Studie zur Seilbahn in Städten: Ökologisches aber trotzdem kritisiertes Verkehrsmittel
Seilbahnen haben in Städten ein Potenzial als umweltfreundliches und günstiges Verkehrsmittel. Das zeigt eine Studie von PwC Deutschland. Sie zeigt aber auch: Die Bevölkerung steht solchen Projekten oft skeptisch gegenüber.
Quelle: Snowscat, Unsplash
In La Paz ist die Schwebebahn ein alltägliches Verkehrsmittel.
Dichter Pendlerverkehr damit verbunden Stau, Abgas-Emissionen und Lärm sind in grösseren Städten Alltag. Ebenso vielerorts ein Kapazitätsproblemen beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Alternativen zu Bus, S-Bahn, Tram und Co. sind gefragt. Seilbahnen könnten der von PwC Deutschland erstellten Studie „Urbane Seilbahnen im ÖPNV. Innovativ, nachhaltig - und ein sinnvoller Lösungsansatz?“ zufolge eine solche sein.
Schon seit dem 15. Jahrhundert halfen an Seilen befestigte
Körbe den Menschen über Flüsse und Schluchten hinweg, in der Medienmitteilung
zur Studie. Im 20. Jahrhundert dienten Seilbahnen dann vorwiegend als touristische
Attraktionen, bis sie schliesslich um Jahrtausendwende immer öfter auch als
städtisches Verkehrsmittel eingesetzt worden sind. Das gilt vor allem für Metropolen
in Asien oder Südamerika. So verbindet verbeindet das wohl grösste städtische Seilbahnnetz der
Welt in Bolivien die Hauptstadt La Paz mit der Nachbarmetropole El Alto. Es befördert laut Newsportal des Magazins Geo auf einer gesamten Länge von elf Kilometern rund 18 000 Passagiere in der Stunde.
Zurzeit stehen sie zunehmend im Fokus der Stadtplanung. Dies, weil sie laut PwC gegenüber anderen Verkehrsmitteln sowohl technisch als auch wirtschaftlich mit Vorteilen punkten können. Vor allem gilt dies für Luftseilbahnen respektive Seilschwebebahnen gegenüber Standseilbahnen. „Luftseilbahnen haben eine hohe maximale Taktdichte, die Unfallwahrscheinlichkeit ist sehr gering, was sie zu einem sehr pünktlichen Verkehrsmittel macht“, wird Maximilian Rohs, Senior Manager Infrastructure & Mobility bei PwC Deutschland, in der Medienmitteilung zitiert. „Seilbahnen transportieren rund 6000 Fahrgäste pro Stunde“, rechnet er vor. „Das entspricht etwa einer Metro. Demgegenüber können Strassenbahnen etwa 2000 bis 3000 Personen pro Stunde bewegen, Busse 600 bis 1000“, rechnet Rohs vor.
Geringe Investitionen und kurze Bauzeit
Allerdings: Seilbahnen sind vergleichsweisse langsam und eignen sich daher relativ schlecht für längere Strecken. Ausserdem sind sie zum Teil ziemlich wetterabhängig, weil sie bei starkem Wind nicht oder nur eingeschränkt betrieben werden können.
„Ihr grösster Vorteil ist sicherlich der geringe Bauaufwand.
Tunnel und Brücken sind nicht erforderlich - und sie bieten natürlich ein
attraktives Fahrerlebnis", so Rohs. Dadurch,
dass für eine Selbahn kein Betriebshof und auch keine Signal- und
keine Verkehrsleittechnik gebraucht werden, sind die gesamten Investitionskosten im Vergleich
zu anderen Verkehrsmitteln laut PwC gering.
Einen weiteren Vorteil orten die PwC-Experten darin, dass die Bauzeit einer Seilbahnanlage mit nur 12 bis 18 Monaten kurz ist. U-Bahn-Projekte seien zum Beispiel meist erst nach fünf bis zehn Jahren abgeschlossen.
Neben dem Seilsystem und der Antriebsart ist die Kabinengrösse
respektive ihr Fassungsvermögen zwischen 6 und 200 Personen ein zentrales
Merkmal einer Seilbahn. Letzteres bietet im Falle von Städten auch Herausforderungen:
Denn damit eine Seilbahn den ÖPNV sinnvoll ergänzen kann, sollte, wer sie
benutzt, auch das Velo oder den Kinderwagen mitnehmen können. Überdies müssten
sie auch rollstuhlgängig sein.
Betrieb und Instandhaltung sind günstig
Noch grösser sind die wirtschaftlichen Vorteile von Seilbahnen bei den Betriebskosten, wie Rohs weiss. „Sowohl die Personalkosten als auch die Energiekosten sind niedriger als bei allen anderen Systemen. Das liegt vor allem am hohen Automatisierungsgrad. Menschen müssen lediglich den Betrieb überwachen.“
Ausserdem verbrauchen Seilbahnen relativ wenig Energie: durchschnittlich lediglich 5,8 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Passagierkilometer; bei U-Bahnen sind es 11,6 kWh, bei Strassenbahnen mit 12,5 kWh mehr als doppelt so viel. Und weil Seilbahnen wenig Verschleissteile haben, seien auch die Instandhaltungskosten niedrig, schreibt PwC Deutschland. Allerdings gibt Rohs zu Bedenken, dass das gesamte System zeitweise gestoppt werden muss, wenn einzelne Komponenten gewartet werden.
Wenn Seilbahnen das Stadtbild verändern
Für Seilbahnen sprechen auch Sicherheitsaspekte. Rechnerisch verunfallen Strassenbahnen laut PwC alle 225‘000 Betriebskilometer und Busse alle 616‘000 Kilometer. Bei Seilbahnen ist die Unfallwahrscheinlichkeit deutlich geringer - ein Unfall geschieht statistisch lediglich nach rund 17 Millionen Betriebskilometern.
Inzwischen gebe es zahlreiche Seilbahnprojekte in ganz
Europa, die sich in Planung und Umsetzung befinden, schreibt PwC. Das gilt auch
für eher flache Regionen wie Deutschland, wie aus der Medienmitteilung
hervorgeht. Darunter ist unter anderem eines in Bonn (in Planung) und in
Stuttgart (Pilottrassees in Planung), zudem gibt es entsprechende Überlegungen
in Berlin und Köln.
„Ob Seilbahnen, bei allen Vorteilen, das Verkehrsmittel der Wahl sind, lässt sich nur im Einzelfall beantworten", so Rohs. Mitunter lehnten Bürger solche Projekte ab, auch weil Seilbahnen das Stadt- respektive das Landschaftsbild recht stark verändern. So geschehen in Zürich: Hier ist ein temporäres Seilbahnprojekt über den See zum Jubiläum der Zürcher Kantonalbank gescheitert. Und auch dem Seilbahnprojekt von Stettbach zum Zoo Zürich bläst ein eisiger Wind entgegen. (mai/mgt)