Wie wirkt sich das Bevölkerungswachstum auf die Finanzen von Städten aus?
Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung ist heute in Städten und Agglomerationen zu Hause. Und sie wächst konstant. Im Zuge dessen wird die Schweiz immer urbaner. Diese Entwicklung verändert auch die Gemeindefinanzen. Was das konkret bedeutet, hat eine Studie der EBP Schweiz im Auftrag der Konferenz der städtischen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren zu ergründen versucht.
Quelle: Andreas Fischinger, Unsplash
Die Schweizer sind ein Volk von Städtern. Lebte einst das Gros der Bevölkerung in ländlichen Gebieten und ist heute die Mehrheit in Städten und Agglomerationen zu Hause. (Im Bild: Blick auf Zürich)
Die Studie zeigt: Im Bevölkerungswachstum der städtischen Räume spiegelt sich die Attraktivität dieser Gebiete wider. Die starke wirtschaftliche Dynamik, vielfältige Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, eine gut ausgebautes öffentliches Verkehrsangebot und die hohe Lebensqualität mit einem breiten Angebot an Kultur- und Freizeitangeboten ziehen Unternehmen und Haushalte gleichermassen an. Solches führt laut KSFD dazu, dass auch die internationale Zuwanderung weiter anhält, die sich besonders ausgepärgt in den Zentren bemerkbach macht.
Überdies weisen die Städte, allen voran die grossen Zentren, allgemein eine jüngere Bevölkerungsstruktur auf als die restlichen Räume: Ein starkes Bevölkerungswachstum gehe meist mit einer Verjüngung beziehungsweise einer reduzierten Alterung der Bevölkerung einher, schreibt die KSFD in ihrer Medienmitteilung.
Finanzsituation unterscheidet sich je nach Städtetyp
Des
Weiterem wurde in der Studie der Zusammenhang zwischen
Bevölkerungsentwicklung und Stadtfinanzen untersucht. Dieses Thema ist
komplex: «Eine einfache, geschweige denn allgemeingültige Antwort darauf
gibt es nicht», merkt die KSFD dazu an. Immerhin zeigt die Studie, dass
sich die Finanzsituation der Städte aufgrund des Städtetyps -
respektive der Zentrumsfunktion - und der grösse ihrer Bevölkerung zum
Teil deutlich unterscheidet. Dem gegenüber habe das
Bevölkerungswachstum über alle Städte hinweg einen untergeordneten
Einfluss auf die Entwicklung der Finanzsituation der Städte, merkt die
KSFD dazu an.
Erkennen lässt sich lediglich, dass das Wachstum einer Stadt sich auf die Investitionen in die Infrastruktur auswirkt. Ersichtlich wird dies anhand höherer Pro-Kopf-Investitionen - vor allem in den Bereichen Bildung, Freizeit/Sport, Gesundheit, Verkehr und Wohnen. In der laufenden Rechnung liessen sich bei einem stärkeren Wachstum in einzelnen Bereichen ansatzweise Skaleneffekte erkennen, etwa in der Verwaltung oder dem Verkehr.
Neben dem
Bevölkerungswachstum beeinflusst auch die demographische Struktur
städtische Finanzen. Auch das geht aus der Studie hervor. Im
Bildungsbereicht wird dies besonders deutlich erkennbar: So sind den
wachsenden Städten etwa insbesondere die Investitionen in Schulbauten
markant gestiegen. Demnach hat gemäss KSFD eine jüngere Bevölkerung
kurzfristig hat neben positiven Effekten etwa für den Arbeitsmarkt auch
ihren Preis. Längerfristig seien die Städte damit von den negativen
Effekten des demographischen Wandels aber deutlich weniger stark
betroffen. (mai)
Handlungsfelder
Trotz der
Komplexität des Themas können laut den Autoren aus der Studie Hinweise
gewonnen werden, wie Städte auf das Wachstum und die damit verbundenen
Folgen
reagieren können und wie das Städtewachstum gezielter, aktiver
gestatlet werden kann. Sie skizzieren dazu fünf Handlungsfelder und
empfehlen, die Stadtentwicklung über die Stadtgrenzen hinaus zu
denken.
1. Die Bevölkerungsentwicklung und ihre Einflussfaktoren, ihre
Treiber und Trends besser verstehen.
Eine Basis für eine
langfristige
Planung sehen die Autoren neben einem regelmässigen Monitoring der
Bevölkerungs- und Wohnraumentwicklung in der Auseinandersetzung mit den
Einflussfaktoren und Trends des Wachstums: zum zum Beispiel
im Rahmen einer Wohnraumstrategie oder Schulraumplanung. Sie raten,
verschiedene Datenquellen übereinander zu legen und soweit möglich über
räumliche Analysen sinnvoll zu miteinander zu verbinden. Eine weitere
Möglichkeit, um den Faktoren
der Standortattraktivität und Treibern des Bevölkerungswachstums auf
die Spur zu kommen, sehen sie in einer Wegzüger- oder
Bevölkerungsbefragung. Zudem brauche es den Blick über die Grenzen, um
grossräumige Entwicklungen besser zu verstehen, zu gestalten und
einordnen zu können.
2. Stadt-, Bevölkerungs- und Finanzentwicklung
verstärkt zusammen denken.
Auch wenn die finanziellen
Auswirkungen der
Stadtentwicklung komplex sind, braucht es laut den Autoren «ein
Bewusstsein, dass Stadtentwicklung auch, aber natürlich nicht nur»
ökonomisch gedacht werden muss, damit eine vorauschaunde Stadt- und
Finanzplanung betrieben werden kann. Die Verantwortlichen sollten die
Bevölkerungs- und
Finanzentwicklung «verstärkt zusammen zu denken» und sich stadtintern
intensiver abstimmen.
3. Demografische Entwicklung
querschnittsorientiert gestalten.
Um das
Bevölkerungswachstum und
die demografische Entwicklungen bewältigen und aktiv getalten zu können,
ist laut den Autoren ein querschnittsorientierter Zugang notwendig.
Das heisst: Die Bevölkerungsentwicklung über alle Themen
hinweg zu betrachten und die Planungen aufeinander abzustimmen. Sie
empfehlen, städtischen Planungen eine fundierten
Bevölkerungsprognose zu Grunde zu legen. Denn: Nur wer eine Vorstellung
der
künftigen Entwicklung habe, könne frühzeitig erkennen, wenn sich
Einflussfaktoren veränderten.
Konkret heisst das, dass der
themenspezifische Austausch zwischen den Politikern innerhalb einer
Stadtverwaltung gefördert und ein gemeinsames Verständnis der Chancen
und Herausforderungen entwickelt werden soll. Darauf wiederum basierend
sollen dann die Ziele bezüglich Bevölkerungsentwicklung und
demografischer Entwicklung formuliert werden.
4. Bevölkerungsentwicklung
regional denken.
Im Prinzip wirken Städte und ihre
Agglomeration laut
den Autoren als «Stadtlandschaft mit Angeboten und Standorteigenschaften
für unterschiedliche Wohnpräferenzen und Lebensphasen». Die Erkenntnis
daraus: Diese zwei
Teilräume sind voneinander abhängig, urbaner Raum entsteht somit erst
in ihrem Zusammenspiel. Dieses funktionale Raumverständnis sei auch,
oder insbesondere, bei der Bevölkerungsentwicklung notwendig, schreiben
die Autoren.
5. Eine Plattform für den Austausch bieten: Die Herausforderungen, die das Bevölkerungswachstum mit sich bringt, können nicht allein auf städtischer Ebene gelöst werden, auch das ist eine Erkenntnis aus der Studie. Deshalb raten die Autoren, den Austausch über die Planungsebenen hinweg zu suchen. Entscheidungsträger und Fachexperten an einen Tisch holen ist umso wichtiger. Als Beispiel führen die Autoren den Runden Tisch vom Frühling letzten Jahres an, im Rahmen dessen Wirtschaftsminister Guy Parmelin Vertreter der Kantone, Städte und Gemeinden sowie der Bau- und Immobilienbranche eingeladen hatte, damit Lösungsansätze für die allgegenwärtige Wohnungsknappheit gemeinsam diskutiert werden können. (mai)
Die Studie kann auf der Website des Städteverbands heruntergeladen werden: https://staedteverband.ch