Zunehmend trockene Luft verschärft Dürren und Waldbrandgefahr
In den letzten Jahrzehnten ist die Atmosphäre in Europa im Vergleich zur vorindustriellen Zeit deutlich trockener geworden, was wiederum das Risiko von Dürren und Waldbränden erhöht. Ursache sind Treibhausgas-Emissionen. Dies zeigt eine Jahrringstudie unter Leitung der Eidgnössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).
Quelle: Daniel Nievergelt
Baumscheibe einer 200-jährigen Eiche aus Büren an der Aare. (Bild: Daniel Nievergelt)
Die für die Studie analysierten Jahrringdaten reichen zurück bis ins Jahr 1600. Dabei zeigte sich, dass seit Beginn des 21. Jahrhunderts die Luft über weiten Teilen Europas trockener geworden als ist im gesamten übrigen Zeitraum. Dieser Trend hält an.
Ein Mass für die
Lufttrockenheit ist das sogenannte Dampfdruckdefizit - respektive das
VPD (Vapor Pressure Deficit). Dieses beschreibt den Unterschied zwischen
dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft, das
heisst den „Wasserdurst“ der Luft. Wasserdurstige Luft, also hohes VPD,
zieht vermehrt Wasser aus dem Boden und aus Pflanzen. Dies wiederum
reduziert das Wachstum und kann sogar zum Absterben von Bäumen führen.
Und die ausgetrocknete Vegetation und die trockenen Böden erhöhen die
Waldbrandgefahr. Auch wenn bekannt ist, dass VPD in einem sich
erwärmenden Klima ansteigtt, musst man über die räumliche Ausprägung und
die langfristigen Schwankungen bis in vorindustrielle Zeit ohne
menschlichen Einfluss bisher nicht viel.
Varianten von Atomen in Jahrringen
Mit
der Studie konnte Kerstin Treydte, Forscherin an WSL und Erstautorin
des Papiers, erstmals Veränderungen im VPD grossräumig in Europa über
400 Jahre rekonstruieren. Zusammen mit einem internationalen Team von 67
Fachleuten fügte sie Daten von Sauerstoff-Isotopen in Jahrringen aus
ganz Europa zu einem grossen Netzwerk zusammen. - Isotope sind
unterschiedlich schwere Varianten eines Atoms, die über das Wasser
aufgenommen werden und deren Anteil von Jahrring zu Jahrring schwankt
(siehe Box am Ende des Artikel). Die Schwankungen werden zum Grossteil durch das VPD
gesteuert. Daher geben Sauerstoff-Isotope in Jahrringen Auskunft über
die Lufttrockenheit in der Vergangenheit.
Quelle: Markus Bolliger
Alte Eiche in Bubendorf BL. Eichen können mit ihrem Wurzelsystem tiefe Bodenwasserschichten erreichen und unterliegen daher in der Regel keiner starken Bodenwasserbeschränkung. Daher können ihre Spaltöffnungen flexibel auf Schwankungen der atmosphärischen Trockenheit reagieren und ihre Jahrringe eignen sich gut zur Erfassung von VPD-Änderungen.
Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen testeten Treydte und ihre Kollegen die Erkenntnisse aus den Jahrringdaten. Dabei zeigte sich, dass auch die Modelle zum Ergebnis gelangen, dass die Lufttrockenheit im 21. Jahrhundert im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aussergewöhnlich hoch ist. Darüber hinaus zeigen sie, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgas-Emissionen nicht hätten erreicht werden können. Der Einfluss des Menschen ist also offensichtlich.
Die Kombination aus Jahrringdaten, Modelsimulationen und direkten Messungen macht zudem regionale Unterschiede sichtbar: Während in Nordeuropa der Wasserdurst der Luft im Vergleich zur vorindustriellen Zeit am wenigsten stark zugenommen hat - hier ist die Luft dort kühler und kann daher im Vergleich zu südlicheren Regionen weniger Wasser aufnehmen - ist der VPD-Anstieg in den zentraleuropäischen Tiefländern, den Alpen und den Pyrenäen hingegen besonders stark, mit höchsten Werten in den Dürrejahren 2003, 2015 und 2018.
Konsequenzen für die Wälder und die Landwirtschaft
Nimmt
das VPD weiter zu, sind viele lebenswichtige Ökosysteme längerfristig
bedroht: «Für die Landwirtschaft hat VPD eine besonders grosse
Bedeutung, denn je höher es ist, desto grösser ist der Wasserbedarf der
Nutzpflanzen», sagt Treydte. «Mehr Bewässerung wird nötig und die
Erträge sinken. Bei Wäldern sind Holzversorgung und Kohlenstoffbindung
gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und
der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führt.» Laut
der Forscherin ist dies gerade in den dichtbesiedelten Regionen Europas
schon besorgniserregend: Es zeige die Dringlichkeit der
Emissionsreduzierung und Wichtigkeit der Anpassung an den Klimawandel.
«Unsere Erkenntnisse werden dabei helfen, Simulationen künftiger
Klimaszenarien zu präzisieren und die potenzielle Bedrohung durch hohes
VPD für Ökosysteme, Wirtschaft und Gesellschaft abzuschätzen.» (mgt/mai)
Sauerstoff-Isotope in Jahrringen erzählen vom vergangenen Klima
Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten von Atomen, die in der Natur vorkommen. Wasser beispielsweise enthält leichte und schwere Varianten von Sauerstoff-Atomen. Bäume nehmen es über die Wurzeln auf, geben einen Teil davon über die Blätter wieder an die Luft ab und nutzen den übrigen Teil zum Aufbau neuer Zellen, z.B. im Holz. Das Verhältnis zwischen leichten und schweren Isotopen verändert sich vom Wasser im Boden bis zur Bildung von Holz. Diese Änderungen werden zum Grossteil durch das VPD gesteuert. So enthalten die Sauerstoffisotope in den Baumringen Informationen über die vergangene und gegenwärtige Lufttrockenheit. (mgt)
Den Original-Artikel lesen auf www.wsl.ch