Über Nacht eine halbe Million verloren
Es ist der Albtraum jedes Grundstückbesitzers: Von einer Bauzone im Wert von 500 000 Franken über Nacht zur Landwirtschaftszone für läppische 800 Franken. Genau das ist der Luzerner Rentnerin Rosmarie Kohli passiert, die nichts von der Umzonung ihres Grundstücks in der Aargauer Gemeinde Reinach wusste.
Quelle: LuFiLa (CC BY-SA 4.0)
Die Reinacher Idylle kann Rentnerin Rosmarie Kohli wohl nicht mehr wirklich geniessen.
Von Jovana Djuric*
Das Stück Land in der Wynentaler Gemeinde Reinach, auf dem noch Bäume stehen, die ihr Grossvater gepflanzt hat, kann Rosmarie Kohli als eiserne Reserve ihrer Altersvorsorge vergessen: Das geerbte Grundstück ist von einer begehrten Bauzone im Wert von rund 500 000 Franken zur Landwirtschaftszone umgezont worden, die gerade einmal noch mickrige 800 Franken wert ist.
Das schlimmste an der ganzen Tragödie für die Rentnerin ist, dass sie von der Umzonung erst erfuhr als es schon zu spät war und sie nichts mehr dagegen tun konnte. Denn die 74-Jährige ist zwar im gut 8200 Einwohner zählenden Reinach aufgewachsen, lebt aber in Luzern und hat daher auch die Publikation im Aargauer Amtsblatt nicht gelesen.
«Für mich war die Nachricht sehr schockierend», berichtet Kohli dem Regionalsender «Tele M1». Vor sieben Jahren sei ihr beim letzten Besuch auf der Reinacher Gemeindeverwaltung zugesichert worden, dass sie über eine allfällige Umzonung persönlich informiert werde.
Doch Philipp Rüber, Leiter Bau und Planung der Gemeinde Reinach, will oder kann sich an so ein Versprechen nicht erinnern. «Bei rund 4500 Grundeigentümer in der Gemeinde können wir nicht jeden persönlich über eine Umzonung informieren», erklärt er.
Es stimme, dass die Dame sich damals über das Grundstück und Möglichkeiten der Erschliessung bei einem Bauvorhaben erkundigt habe. «Jedoch hat jeder selbst die Verpflichtung, sich zu informieren», so Rüber.
Doch darf eine Gemeinde ein Grundstück tatsächlich umzonen ohne den Besitzer darüber persönlich zu informieren? «Ja», bestätigt der Kanton Aargau. «Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, jeden einzelnen Grundeigentümer in so einem Fall anzuschreiben. Es genügt eine Publikation im kantonalen Amtsblatt», bestätigt Daniel Korb von der Aargauer Abteilung Raumentwicklung. Eine Beschwerde von Rosmarie Kohli beim Kanton wurde folgerichtig abgewiesen.
Für die Aargauer SP-Grossrätin Rosmarie Groux ist das jetzige Gesetz nicht ausreichend. «Man müsste proaktiv informieren, um einen Rechtstreit zu vermeiden», begründet sie auf «Tele M1». Ein Brief an von einer Umzonug betroffene Landbesitzer könnte helfen. Falls so ein Gesetz mal in Kraft treten würde, nützt dies der Rentnerin aber nichts mehr.
Entschädigung ungewiss
Dennoch hofft Rosmarie Kohli wenigstens auf eine Entschädigung – schliesslich hat sie das Land über all die Jahre brav versteuert. «Ob die Rentnerin Anspruch auf Entschädigung hat, müsste ein Gericht feststellen», erklärt Michael Rothen, Leiter Sektion Orts-, Siedlungs- und Regionalplanung West beim kantonalen Departement für Bau, Verkehr und Umwelt gegenüber der «Aargauer Zeitung». Er verweist auf die Rechtsprechung in Sachen Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung.
Per 1. Mai 2017 hat der Kanton Aargau mit einer Änderung des Baugesetzes Regelungen eingeführt, die Landbesitzer mehrwertabgabepflichtig macht, die Bauland einzonen dürfen. Wer dies tut, muss mindestens 20 Prozent des durch die Einzonung entstandenen Mehrwerts abliefern – zehn Prozent gehen an den Kanton, zehn Prozent verbleiben in der Gemeinde. «Mit diesem Geld könnten gestützt auf den gesetzlich zulässigen Verwendungszweck Besitzer von ausgezonten Grundstücken entschädigt werden, soweit eine Entschädigungspflicht besteht», so Rothen.
Sicher ist: viele Mitbürger hat Kohli auf ihrer Seite. «Gegen diese Gemeinde würde ich bis vor Bundesgericht gehen», meint etwa ein Leser der «Aargauer Zeitung» pointiert aber auch etwas undifferenziert.
* Jovana Djuric ist KV-Lernende im zweiten Lehrjahr bei der Kommunalmagazin-Herausgeberin Docu Media Schweiz GmbH.