Wenn die Quaggamuschel die Artenvielfalt bedroht
Sie ist winzig, aber ihr Zerstörungspotenzial ist gross: die Quaggamuschel. Sie belastet Seeökosysteme aber auch unter Wasser liegende Infrastrukturen. Neue Daten und ein Faktenblatt der Eawag, liefern einen Einblick in die problematische Verbreitung der invasiven Muschel.
Quelle: Linda Haltiner, Eawag
Erobern die Schweizer Seen: Quaggamuscheln im Genfersee.
Invasive Arten zählen auf der ganzen Welt zu den Hauptursachen für den Rückgang der Artenvielfalt in Ökosystemen. Eine dieser invasiven Arten, die sich zurzeit in Schweizer Gewässern ausbreitet, ist die Quaggamuschel (Dreissena bugensis). Ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum stammend ist sie mittlerweile in grossen Teilen Europas und Nordamerikas zu Hause. Sie gilt zusammen mit der Zebramuschel (Dreissena polymorpha) als eine der aggressivsten invasiven Arten.
Während die Zebramuschel sich seit den 1960er-Jahren in der
Schweiz niedergelassen hat, wurde die Quaggamuschel erst im 2014 erstmals
nachgewiesen, und zwar im Rhein bei Basel. Seither ist sie in verschiedenen
Schweizer Seen heimisch geworden. Im Bodensee hat sie sogar die Zebramuschel
weitestgehend verdrängt.
Als wesentliche Gründe für die Tatsache, dass die
Quaggamuschel in tiefen Seen gegenüber der Zebramuschel konkurrenzfähiger ist, werden
die Fähigkeit der Quaggamuschel, sich fast ganzjährig fortzupflanzen, weichen
Grund in der Tiefenzone zu besiedeln und ihre effizientere Nahrungsaufnahme angesehen.
Mit dem Boot durch die Schweiz
Seit die Quaggamuschel erstmals in der Schweiz festgestellt worden ist, hat sie sich rasant ausgebreitet. Dies konnte ein Team um Linda Haltiner vom Wasserforschungsinstitut Eawag und Hui Zhang von der Universität Konstanz nachweisen. So ist sie bereits in den folgenden Seen gefunden worden: im Genfersee, Bodensee, Neuenburgersee, Bielersee, Lac Hongrin und im Murtensee.
Die Mollusken verbreiten sich entweder auf natürliche Weise,
indem sie im Larvenstadium in der Strömung schweben und so stromabwärts
getrieben werden. Im Ballast-, Bilgen- oder Motorenkühlwasser von Schiffen und
Freizeitbooten, die in verschiedenen Gewässern unterwegs sind, werden die
Larven aber auch unbeabsichtigt vom Menschen verschleppt. Zudem kleben sich erwachsenen
Muscheln an Booten und anderen Gegenständen fest: Werden diese nicht gereinigt
oder gut getrocknet, bevor sie anderswo wieder zu Wasser gelassen werden,
verbreiten sich die Muscheln auch auf diese Weise.
Das Risiko, dass sich die Schalentiere in von ihnen noch unbesiedelten Schweizer Gewässern weiter verbreiten ist laut dem Eawag-Forschungsteam gross.
Rasche Ausbreitung im Bodensee
Hat die Quaggamuschel einmal ein Gewässer befallen,
dominiert sie dieses mit einschneidenden Folgen. Das zeigt ihre rasche
Ausbreitung im Bodensee, wo sie erstmals 2016 nachgewiesen wurde. Bereits 2017
war sie in allen Seeteilen zu finden und ihre Verbreitung in der
Flachwasserzone nimmt laut Eawag seither kontinuierlich zu. Sie besiedelt den
See auch bereits bis in grosse Tiefen. Eine weitere Zunahme der Bestandsdichte
in den tiefsten Bereichen sei anzunehmen.
Informationen dazu liefert ein neues Faktenblatt, das anlässlich des von der Eawag geleiteten Forschungsprojekts „SeeWandel“ entstanden ist, fasst zusammen, warum sich die Quaggamuschel so schnell und weit im Bodensee verbreitet und was mögliche Folgen für das See-Ökosystem sein könnten.
Allerdings bleibt gemäss Piet Spaak, Eawag-Forscher und
Leiter des „SeeWandel“-Projekts, noch offen, welche Konsequenzen die
Quaggamuschel für die betroffenen Voralpen- und Alpenseen im Detail haben wird.
Allerdings meint er, dass anhand der Beobachtungen, die in in Nordamerika gemacht
worden sind, zu befürchten ist, dass die Quaggamuschel einschneidende Folgen
für die hiesigen Seeökosysteme haben wird und diese möglicherweise aus dem
Gleichgewicht bringt.
Reinigungspflicht und Sensibilisierungskampagnen
Das Eawag-Forschungsteam empfiehlt, noch nicht betroffene
Gewässer bestmöglich vor einer Einschleppung zu schützen: Wichtigste Massnahme ist
gemäss aktuellem Wissensstand die Weiterverbreitung zu verhindern; etwa mit
einer Reinigungspflicht für Boote, die vorher auf einem anderen Gewässer
verwendet wurden, oder aber mit Sensibilisierungskampagnen. Wie Spaak weiter
erklärt, drängen sich für die Früherkennung aber auch für ein besseres
Verständnis der Verbreitungsmuster und Populationsdynamik der Quaggamuschel ein
regelmässiges und einheitliches Monitoring auf. (mai/mgt)
Der Störenfried am Ansaugkorb
In der Ausgabe vom 14. März hatte das Baublatt darüber
berichtet, welche Schäden die Quaggamuschel bei Infrastrukturen anrichten kann. Mehr dazu im Artikel
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