Städte- und Gemeindeverband lehnen Zersiedelungsinitiative ab
Der Boden ist in der Schweiz knapp. Es braucht daher Lösungen, die eine Siedlungsentwicklung nach innen fördern. Die Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung» greift diese wichtige Frage der Raumplanung auf. Städte- und Gemeindeverband sind sich aber einig: Die Initiative ist untauglich.
Quelle: Stephen Leonardi/unsplash
Diese grünen Matten, wie hier in Bürglen, Uri, sollen nicht mit einem Netz aus Einfamilienhäusern überzogen werden.
Die Schweizer Bevölkerung hat 2013 der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG1) und damit griffigen Massnahmen zur Verdichtung deutlich zugestimmt. Die Idee der Zersiedelungsinitiative, eine qualitativ hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen zu fördern, sei deshalb durchaus richtig. Der Vorstand des Schweizerischen Städterbandes lehnt die Vorlage vom 10. Februar 2019 deshalb ab, weil er sie für das falsche Instrument zum falschen Zeitpunkt hält.
Einfrieren der Bauzonen problematisch
Nicht zielführend ist, so der Städteverband,insbesondere die Forderung der Initiative, die Gesamtfläche der Bauzonen auf dem heutigen Stand einzufrieren. Neue Bauzonen sollen nur noch zulässig sein, wenn eine vergleichbare Fläche ausgezont wird. Eingeschränkt würden dadurch vor allem Kantone und Gemeinden, die haushälterisch mit dem Boden umgegangen sind und bislang bedarfsgerechte Bauzonen ausgeschieden haben. In Gebieten, in denen heute überdimensionierte oder ungeeignete Bauzonen bestehen, würde die Zersiedlung hingegen tendenziell verstärkt.
84 bis 88 Prozent der Bauzonen in den Städten und Gemeinden sind überbaut – in den grossen Kernstädten gar 93 Prozent, wie eine aktuelle Studie im Auftrag des Städteverbandes zeigt. Doch Bevölkerung und Beschäftigung wachsen in den Städten aller Voraussicht nach weiter. Bei einer ungenügenden Umlagerung von Bauzonen über die Kantonsgrenzen hinweg besteht gerade im urbanen Raum die Gefahr einer übermässigen Verknappung von Bauland. Mögliche negative Folgen wärenstark steigende Grundstückpreise oder Schwierigkeiten bei der Neuansiedlung von Unternehmen. Zudem nimmt die Initiative nach Ansicht des Städteverbandes den Städten jegliche Flexibilität, die sie für eine qualitative Verdichtung ihres Siedlungsgebiets benötigen.
Gemeindeverband: Rechtsunsicherheit droht
Ins gleiche Horn stösst der Gemeindeverband (SGV): Der Ansatz der Initiative sei radikal und zentralstaatlich, laufe der bewährten Kompetenzordnung im föderalen Gefüge zuwider und entziehe den Gemeinden sämtlichen Handlungs- und Gestaltungsspielraum.
Es bestehe auch gar kein Handlungsbedarf: Mit der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG1) seien die Gemeinden bereits verpflichtet, die Siedlungsentwicklung nach innen umzusetzen. Zudem würde ein kompletter Bauzonenstopp laut SGV eine angemessene Entwicklung der Gemeinden verunmöglichen. Es drohe bei Annahme der Initiative eine grosse Rechtsunsicherheit, weil Bauzonen über Gemeinde- und gar Kantonsgrenzen hinweg umgelagert werden werden würden. «Das durchbricht das Territorialprinzip und schafft neue rechtliche und planerische Unsicherheiten», so der SGV.
Geltendes Recht konsequent umsetzen
Die Zersiedelungsinitiative sieht weiter vor, dass Bund, Kantone, Städte und Gemeinden günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Quartiere schaffen. Eine nachhaltige Entwicklung sind laut Staädteverband allerdings in urbanen Gebieten längst Teil der Raumentwicklungspolitik und sowohl in der Bundesverfassung wie auch im Raumplanungsgesetz verankert. Zudem wäre es der falsche Zeitpunkt, um bestehendes Recht bereits wieder zu ändern: Städte, Gemeinden und Kantone befinden sind derzeit inmitten der Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes. Sinnvoller sei deshalb, so der vermittelnde Vorschlag des Städteverbandes,eine konsequente Umsetzung des geltenden Rechts, um der Zersiedelung Einhalt zu bieten. (mgt/lfr/aes)