Smart City: Der Mensch in der intelligenten Stadt
Smartphone, Smartwatch, Smart City. Alles wird smart. Doch was bedeutet das? Diese Entwicklung beinhaltet nicht nur technische Fragen. Denn auch der Mensch verändert sich mit der Digitalisierung. Dabei entstehen neue Bedürfnisse und Erwartungen der Bürger an ihren Lebensraum.
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In Zukunft müssen Menschen kaum noch aus dem Haus. Fast alles kann problemlos mit einem Knopfdruck von Zuhause aus erledigt werden.
«Der grösste Taxianbieter der Welt hat keine eigenen Autos, und der weltweit grösste Hotelvermittler keine Betten. Vielleicht benötigt die Bankenwelt von morgen gar keine Banken mehr», sagte SP-Stadtrat Peter Jans, Direktionsvorsteher Technische Betriebe der Stadt St. Gallen, an der «5. Nationalen Smart City-Tagung».
Nachhaltigkeit im Fokus
Mit der Vernetzung und Digitalisierung verändert sich die Welt. Sie wird komplexer, aber auch nachhaltiger. Wenn über die zukünftige – und zukunftsfähige – Stadt, die intelligente Stadt gesprochen wird, ist Nachhaltigkeit Programm.
So soll durch die intelligente Vernetzung von Technologien, Dienstleistungen, Gebäuden und Prozessen, von Anspruchsgruppen und Infrastruktursystemen ein ressourcenschonender, nachhaltiger Siedlungsraum mit hoher Lebensqualität für die Bewohner entstehen. Und genau das möchte die Stadt St. Gallen werden: eine Smart City.
Erste Etappe: die Infrastruktur
Der Übergang zum schlauen St. Gallen ist in vollem Gang. Mit der systematischen Nutzung von Daten und Algorithmen wird die Infrastruktur verbessert und kann dadurch künftig effizienter genutzt werden. «Wir stehen aber erst am Anfang dieser Entwicklung. Und vieles, was möglich wird, können wir uns noch nicht einmal vorstellen», sagt Jans. Die primäre Aufgabe liege nun darin, die Infrastruktur für diese Entwicklungen bereit zu stellen.
Kredit für «Smartnet» gesprochen
In St. Gallen wird das flächendeckende Glasfasernetz kombiniert mit dem «Smartnet», einer strahlungsarmen Funktechnologie, die Basis für die Smart City bilden. Bis Ende 2016 konnten fast 90 Prozent aller St. Galler Haushalte und Geschäfte mit Glasfaser erschlossen werden.
Nachdem das Pilotprojekt zum Test des Smartnets positive Ergebnisse zeigte, wird dieses Funknetz nun ebenfalls flächendeckend eingeführt. Das Stadtparlament hat im August 2016 einen entsprechenden Kredit von 186'000 Franken und jährliche Ausgaben von 73'400 Franken für den Betrieb des Smartnets genehmigt.
Gegenstände miteinander vernetzen
«Mit dem Smartnet können auch bewegte Dinge einfach und kostengünstig mit der digitalen Welt verknüpft werden», erklärt Jans. Mit dieser Form der intelligenten Vernetzung – dem «Internet der Dinge» – könnte beispielsweise die Belegung von Aussenparkplätzen erfasst, der Füllstand von Abfallbehältern überprüft oder die öffentliche Beleuchtung gesteuert werden, sobald die jeweilige Infrastruktur mit entsprechenden Sensoren ausgerüstet ist.
Radikal neue Denkweisen
Mittel- bis langfristig geht es in einer Smart City aber nicht nur um eine Steigerung der Effizienz. Die Vernetzung der Stadt ermöglicht es auch, Fragen der Effektivität zu beantworten. «Tun wir überhaupt das Richtige?», fragt Jans. Schlechte Prozesse oder unökologischer Ressourceneinsatz lassen sich technisch optimieren. «Das grosse Potenzial liegt aber in einer grundlegend neuen Denkweise. Die smarte Stadt bietet uns die Chance, Bestehendes zu hinterfragen.»
Anstatt zu versuchen, die Verkehrsinfrastruktur mit viel Geld zu optimieren, sollten Fragen wie «Wie viel Mobilität braucht es in der vollvernetzen Welt von morgen überhaupt?» gestellt werden. Dabei müssen die Menschen in der Stadt im Fokus stehen, betont Jans. Nicht die Technik soll der Treiber der Digitalisierung sein. «Der Nutzen für die Menschen soll im Zentrum der Überlegungen stehen.»
Menschen funktionieren nicht wie Algorithmen
Doch welche Bedürfnisse werden Menschen künftig in einer Gemeinde oder Stadt haben? Ist der Mensch der Zukunft überhaupt noch vergleichbar mit dem Mensch von heute? «Es herrscht im Moment ein Spannungsfeld zwischen einer neuen Technologie, die günstig verfügbar ist und vieles möglich macht, und den Menschen, die Anpassungszeit benötigen», sagt Karin Frick, Leiterin Research und Geschäftsleitungsmitglied des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI).
Der «Faktor Mensch» verlangsamt die Entwicklungen. Wo es um Menschen, Organisationen und politische Prozesse geht, ist man mit langsameren Abläufen konfrontiert. Der Wandel geht nicht wie mit Algorithmen vonstatten. Und trotzdem kommt es mit der Zeit zu einschneidenden Veränderungen, vor allem im menschlichen Verhalten.
Jeder steht im Mittelpunkt
«Wir haben neue Technologien und wir nutzen sie. Und wir erfinden stets neue Werkzeuge. Diese Technologien verändern immer auch die Menschen, die sie verwenden», so Frick. Die neuen Tools ermöglichen neue Verhaltensweisen. Sie machen das Leben bequem und einfach.
«Die Technologie kann sich an unseren individuellen Bedürfnissen orientieren. Die Situation auf dem Bildschirm passt sich enorm an den Nutzer an.» Was er braucht oder ihm gefällt, das zeigt ihm das System an. Was er nicht sehen möchte, das wird ausgeblendet. «Wir sehen die Welt, wie sie sich für uns persönlich gut anfühlt. Und wir sind mit dem GPS gewissermassen der Mittelpunkt der Welt», sagt Frick.
Neue Möglichkeiten, neue Erwartungen
Dieser Wandel, den sowohl die Technologie als auch wir als deren Nutzer durchlaufen, ist ein Wandel der Verhaltensweisen, aber auch einer der Ansprüche. «Die Welt hinter dem Bildschirm ist eine Welt, in der man alles per Knopfdruck erhält, egal ob man gerade im Büro, Zuhause oder im Zug sitzt. Mit den neuen Möglichkeiten verändern sich auch die Erwartungen der Nutzer», führt Frick aus. An all das hat sich der Mensch im 21. Jahrhundert bereits gewöhnt. Auf die Unterstützung der Technologie zu verzichten, ist kaum noch eine Option. (...)