Neue Studie zu Kleingewässern: So gelingt der Artenschutz im Tümpel
Ob Frosch, Kröte oder Molch – Amphibien leben am liebsten in Kleingewässern. Doch Teiche und Tümpel schwinden zusehends. Worauf es ankommt, wenn man diese wertvollen Lebensräume bewahren oder gar neu schaffen möchte, hat ein Forschungsteam in einer europaweiten Studie untersucht.

Quelle: Solvin Zankl
Auf intakte Teiche und Tümpel angewiesen: ein Europäischer Laubfrosch.
Von Nadja Neumann und Thomas Mehner
Amphibien sind Landtiere, die sich jedoch nur im Wasser
fortpflanzen können. Am liebsten leben sie in und an Kleingewässern. Doch
dieser Lebensraum wird immer seltener. Für die Schweiz hatte der Biologe Beat
Oertli von der Fachhochschule Westschweiz in Genf bereits 2017 konstatiert,
dass seit dem Ende des 18. Jahrhundert
90 Prozent des Bestands an Teichen und Tümpeln
verloren gegangen waren. Diese so rar gewordenen Biotope zu erhalten,
aufzuwerten oder neu anzulegen, ist für den Schutz
der Amphibien essenziell. Doch wie sieht er aus, der optimale Amphibientümpel,
in dem sich möglichst viele Arten wohlfühlen?
Forscherinnen und Forscher unter Leitung der katalanischen
Universität Vic und mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie
und Binnenfischerei (IGB) mit Sitz in Berlin haben in einer europaweiten Studie
ermittelt, welche Faktoren eine hohe Amphibienvielfalt in Kleingewässern
begünstigen. Ihr Befund, nachdem sie 201 Kleingewässer in sieben europäischen
Ländern analysiert haben: Das Klima spielt eine wichtige Rolle, ist aber oft
nicht beeinflussbar. Spielraum gibt es trotzdem. Denn auch andere lokale
Faktoren sind wichtig.
Gefährlicher Wassermangel
Ein Teich oder Tümpel ist per Definition ein stehendes
Gewässer mit einer Wasserfläche von weniger als fünf Hektaren. Künstlich
angelegte Kleingewässer, deren Wasserstand für gewöhnlich regulierbar ist,
werden als Teiche bezeichnet. Natürlich entstandene Kleingewässer werden indes
Tümpel oder Weiher genannt. Diese machen weltweit schätzungsweise über 30
Prozent der Binnengewässerfläche aus. Und: Sie haben in den vergangenen Jahren
besonders unter Wassermangel gelitten. So verzeichnen sie in ganz Europa Tiefstände
historischen Ausmasses. Viele trocknen sogar dauerhaft aus. Für Amphibien sind
sie kleine Oasen. «Aber Wassermangel, zunehmender Nutzungsdruck auf die
umgebende Landschaft und der Klimawandel mit seinen Wetterextremen set-zen
diesen Ökosystemen und damit auch den Amphibien, die auf sie angewiesen sind,
stark zu», erklärt IGB-Direktor Luc De Meester, ein Mitautor der Studie.

Quelle: Solvin Zankl
Viel Leben im Tümpel: Erdkröten auf dem Weg zu ihren angestammten Laichgewässern. Fühlt sich ein Männchen, das sich auf seiner viel grösseren Auserwählten festgeklammert hat, von einem Rivalen herausgefordert, kann es zu hitzigen Gefechten und abwehrenden Tritten kommen.
Amphibien sind die am stärksten bedrohte Wirbeltier-Gruppe.
In Europa ist etwa ein Viertel der Arten laut der Roten Liste der
Weltnaturschutzorganisation als bedroht eingestuft. In allen für die Studie
untersuchten Gewässern zusammen lies-sen sich 30 verschiedene Amphibienarten
nachweisen. Die durchschnittliche Anzahl der Arten pro Gewässer betrug drei.
Dabei wies Spanien mit rund fünf Arten den höchsten durchschnittlichen
lokalen Reichtum auf.
In Grossbritanniens Kleingewässern lies-sen sich im Schnitt
dagegen nur rund zwei Arten nachweisen. Einige Arten waren auf ein einziges
Land beschränkt, wobei Spanien die höchste Anzahl einzigartiger Arten aufwies:
neun. Dahinter folgten die Türkei mit fünf sowie die Schweiz und Deutschland
mit je einer Art, die ausschliesslich dort vorkommen.Als häu-figste Art
entpuppte sich der Teichmolch (Lissotriton vulgaris), der in 41,8 Prozent aller
Kleingewässer der untersuchten Länder vorkam, gefolgt vom Nördlichen Kammmolch
(Triturus cristatus, 30,4 %),
der Erdkröte (Bufo bufo, 27 %) und dem Grasfrosch (Rana temporaria, 25,4 %).
Auf den Breitengrad kommt es an
Aus anderen Studien ist bekannt, dass der Artenreichtum von
Amphibien mit dem Breitengrad zusammenhängt. Der Grund: Klimafaktoren wie
Wasserverfügbar-keit und Temperatur spielen für diese wechselwarmen und stark
feuchtigkeits-abhängigen Tiere eine wichtige Rolle. Das heisst: Sie begrenzen
deren Verbreitungsgebiet. Dieser Zusammenhang mit dem Klima zeigt sich auch in
der aktuellen Studie. Abgesehen davon nennt sie als klaren Befund, dass sich
die lokalen Merkmale der Tümpel und Teiche ebenso stark auswirken wie die
klimatischen Faktoren. Und diese lokalen Begebenheiten liessen sich besser
beeinflussen als das Klima, halten die Forschenden fest. So fanden sie in
Kleingewässern von mittlerer Grösse, mit wenig Nährstoffen, flachem Wasser und
ausgeprägter Uferbepflanzung, aber ohne Fische, die höchste Vielfalt an
Amphibienarten vor. Teiche, die in Schutz-gebieten liegen, wiesen einen etwas
höheren Amphibienartenreichtum auf. Daraus ergeben sich der Studie zufolge
Massnahmen, mit denen sich ein artenreicher Amphibienteich realisieren lässt.

Quelle: Solvin Zankl
Ein Paar Erdkröten (Bufo bufo) hat sich gefunden. Grosses Glück für das viel kleinere Männchen: Sein Geschlecht ist bei dieser Art stark im Überschuss.
Nährstoffe reduzieren
Als wichtigster Faktor zur Erklärung der Variation des
Amphibienartenreichtums stellte sich die Chlorophyll-a-Konzentration heraus.
Ihr Wert steht für die Algenbiomasse und gilt somit als Indikator für die
Nährstoffbelastung. Schliesslich wachsen Algen dann besonders gut, wenn viele
Nährstoffe im Wasser vorhanden sind. Hohe Nährstoffkonzentrationen in Teichen
wiederum verringern den Artenreichtum von Amphibien auf dreierlei Arten.
Erstens, indem sie die Überlebensrate von Eiern und Larven reduzieren. Zweitens,
indem sie den Fortpflanzungserfolg verringern. Und drittens, weil sie die
Amphibien anfälliger für Krankheiten machen.
Hohe Nährstoffbelastungen kommen gemäss den Studienautoren
häufig vor in Teichen, die in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Flächen
liegen. Auf letzteren sind erhöhte Konzentrationen von Kunst- und Naturdüngern
verbreitet. Massnahmen zur Erhöhung der Amphibienvielfalt sollten sich daher
auf zwei Bereiche konzentrieren. Erstens, die Nährstoffbelastung zu senken. Und
zweitens: den Zugang von Weidetieren zu den jeweiligen Gewässern
einzuschränken. Das gelte insbesondere für Gewässer, die bisher nur geringen
Nährstoffbelastungen ausgesetzt waren. Denn in ihnen beeinträchtige bereits ein
gerin-ger Anstieg des Chlorophyll-a-Gehalts den Amphibienreichtum stark
negativ.

Quelle: Solvin Zankl
Wächst bis auf eine Grösse von acht Zentimetern heran: eine Kammmolch-Larve während ihrer etwa viermonatigen Entwicklungszeit.
Fläche und Tiefe müssen stimmen
Einen grossen Einfluss üben gemäss der Studie ausserdem die
Fläche und die Tiefe der Teiche und Tümpel aus. Konkret: Am meisten
Amphibienarten zeigten sich in mittelgrossen sowie flachen Gewässern. In Zahlen
ausgedrückt: Bis zu 1,5 Meter tief und zwischen 20'000 und 25'000
Quadratmeter gross lauten die Masse für den optimal
biodiversen Tümpel.
Dieses Muster könnte darauf zurückzuführen sein, dass
kleinere und flachere Teiche mit höherer Wahrscheinlichkeit austrocknen,
während in grösseren und tieferen Gewässern häufiger auch Fische leben
respektive überleben.

Quelle: Solvin Zankl
Versammlung in blau: Der Moorfrosch (Rana arvalis) trift sich zur Laichzeit zu Hunderten in flachen Randbereichen von Teichen und Seen.
Amphibien oder Fische schützen
Als signifikant negativer Faktor für die Amphibienvielfalt
erwies sich darüber hinaus die Anzahl an Fischarten. Dies zeigte sich
insbesondere dann, wenn drei oder mehr Fischarten in einem der untersuchten
Kleingewässer vorkamen. Raub-fische stellen für Amphibien gleich auf mehreren
Ebenen eine Bedrohung dar.So fallen Amphibieneier, Kaulquappen und
ausgewachsene Tiere verschiedenen Fischarten, die in der Studie gefunden
wurden, zur Beute. Ausserdem können Fische mit Amphibien um lebenswichtige
Nahrungsressourcen konkurrieren. Und schliesslich können eingeführte Fische
pathogene Pilze übertragen, was die Sterblichkeit der Amphibieneier weiter
erhöht.
Für die Bewirtschaftung von Teichen bedeutet das: Um die
Artenvielfalt der Amphibien zu fördern, sollten Teiche ohnenatürliche
Fischbestände fischfrei bleiben. Allerdings geben die Studienautorinnen und
Autoren zu bedenken, dass einige europäische Fischarten ebenfalls bedroht sind.
Daher gelte es, zwischen dem Schutz der Amphibien und jenem der Fische gut
abzuwägen.

Quelle: Solvin Zankl
Ein Erdkröten-Männchen auf der Suche nach einer Partnerin: Im Frühjahr ist es zu seinen angestammten Laichgewässern gewandert. Hier sucht es die Uferbereiche ab.
Artenvielfalt ist überall möglich
Obwohl Teichpflanzen für die Amphibien wichtig sind, etwa weil sie Unterschlupf, Schutz und Nahrung bieten, erklären sie in dieser Studie nur einen sehr geringen Teil der Variation des Reichtums an Amphibienarten. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu anderen Studien. Auch die Art der Landnutzung wie etwa, ob im Umkreis von 100 Metern um die Klein-gewässer ein urbanes Umfeld, Landwirtschaft, Strassen oder Schutzgebiete vorherrschen, übte keinen solch starken Einfluss auf den Artenreichtum der Amphibien aus wie die genannten anderen Faktoren. Positiv ausgedrückt, zeige die Studie auf, dass eigentlich überall – auch im urbanen Kontext – artenreiche Amphibiengewässer vorkommen könnten, schliessen ihre Autoren.

Quelle: Solvin Zankl
Kaulquappen von Erdkröten (Bufo bufo) freischwimmend in einem Gewässer. Immer auf der Suche nach der nächsten Pflanze zum Abweiden.