Wenn die Agrarwirtschaft Waldbrände eindämmen hilft
Wie oft und intensiv Wälder in der Schweiz in Zukunft brennen könnten - das beeinflusst auch der Klimawandel. Eine grosse Rolle spielen dabei auch Wie eine Studie von Waldspezialisten der Eidgenössischen Forschungsanstalt
Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Cadenazzo TI zeigt, spielen dabei die Veränderungen in der Landschaftsnutzung ebenfalls eine grosse Rolle.
Quelle: NAC, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Feuerlöscharbeiten mit einem Helikopter während des Waldbrands in Ponte Brolla TI im März 2016.
Zwar zeigen seit den 1980er-Jahren die Statistiken zur Brandfläche südlich der Alpen einen regelmässigen, kontinuierlichen Abwärtstrend; diese Entwicklung führt man bei der WSL im Wesentlichen auf eine immer wirksamere Vorbeugung und eine bessere Organisation der Brandbekämpfung zurück. Zum Beispiel auf die spezifische Ausbildung von Feuerwehrleuten für Waldbrände, einen rechtzeitigen, systematischen Einsatz von Hubschraubern sowie auf zunehmend verbreitete Brandbekämpfungsinfrastrukturen, etwa Wasserentnahmestellen.
Allerdings: Es kommt noch immer gelegentlich zu über weite Gebiete ausrbreitende Grossbränden, nachdem sie die Feuerwehr nicht unter Kontrolle bringen konnte. Sie entstehen meist dann, wenn extreme Wettersituationen herrschen, etwa bei anhaltender Trockenheit in Kombination mit tagelangen starken Winden und an steilen, dicht bewaldeten Hängen. Beispiele hierfür: die Brände in Leuk im Wallis im Jahr 2003, im Misox 2016 und am Monte Gambarogno 2022. Unter diesen Bedingungen erzeugt das Feuer eine aufsteigende Thermik, die es Feuerwehrleuten stark erschwert oder verunmöglicht es ihnen gar, bis zur Feuerfront vorzudringen und sie zu bekämpfen.
Im Zuge des Klimawandels muss mit Zunahme extremer Wettersituationen gerechnet werden, sie begünstigten wiederum sehr intensive Brände. Die Wahrscheinlichkeit, dass unter solchen Bedingungen das Feuer ausser Kontrolle gerät und sich grossflächig ausbreitet , hängt stark von der Ausbreitungsgeschwindigkeit und der Intensität der Flammenfront ab. So rechnen WSL-Experten damit, dass unter diesen Umständen steile Hänge und die kontinuierliche Waldbedeckung - diese geht mit viel brennbarem Material einher - die Waldbrand-Bekämpfung entscheidend erschweren könnten.
Was wäre, wenn die Landwirtschaft aufgegeben würde
Zur Überprüfung ihrer Annahme entwickelten sie Algorithmus, der auf der Basis der Geländeneigung und der Verteilung der Waldbedeckung die möglichen Ausbreitungspfade einer Flammenfront berechnen kann. Das Programm sieht jeweils eine Unterbrechung der Flammenfront vor, wo das Feuer auf offene Flächen wie Weiden oder Ackerflächen, oder flache Gebiete trifft.
Den Algorithmus hat das Forschungsteam in einem ersten Schritt auf
das gesamte Landesgebiet der Schweiz angewendet, wobei es die aktuelle
Ausdehnung der Waldfläche berücksichtigt hat. In einem zweiten Schritt
wiederholten die Wissenschaftler den Vorgang mit einem hypothetischen
extremen Szenario, bei dem die Landwirtschaft vollkommen aufgegeben
worden und im Zuge dessen das gesamte Territorium bis zu einer Höhe von
2500 Metern über dem Meeresspiegel verwaldet ist.
Darauf unterteilten sie die Schweiz in neun biogeografische Regionen und verglichen die Länge der so erhaltenen möglichen Ausbreitungswege der Flammenfront mit dem Auftreten der grössten Brände der letzten 30 Jahre in den jeweiligen Regionen. Sie nutzten dazu die der Swissfire-Datenbank, die die WSL für den Bund betreibt.
Vor allem das Wallis und die Südschweiz betroffen
Quelle: Abbildung: WSL, Cadenazzo
Korrelation zwischen der medianen potenziellen Waldbrandstrecken und der Anteil an Waldbränden grösser als 0,5 ha in den letzten 30 Jahren in den verschiedenen Bioregionen der Schweiz.
Wie die Abbildungen unterhalb dieses Textes zeigt, besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der mittleren Länge der Feuerausbreitungswege und dem Prozentsatz der Waldbrände einer bestimmten Grösse. Dies betrifft laut WSL besonders diejenigen Regionen, die am stärksten von der Aufgabe traditioneller landwirtschaftlicher Tätigkeiten und damit von der Ausbreitung von Waldflächen betroffen sind. Dabei handelt es sich vor allem um die westlichen Zentralalpen (Wallis) und die Südschweiz. Dies wiederum zeigt laut den Forschenden deutlich, dass abgesehen vom Mittelland die Wahrscheinlichkeit von Grossbränden in der ganzen Schweiz deutlich zunehmen würde, wenn man die landwirtschaftliche Nutzung aufgäbe und es zu einer durchgehenden Bewaldung käme.
Dieses Ergebnis unterstreicht gemäss WSL die grosse Bedeutung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Dabei gehe es nicht nur um den Erhalt der landschaftlichen Vielfalt, die gleichbedeutend sei mit ökologischem und kulturellem Reichtum, sondern auch um die Erhaltung von Freiflächen, die die wirksamsten Brandschneisen an den Berghängen darstellten. (mgt/mai)
Den Orignal-Artikel lesen Sie auf www.wsl.ch
Quelle: WSL, Cadenazzo
Neigung zu Grossbränden in neun biogeografischen Regionen der Schweiz: a) bei heutiger Bewirtschaftung b) bei vollständiger Aufforstung bis 2'500 m ü. M. nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Quelle: WSL, Cadenazzo
Vergleich zwischen dem potenziellen Feuerausbreitungsweg in einer in der Schweiz typischen und gepflegten Berglandschaft (unten) und in einer simulierten vollständigen Bewaldung des Berghangs (oben).