SVS erklärt, wie Strassenflächen-Umnutzungen erfolgreich gelingen
Sollen Verkehrsflächen in Agglomerationen umgenutzt werden, sorgt dies oft für emotionale Diskussionen und mitunter scheitern derartige Projekte. Die Schweizerische Verkehrs-Stiftung (SVS) hat im Austausch mit Fachleuten Empfehlungen für eine erfolgreiche Realisierung zusammengestellt.
Quelle: 1904.CC, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Blick von der Paserelle auf den Platz vor dem Bahnhof von Renens im 2021. Die Umgebung wurde zur Begegnungszone umgestaltet.
Während die Platzverhältnisse in Städten und Agglomerationen zunehmend beengter werden, wächst mit der die Klimaerwärmung der Druck, vorhandene Strassenflächen umzunutzen und neu zu gestalten. Sollen Strassenflächen eine neue Funktion erhalten respektive vom Verkehr teilweise oder gar ganz befreit werden, sorgt dies oft für heftige Diskussionen: Gewerbetreibende befürchten, dass ihre Geschäftstätigkeit verunmöglicht wird und Anwohner sorgen sich, dass sie in ihrem Alltag behindert werden.
Was es braucht, um Bedenken gegenüber solchen Umnutzungsplänen aus dem Weg zu räumen, um Hürden abzubauen und Lösungen zu finden, versuchte die Schweizerische Verkehrs-Stiftung (SVS) mittels eines Austauschs mit Vertretern aus Behörden, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu klären. Sie fokussierte sich dabei vor allem auf die Umnutzung bestehender Verkehrsflächen in den Agglomerationen, weil hier laut SVS «das Handlungspotenzial bisher weniger erkannt, angegangen und ausgeschöpft worden ist». Als Fallbeispiele dienten Projekte in Lyss, Renens und Birsstadt, aus denen dann Empfehlungen abgeleitet wurden.
Lyss, Renens und Birsstadt
Beim Fallbeispiel aus Lyss war es um die Erneuerung des «Konzepts öffentlicher Raum» gegangen: Hier wollte man in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung zunächst Ideen suchen, wie der öffentliche Raum in Lyss belebt werden könnte. Schliesslich entschied man sich, im Zentrum Parkplätze während zwölf Wochen aufzuhaben, und an ihrer Stelle Bänke, Pingpongtische und Pflanzen aufzustellen. In der Folge hagelte es heftige Kritik, und zwar derart, dass man den Versuch nach vier Tagen abbrach.
Im Gegensatz dazu war es in Renens einfacher: Hier sollten die Plätze um den Bahnhof neu gestaltet , die Schnittstelle mit öffentlichen Verkehr umstrukturiert und die Nord-Süd-Verbindung verbessert werden. Als Ergänzung kam später noch eine Passerelle hinzu, die das Gebiet um den Bahnhof zusätzlich aufwertet. Mittlerweile ist die Umgebung des Bahnhofs eine Begegnungszone – allerdings erst nachdem sie während über einem halben Jahr getestet worden ist.
In Birsstadt ging es um ein ursprünglich blockiertes Projekt: Seit 2014 lag ein Vorprojekt für den Bau einer Brücke vom Autobahnanschluss in Aesch (BL) über die Birs zum damaligen Swissmetal-Areal in Dornach (SO) vor. Weil diese aber durch eine Auenlandschaft geführt und nicht genügend zur Verkehrsentlastung des Ortszentrums beigetragen hätte, hatte sich Dornach gegen das Projekt ausgesprochen. 2022 lancierten der neue Solothurner und der neue Baselbieter Regierungsrat sowie die Gemeindepräsidenten die Diskussion neu. Zwischenzeitlich hatte sich auch die Siedlungsentwicklung geändert: Auf dem Swissmetal-Areal plant die Hiag-Gruppe ein gemischt genutztes Quartier. Unter der Führung der Raumplanungsämter Solothurns und Basel-Landschafts wurde schliesslich ein partizipativer Planungsprozess angestossen. Mittlerweile konnte man sich für eine Lösung entscheiden: Für eine Querung für den Fuss- und Veloverkehr sowie Minibusse und für eine weitere zweite, weiter südliche gelegene, wesentlich kleinere Strassenbrücke.
Aus diesen drei Beispielen haben die SVS folgende Empfehlungen abgeletiet:
- Mehrwert spür- und sichtbar aufzeigen. Planungsdokumente sind oft abstrakt und lassen Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Mit Pilotphasen oder Visualisierungen können die (positiven) Veränderungen aufgezeigt und getestet und so Ängste abgebaut werden.
- Breite Trägerschaft sichern. Die zuständigen Stellen (z. B. Eigentümerinnen und Eigentümer, Transportunternehmen, Behörden der kantonalen und kommunalen Ebene) in einer Trägerschaft bündeln, welche die Neugestaltung mitträgt, dies auch gegen aussen sichtbar macht und so das Projekt stärkt.
- Aktive Einbindung und Verpflichtung der Interessengruppen – Kompromisse durch Partizipation erarbeiten. Information allein genügt nicht. Die Zustimmung, am Prozess teilzunehmen, bedeutet noch nicht Zustimmung zum Projekt per se. Die aktive Suche nach Kompromissen ist eine Aufgabe, die kontinuierlich vorangetrieben, koordiniert und gestaltet werden muss.
- Regelmässige, aktive und transparente Kommunikation. Die laufende Kommunikation, Abstimmung und Koordination innerhalb der Trägerschaft und den Anspruchsgruppen sowie mit Fachleuten ist ein Schlüsselfaktor für das Gelingen des Projekts. Dabei ist frühzeitig auf allfällige Widerstände einzugehen.
- Flexibler Zeitplan. Ein enger Zeitplan kann sich kontraproduktiv auswirken, wenn Widerstände entstehen. Die betroffenen Anspruchsgruppen fühlen sich gezwungen, aktiven Widerstand auszuüben, um ihre Interessen zu wahren («wehret den Anfängen»). Es empfiehlt sich in solchen Situationen, mehr Zeit für die Klärung zu verwenden.
(mai/mgt)
Den vollständigen Ergebnisbericht der Veranstaltung und die Empfehlungen finden sich auf www.verkehrsstiftung.ch