Smart geht auch im Kleinformat
Intelligenz hat nichts mit Grösse zu tun. Und das gilt nicht nur für Menschen: Die hessische Kleinstadt Bad Hersfeld zeigt, dass sich auch kleinere Städte die Vorteile einer Smart City zunutze machen können. Mit einem gewissen Weitblick und gesundem Pragmatismus wird die Stadt von Projekt zu Projekt ein Stückchen intelligenter.
Quelle: Kurbetrieb Bad Hersfeld
Welche Maschinen und Sensoren am Lullusfest in Bad Hersfeld wohl heute schon miteinander kommunizieren?
Wer glaubt, Smart-City-Visionen seien nur etwas für Grossstädte, täuscht sich gewaltig. Die hessische Kleinstadt Bad Hersfeld, ein Fleckchen ziemlich genau in der Mitte Deutschlands mit rund 30 000 Einwohnern, beweist, dass man nicht Wien oder Singapur heissen muss, um in Sachen Smart City mitreden zu können.
«Grosse Städte haben kein Monopol auf intelligente Lösungen. Auch kleine Städte können etwas dazu beitragen und davon profitieren», sagte Thomas Fehling, parteiloser Bürgermeister der Kreisstadt Bad Hersfeld, an der «SmartSuisse».
«Was geht uns das an?»
Als in Bad Hersfeld Smart City immer mehr zum Thema wurde, musste Fehling aber ebenfalls Überzeugungsarbeit leisten. «Wir leben hier doch nicht in Madrid oder Barcelona! Was geht uns das an?», seien erste Reaktionen aus der Politik gewesen. Doch diese Kritiker sind längst verstummt.
Mit seiner zentralen Lage und Autobahnanbindungen in alle Himmelsrichtungen ist Bad Hersfeld besonders attraktiv für Logistikzentren. «Alle grossen Logistiker, wie etwa die Post, sitzen mit ihren Verteilzentren bei uns. Das ist für die Arbeitsplatzsituation der Region sicherlich positiv.» Aber daraus entstünden auch viele Herausforderungen, wie Schadstoffemissionen oder Lärmbelastung, so Fehling.
Die Einwohner seien je länger je weniger bereit, die negativen Auswirkungen einfach hinzunehmen. Auch sie erwarten von ihrem Wohnort eine hohe Lebensqualität. Mit intelligenten Lösungen will Bad Hersfeld diesen Herausforderungen begegnen.
Der Name ist «Wurst»
Als in Bad Hersfeld vor über drei Jahren erste Schritte in Richtung Smart City gegangen wurden, kannte der Bürgermeister den Begriff noch gar nicht. Doch Begrifflichkeiten sind ihm auch nicht besonders wichtig: «Von mir aus kann man unter Smart City verstehen, was man will. Entscheidend ist, dass konkrete Projekte dahinter stehen und etwas dabei herauskommt. Wie man das Ding am Ende nennt, ist mir, ehrlich gesagt relativ Wurst.»
Ohne aufwendige Konzeptarbeit
So erstaunt es nicht, dass die Stadt zu Beginn keine grosse Strategie oder ein Leitbild zum Thema Smart City verfasst hat. «Da wären wir erstmal Monate mit Begriffsdefinitionen beschäftigt gewesen.» Und schliesslich hätte man ein Resultat, bei dem gar niemand mehr genau wisse, was man nun eigentlich machen wollte.
In Bad Hersfeld geht man das pragmatischer an: Stattdessen hat die Stadt einzelne Themenfelder herausgepickt und packt diese nun, eines nach dem andern, an: Verkehr, Energie, Stadtmarketing und zu einem späteren Zeitpunkt Gesundheit und Sicherheit. «Wir haben uns auf einzelne Themen konzentriert, uns Technologiepartner gesucht und einfach einmal angefangen, zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln.»
Lärmmessung durch Bürger
Über die Arbeit reden kann jeder, sie tatsächlich anzupacken, ist aber eine ganz andere Sache. Fehling gehört zur Sorte Politiker mit einer gesunden Portion Gelassenheit, die auch einmal Fehler zulässt. Und das erleichtert natürlich das Experimentieren.
Am Beispiel des Lärmproblems zeigt der Bürgermeister, wie Bad Hersfeld an solche Herausforderungen herangeht: «Da sich alle über den Lärm in der Stadt beklagten, haben wir eine Firma gesucht, die eine Lösung für Schallmessungen auf dem Smartphone anbietet.» Daraus ist eine App entstanden, mit der jeder Einwohner – wo er gerade ist – Lärmmessungen durchführen kann.
Die gemessenen Daten werden per Knopfdruck in eine zentrale Datenbank der Stadt eingespeist. «So entsteht nach und nach eine Lärmkartierung.» Diese Daten müssen nun ausgewertet werden. Blind auf die Messungen vertrauen will Fehling aber nicht: «Selbstverständlich muss man auch mit ‹Fake-Messungen› rechnen, wenn beispielsweise einer in seinem Keller den Lärm misst. Das ist für uns natürlich nicht relevant.» Da müsse man eben ein bisschen Intelligenz walten lassen. Doch sein Fazit ist positiv: «Die Bürger machen mit. Sie liefern die Daten. Jetzt können wir schauen, wie wir damit weiter umgehen.» (...)