischinger, Unsplash

Die Schweizer sind ein Volk von Städtern. Lebte einst das Gros der Bevölkerung in ländlichen Gebieten und ist heute die Mehrheit in Städten und Agglomerationen zu Hause. (Im Bild: Blick auf Zürich)

Die Studie zeigt: Im Bevölkerungswachstum der städtischen Räume spiegelt sich die Attraktivität dieser Gebiete wider. Die starke wirtschaftliche Dynamik, vielfältige Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, eine gut ausgebautes öffentliches Verkehrsangebot und die hohe Lebensqualität mit einem breiten Angebot an Kultur- und Freizeitangeboten ziehen Unternehmen und Haushalte gleichermassen an. Solches führt laut KSFD  dazu, dass auch die internationale Zuwanderung weiter anhält, die sich besonders ausgepärgt in den Zentren bemerkbach macht.

Überdies weisen die Städte, allen voran die grossen Zentren, allgemein eine jüngere Bevölkerungsstruktur auf als die restlichen Räume: Ein starkes Bevölkerungswachstum gehe meist mit einer Verjüngung beziehungsweise einer reduzierten Alterung der Bevölkerung einher, schreibt die KSFD in ihrer Medienmitteilung.

Finanzsituation unterscheidet sich je nach Städtetyp

Des Weiterem wurde in der Studie der  Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Stadtfinanzen untersucht. Dieses Thema ist komplex: «Eine einfache, geschweige denn allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht», merkt die KSFD dazu an. Immerhin zeigt die Studie, dass sich die Finanzsituation der Städte aufgrund des Städtetyps - respektive der Zentrumsfunktion - und der grösse ihrer Bevölkerung zum Teil deutlich  unterscheidet. Dem gegenüber habe das Bevölkerungswachstum über alle Städte hinweg einen untergeordneten Einfluss auf die Entwicklung der Finanzsituation der Städte, merkt die KSFD dazu an.

Erkennen lässt sich lediglich, dass das Wachstum einer Stadt sich auf die Investitionen in die Infrastruktur auswirkt. Ersichtlich wird dies anhand höherer Pro-Kopf-Investitionen - vor allem in den Bereichen Bildung, Freizeit/Sport, Gesundheit, Verkehr und Wohnen. In der laufenden Rechnung liessen sich bei einem stärkeren Wachstum in einzelnen Bereichen ansatzweise Skaleneffekte erkennen, etwa in der Verwaltung oder dem Verkehr.

Neben dem Bevölkerungswachstum beeinflusst auch die demographische Struktur städtische Finanzen. Auch das geht aus der Studie hervor. Im Bildungsbereicht wird dies besonders deutlich erkennbar: So sind den wachsenden Städten etwa insbesondere die Investitionen in Schulbauten markant gestiegen. Demnach hat gemäss KSFD  eine jüngere Bevölkerung kurzfristig hat neben positiven Effekten etwa für den Arbeitsmarkt auch ihren Preis. Längerfristig seien die Städte damit von den negativen Effekten des demographischen Wandels aber deutlich weniger stark betroffen. (mai)


Handlungsfelder

Trotz der Komplexität des Themas können laut den Autoren aus der Studie Hinweise gewonnen werden, wie Städte auf das Wachstum und die damit verbundenen Folgen reagieren können und wie das Städtewachstum gezielter, aktiver gestatlet werden kann.  Sie skizzieren dazu fünf Handlungsfelder und empfehlen, die Stadtentwicklung über die Stadtgrenzen hinaus zu denken.

1. Die Bevölkerungsentwicklung und ihre Einflussfaktoren, ihre Treiber und Trends besser verstehen.
Eine Basis für eine langfristige Planung sehen die Autoren neben einem regelmässigen Monitoring der Bevölkerungs- und Wohnraumentwicklung in der Auseinandersetzung mit den Einflussfaktoren und Trends des Wachstums: zum zum Beispiel im Rahmen einer Wohnraumstrategie oder Schulraumplanung. Sie raten, verschiedene Datenquellen übereinander zu legen und soweit möglich über räumliche Analysen sinnvoll zu miteinander zu verbinden. Eine weitere Möglichkeit, um den Faktoren der Standortattraktivität und Treibern des Bevölkerungswachstums auf die Spur zu kommen, sehen sie in einer Wegzüger- oder Bevölkerungsbefragung.  Zudem brauche es den Blick über die Grenzen, um grossräumige Entwicklungen besser zu verstehen, zu gestalten und einordnen zu können.

2. Stadt-, Bevölkerungs- und Finanzentwicklung verstärkt zusammen denken.
Auch wenn die finanziellen Auswirkungen der Stadtentwicklung komplex sind, braucht es laut den Autoren «ein Bewusstsein, dass Stadtentwicklung auch, aber natürlich nicht nur» ökonomisch gedacht werden muss, damit eine vorauschaunde Stadt- und Finanzplanung betrieben werden kann. Die Verantwortlichen sollten die Bevölkerungs- und Finanzentwicklung «verstärkt zusammen zu denken» und sich stadtintern intensiver abstimmen. 

3. Demografische Entwicklung querschnittsorientiert gestalten.
Um das Bevölkerungswachstum und die demografische Entwicklungen bewältigen und aktiv getalten zu können, ist laut den Autoren ein querschnittsorientierter Zugang notwendig. Das heisst: Die Bevölkerungsentwicklung über alle Themen hinweg zu betrachten und die Planungen aufeinander abzustimmen.  Sie empfehlen, städtischen Planungen eine fundierten Bevölkerungsprognose zu Grunde zu legen. Denn: Nur wer eine Vorstellung der künftigen Entwicklung habe, könne frühzeitig erkennen, wenn sich Einflussfaktoren veränderten.
Konkret heisst das, dass der themenspezifische Austausch zwischen den Politikern innerhalb einer Stadtverwaltung gefördert und ein gemeinsames Verständnis der Chancen und Herausforderungen entwickelt werden soll. Darauf wiederum basierend sollen dann die Ziele bezüglich Bevölkerungsentwicklung und demografischer Entwicklung formuliert werden. 

4. Bevölkerungsentwicklung regional denken.
Im Prinzip wirken Städte und ihre Agglomeration laut den Autoren als «Stadtlandschaft mit Angeboten und Standorteigenschaften für unterschiedliche Wohnpräferenzen und Lebensphasen». Die Erkenntnis daraus: Diese zwei Teilräume  sind voneinander abhängig, urbaner Raum entsteht somit erst in ihrem Zusammenspiel. Dieses funktionale Raumverständnis sei auch, oder insbesondere, bei der Bevölkerungsentwicklung notwendig, schreiben die Autoren.

5. Eine Plattform für den Austausch bieten: Die Herausforderungen, die das Bevölkerungswachstum mit sich bringt, können nicht allein auf städtischer Ebene gelöst werden, auch das ist eine Erkenntnis aus der Studie. Deshalb raten die Autoren, den Austausch über die Planungsebenen hinweg zu suchen. Entscheidungsträger und Fachexperten an einen Tisch holen ist umso wichtiger. Als Beispiel führen die Autoren den Runden Tisch vom  Frühling letzten Jahres an, im Rahmen dessen Wirtschaftsminister Guy Parmelin Vertreter der Kantone, Städte und Gemeinden sowie der Bau- und Immobilienbranche eingeladen hatte, damit  Lösungsansätze für die allgegenwärtige Wohnungsknappheit gemeinsam diskutiert werden können. (mai)

Die Studie kann auf der Website des Städteverbands heruntergeladen werden: https://staedteverband.ch

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