Studie: Vielfältige Tierwelt in der Stadt
In Städten überleben Tiere, die mit dem städtischen Umfeld vereinbaren können. Eine internationale Studie mit Beteiligung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) identifizierte ihre Überlebensstrategien. Laut den Autoren sollten die gewonnen Erkenntnisse bei der Planung von Grünflächen berücksichtigt werden – um die Artenvielfalt in der Stadt zu unterstützen.
Quelle: Wolfgang Hasselmann, Unsplash
Wildbienen leben in den Städten meist allein und nisten in Löchern in Holz, Wand oder Boden. Einige Arten haben einen Radius von maximal 200 Metern, wobei im Vergleich Honigbienen bis zu einem Kilometer weit fliegen. Sie sind auf verbundene Grünflächen angewiesen und würden von mehr qualitativen Grünflächen mit vielen Blumensorten profitieren. Gerade bodennistende Arten sind stärker gefährdet, da es nur wenig unversiegelte und unbepflanzte Bodenflächen gibt. Durch die Spezialisierung auf diesen Lebensraum findet dieser Typus (central place forager) nur wenige Nistplätze in Städten.
Es ist eine der Hauptursachen des weltweiten Artenverlust: Mit dem Wachstum von Städten und verbauten Flächen verlieren Tierarten ihre natürliche Lebensgrundlage. So sind Grünflächen in Städten oft klein und zerstückelt. Zudem müssen Tiere mit höheren Temperaturen in Städten, der Luft- und Lichtverschmutzung sowie starkem Verkehr klarkommen. «Städte sind eine Art Filter für die lokale Biodiversität», erklärt der WSL-Ökologe Marco Moretti. «Tierarten, welche kein Essen oder keine Plätze für die Fortpflanzung und Aufzucht ihrer Nachkommen finden, werden aussortiert und sterben aus.»
Werden bei der Planung und
Bewirtschaftung von Grünflächen die unterschiedlichen Bedürfnisse und
Lebensstrategien der Arten berücksichtigt, können sie in Städten
durchaus überleben. Dies zeigt eine internationale Studie mit
Beteiligung der WSL, für die das Forschungsteam Daten zu Körperbau,
Fortpflanzung und Ernährung von Bienen, zu Laufkäfern, Vögeln,
Fledermäusen, Amphibien und Reptilien gesammelt hat. Dies in insgesamt
379 Städten auf sechs Kontinenten, einschliesslich der bislang wenig
erforschten Tropen.
Die
Forscher erwarteten, dass vor allem Generalisten in der Stadt heimisch
sind. Das heisst, Tiere die sich von unterschiedlichen Quellen ernähren
können und keine grossen Ansprüche an ihren Nest- und Brutplatz stellen.
Bei ihren Untersuchungen entdeckten sie jedoch, dass auch Spezialisten
oder vielmehr Tiere, die auf bestimmte Nahrungsquellen oder Plätze zur
Fortpflanzung angewiesen sind, Überlebenschancen haben, wenn sie
entsprechende Bedingungen vorfinden. Dabei setzen sie auf
unterschiedliche Strategien, die das Forschungsteam in vier Gruppen
unterteilte. (Mehr zu den Strategien in der Box am Ende des Artikels.)
Viele Amphibien und Reptilien sind in Städten bedroht
Amphibien
und Reptilien haben in Städten wenig Aussichten, geeignete Brutplätze -
etwa Teiche oder sonnige ruhige Gebiete - zu finden. Sie sind deshalb
zeitlebens im gleichen Gebiet unterwegs und haben sich auf das dort
vorhandene Futter spezialisiert. Durch diese Spezialisierung wird die
Konkurrenz um Futter reduziert und es können mehr Tiere auf engem Raum
leben. Diese wenig mobilen Spezialisten sind jedoch in Städten stark
gefährdet. Sei es, weil ihre Lebensräume zerstückelt werden oder gar
ganz verschwinden, weil sie keine Nahrung mehr finden oder wegen der
Umweltverschmutzung. Ihre Populationen sind vergleichsweise stark vom
Aussterben bedroht.
Vögel und Wildbienen leben derweil
überwiegend an einem zentralen Ort, von dem aus sie sich aber auf
Nahrungssuche in der Umgebung begeben. Dabei sind sie weniger wählerisch
und fressen, was sie bekommen können. Auch leben eher Vögel mit einer
kleinen Anzahl von Nachkommen in Städten. Dadurch erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit des einzelnen Jungtiers, genügend Futter zu bekommen
und zu überleben.
Laufkäfer und Fledermäuse sind hingegen
typische Generalisten und sehr mobil. Manche Fledermäuse, die in Städten
zu Hause sind, sind darauf ausgerichtet, möglichst grosse Strecken
zwischen Nestplätzen und Futterquellen zurückzulegen. Sie bewegen sich
frei in der Stadt und nutzen die verschiedenen Möglichkeiten der
Nahrungssuche, welche die Stadt bietet.
Bedürfnisse von Stadttieren bei der Planung von Grünflächen berücksichtigen
Die
Studie bestätigt, dass Städte vielen verschiedenen Lebewesen Platz
bieten. «Für die Tiere wichtige Ressourcen müssen jedoch geschützt
werden. Insbesondere Plätze für die Fortpflanzung, die für viele
spezialisierte Arten rar sind», betont Moretti. In der Stadtplanung
sollte daher die Biodiversität und die unterschiedlichen Bedürfnisse von
Lebewesen mit einbezogen werden.
Für die Schweiz heisst das
beispielsweise, dass Städte zwar verdichtet aber gleichzeitig genügend
Grünflächen eingeplant werden sollten, die an die unterschiedlichen
ökologischen Bedürfnisse der verschiedenen Arten angepasst sind.
«Beispielsweise könnten Dächer vermehrt begrünt werden», schlägt Moretti
vor. «Wichtig sind auch Brücken oder Korridore zwischen verschiedenen
Grünflächen.» Ohne Verbindungswege werden kleine, isolierte Flächen zu
Fallen für diejenigen Organismen, die sich nicht ausbreiten können mit
dem Risiko einer verstärkten Inzucht und eines Rückgangs der
Populationen. Weiter ist laut Moretti auch die Qualität der Grünflächen
von Bedeutung,. «Grünflächen sollten vielen verschiedenen Pflanzen Platz
bieten. Dies erhöht die Artenvielfalt der Insekten, welche wiederum
eine Nahrungsquelle für Vögel und andere Tierarten sind.»
Die Untersuchung ist im Wissenschaftsmagazin Nature Communications veröffentlicht worden. (mai/mgt)
Vier Überlebensstrategien für Städte
Nicht
pingelig sein ist die Strategie der Mobilen Generalisten (mobile
generalists). So überleben Fledermäuse und Laufkäfer durch eine
vielseitige Ernährung und eine hohe Mobilität. So können sie längere
Strecken fliegen und sich einfacher zwischen voneinander abgeschnittenen
Grünflächen bewegen.
Ihnen gegenüber stehen die
Standort-Spezialisten (site specialists) zu welchen die Amphibien und
Reptilien gehören. Sie leben in für sie optimalen Lebensräumen, welche
sie zeitlebens nicht verlassen. Zudem spezialisieren sie sich auf eine
Nahrungsquelle. Denn so reduziert sich auf kleinen Flächen die
Konkurrenz unter den Tierarten und es können mehrere ökologische Nischen
ausgenutzt werden.
Mobil, aber dennoch gebunden an ihren
Brut-Ort sind die central place foragers. Diese Tierarten haben einen
zentralen Lebensort, von welchem aus sie Ausflüge zur Nahrungssuche
unternehmen. Diese Strategie weisen beispielsweise Bienen und Vögel auf.
Beide sind im Vergleich zu ihren Artgenossen auf dem Lande weniger
mobil, aber dafür weniger wählerisch in ihrer Ernährung.
Aus den
drei beobachteten Strategien lässt sich eine vierte Strategie von
Mobilen Spezialisten (mobile specialists) ableiten. Diese Strategie
wurde in der Studie nicht beobachtet. Es gibt jedoch Grund zu der
Annahme, dass es auch mobile, auf besonderes Futter spezialisierte Arten
gibt. Sie könnten ihre individuelle Nahrung weitläufig suchen, ohne an
einen zentralen Ort zurückzukehren.(mgt)
Quelle: Hahs et al., 2023, Nature Communications, CC BY 4.0 DEED
Vereinfachte Repräsentation der vier Anpassungstypen (urban trait syndromes). Die grünen Inseln und Einzelbäume sind Lebensräume, die von lebensfeindlichem Stadtgebiet umgeben sind. Ausgeblendete Inseln sind für die betreffende Art nicht erreichbar oder nicht geeignet. Die roten Linien zeigen mögliche Wege.