15:47 KOMMUNAL

Neue Studie zu Kleingewässern: So gelingt der Artenschutz im Tümpel

Teaserbild-Quelle: Solvin Zankl

Ob Frosch, Kröte oder Molch – Amphibien leben am liebsten in Kleingewässern. Doch Teiche und Tümpel schwinden zusehends. Worauf es ankommt, wenn man diese wertvollen Lebensräume bewahren oder gar neu schaffen möchte, hat ein Forschungsteam in einer europaweiten Studie untersucht.

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Quelle: Solvin Zankl

Auf intakte Teiche und Tümpel angewiesen: ein Europäischer Laubfrosch.

Von Nadja Neumann und Thomas Mehner

Amphibien sind Landtiere, die sich jedoch nur im Wasser fortpflanzen können. Am liebsten leben sie in und an Kleingewässern. Doch dieser Lebensraum wird immer seltener. Für die Schweiz hatte der Biologe Beat Oertli von der Fachhochschule Westschweiz in Genf bereits 2017 konstatiert, dass seit dem Ende des 18.Jahrhundert 90 Prozent des Bestands an Teichen und Tümpeln verloren gegangen waren. Diese so rar gewordenen Biotope zu erhalten, aufzuwerten oder neu anzulegen, ist für den Schutz der Amphibien essenziell. Doch wie sieht er aus, der optimale Amphibientümpel, in dem sich möglichst viele Arten wohlfühlen? 

Forscherinnen und Forscher unter Leitung der katalanischen Universität Vic und mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mit Sitz in Berlin haben in einer europaweiten Studie ermittelt, welche Faktoren eine hohe Amphibienvielfalt in Kleingewässern begünstigen. Ihr Befund, nachdem sie 201 Kleingewässer in sieben europäischen Ländern analysiert haben: Das Klima spielt eine wichtige Rolle, ist aber oft nicht beeinflussbar. Spielraum gibt es trotzdem. Denn auch andere lokale Faktoren sind wichtig.

Gefährlicher Wassermangel

Ein Teich oder Tümpel ist per Definition ein stehendes Gewässer mit einer Wasserfläche von weniger als fünf Hektaren. Künstlich angelegte Kleingewässer, deren Wasserstand für gewöhnlich regulierbar ist, werden als Teiche bezeichnet. Natürlich entstandene Kleingewässer werden indes Tümpel oder Weiher genannt. Diese machen weltweit schätzungsweise über 30 Prozent der Binnengewässerfläche aus. Und: Sie haben in den vergangenen Jahren besonders unter Wassermangel gelitten. So verzeichnen sie in ganz Europa Tiefstände historischen Ausmasses. Viele trocknen sogar dauerhaft aus. Für Amphibien sind sie kleine Oasen. «Aber Wassermangel, zunehmender Nutzungsdruck auf die umgebende Landschaft und der Klimawandel mit seinen Wetterextremen set-zen diesen Ökosystemen und damit auch den Amphibien, die auf sie angewiesen sind, stark zu», erklärt IGB-Direktor Luc De Meester, ein Mitautor der Studie.

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Quelle: Solvin Zankl

Viel Leben im Tümpel: Erdkröten auf dem Weg zu ihren angestammten Laichgewässern. Fühlt sich ein Männchen, das sich auf seiner viel grösseren Auserwählten festgeklammert hat, von einem Rivalen herausgefordert, kann es zu hitzigen Gefechten und abwehrenden Tritten kommen.

Amphibien sind die am stärksten bedrohte Wirbeltier-Gruppe. In Europa ist etwa ein Viertel der Arten laut der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation als bedroht eingestuft. In allen für die Studie untersuchten Gewässern zusammen lies-sen sich 30 verschiedene Amphibienarten nachweisen. Die durchschnittliche Anzahl der Arten pro Gewässer betrug drei. Dabei wies Spanien mit rund fünf Arten den höchsten durchschnittlichen lokalen Reichtum auf. 

In Grossbritanniens Kleingewässern lies-sen sich im Schnitt dagegen nur rund zwei Arten nachweisen. Einige Arten waren auf ein einziges Land beschränkt, wobei Spanien die höchste Anzahl einzigartiger Arten aufwies: neun. Dahinter folgten die Türkei mit fünf sowie die Schweiz und Deutschland mit je einer Art, die ausschliesslich dort vorkommen.Als häu-figste Art entpuppte sich der Teichmolch (Lissotriton vulgaris), der in 41,8 Prozent aller Kleingewässer der untersuchten Länder vorkam, gefolgt vom Nördlichen Kammmolch (Triturus cristatus, 30,4%), der Erdkröte (Bufo bufo, 27%) und dem Grasfrosch (Rana temporaria, 25,4%).

Auf den Breitengrad kommt es an

Aus anderen Studien ist bekannt, dass der Artenreichtum von Amphibien mit dem Breitengrad zusammenhängt. Der Grund: Klimafaktoren wie Wasserverfügbar-keit und Temperatur spielen für diese wechselwarmen und stark feuchtigkeits-abhängigen Tiere eine wichtige Rolle. Das heisst: Sie begrenzen deren Verbreitungsgebiet. Dieser Zusammenhang mit dem Klima zeigt sich auch in der aktuellen Studie. Abgesehen davon nennt sie als klaren Befund, dass sich die lokalen Merkmale der Tümpel und Teiche ebenso stark auswirken wie die klimatischen Faktoren. Und diese lokalen Begebenheiten liessen sich besser beeinflussen als das Klima, halten die Forschenden fest. So fanden sie in Kleingewässern von mittlerer Grösse, mit wenig Nährstoffen, flachem Wasser und ausgeprägter Uferbepflanzung, aber ohne Fische, die höchste Vielfalt an Amphibienarten vor. Teiche, die in Schutz-gebieten liegen, wiesen einen etwas höheren Amphibienartenreichtum auf. Daraus ergeben sich der Studie zufolge Massnahmen, mit denen sich ein artenreicher Amphibienteich realisieren lässt.

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Quelle: Solvin Zankl

Ein Paar Erdkröten (Bufo bufo) hat sich gefunden. Grosses Glück für das viel kleinere Männchen: Sein Geschlecht ist bei dieser Art stark im Überschuss.

Nährstoffe reduzieren

Als wichtigster Faktor zur Erklärung der Variation des Amphibienartenreichtums stellte sich die Chlorophyll-a-Konzentration heraus. Ihr Wert steht für die Algenbiomasse und gilt somit als Indikator für die Nährstoffbelastung. Schliesslich wachsen Algen dann besonders gut, wenn viele Nährstoffe im Wasser vorhanden sind. Hohe Nährstoffkonzentrationen in Teichen wiederum verringern den Artenreichtum von Amphibien auf dreierlei Arten. Erstens, indem sie die Überlebensrate von Eiern und Larven reduzieren. Zweitens, indem sie den Fortpflanzungserfolg verringern. Und drittens, weil sie die Amphibien anfälliger für Krankheiten machen.

Hohe Nährstoffbelastungen kommen gemäss den Studienautoren häufig vor in Teichen, die in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Flächen liegen. Auf letzteren sind erhöhte Konzentrationen von Kunst- und Naturdüngern verbreitet. Massnahmen zur Erhöhung der Amphibienvielfalt sollten sich daher auf zwei Bereiche konzentrieren. Erstens, die Nährstoffbelastung zu senken. Und zweitens: den Zugang von Weidetieren zu den jeweiligen Gewässern einzuschränken. Das gelte insbesondere für Gewässer, die bisher nur geringen Nährstoffbelastungen ausgesetzt waren. Denn in ihnen beeinträchtige bereits ein gerin-ger Anstieg des Chlorophyll-a-Gehalts den Amphibienreichtum stark negativ.

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Quelle: Solvin Zankl

Wächst bis auf eine Grösse von acht Zentimetern heran: eine Kammmolch-Larve während ihrer etwa viermonatigen Entwicklungszeit.

Fläche und Tiefe müssen stimmen

Einen grossen Einfluss üben gemäss der Studie ausserdem die Fläche und die Tiefe der Teiche und Tümpel aus. Konkret: Am meisten Amphibienarten zeigten sich in mittelgrossen sowie flachen Gewässern. In Zahlen ausgedrückt: Bis zu 1,5 Meter tief und zwischen 20'000 und 25'000 Quadratmeter gross lauten die Masse für den optimal biodiversen Tümpel.

Dieses Muster könnte darauf zurückzuführen sein, dass kleinere und flachere Teiche mit höherer Wahrscheinlichkeit austrocknen, während in grösseren und tieferen Gewässern häufiger auch Fische leben respektive überleben.

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Quelle: Solvin Zankl

Versammlung in blau: Der Moorfrosch (Rana arvalis) trift sich zur Laichzeit zu Hunderten in flachen Randbereichen von Teichen und Seen.

Amphibien oder Fische schützen

Als signifikant negativer Faktor für die Amphibienvielfalt erwies sich darüber hinaus die Anzahl an Fischarten. Dies zeigte sich insbesondere dann, wenn drei oder mehr Fischarten in einem der untersuchten Kleingewässer vorkamen. Raub-fische stellen für Amphibien gleich auf mehreren Ebenen eine Bedrohung dar.So fallen Amphibieneier, Kaulquappen und ausgewachsene Tiere verschiedenen Fischarten, die in der Studie gefunden wurden, zur Beute. Ausserdem können Fische mit Amphibien um lebenswichtige Nahrungsressourcen konkurrieren. Und schliesslich können eingeführte Fische pathogene Pilze übertragen, was die Sterblichkeit der Amphibieneier weiter erhöht.

Für die Bewirtschaftung von Teichen bedeutet das: Um die Artenvielfalt der Amphibien zu fördern, sollten Teiche ohnenatürliche Fischbestände fischfrei bleiben. Allerdings geben die Studienautorinnen und Autoren zu bedenken, dass einige europäische Fischarten ebenfalls bedroht sind. Daher gelte es, zwischen dem Schutz der Amphibien und jenem der Fische gut abzuwägen.

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Quelle: Solvin Zankl

Ein Erdkröten-Männchen auf der Suche nach einer Partnerin: Im Frühjahr ist es zu seinen angestammten Laichgewässern gewandert. Hier sucht es die Uferbereiche ab.

Artenvielfalt ist überall möglich

Obwohl Teichpflanzen für die Amphibien wichtig sind, etwa weil sie Unterschlupf, Schutz und Nahrung bieten, erklären sie in dieser Studie nur einen sehr geringen Teil der Variation des Reichtums an Amphibienarten. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu anderen Studien. Auch die Art der Landnutzung wie etwa, ob im Umkreis von 100 Metern um die Klein-gewässer ein urbanes Umfeld, Landwirtschaft, Strassen oder Schutzgebiete vorherrschen, übte keinen solch starken Einfluss auf den Artenreichtum der Amphibien aus wie die genannten anderen Faktoren. Positiv ausgedrückt, zeige die Studie auf, dass eigentlich überall – auch im urbanen Kontext – artenreiche Amphibiengewässer vorkommen könnten, schliessen ihre Autoren.

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Quelle: Solvin Zankl

Kaulquappen von Erdkröten (Bufo bufo) freischwimmend in einem Gewässer. Immer auf der Suche nach der nächsten Pflanze zum Abweiden.

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