08:20 KOMMUNAL

Schotterflächen: Werden die Gärten des Grauens bald verboten?

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

Schottergärten sind hässlich, verhindern Biodiversität und versiegeln den Boden. Im Internet heissen sie nur noch «Gärten des Grauens» - und haben trotzdem in den letzten Jahren stark zugenommen. Doch nun beginnen erste Kantone, ein Verbot für die sinnlosen Steinwüsten zu erlassen.

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Quelle: Ben Kron

Zürich verbietet Schottergärten, aber Grün Stadt Zürich setzt trotzdem auf Steinflächen. Doch dies ist zum Glück nur eine, wenn auch äusserst unschöne, Übergangslösung.

Vor wenigen Wochen haben wir im «Baublatt» den Unterschied zwischen Kies, Split, Schotter und Schroppen behandelt. Wobei es damals um die Herstellung und Verwendung von Bahnschotter ging. Doch das Material Schotter lässt sich auch sehr viel weniger spektakulär anwenden: als gleichnamiger Garten. Wobei hier die Bezeichnung Garten irreführend ist, denn es handelt sich gemäss Wikipedia um eine «grossflächig mit Steinen bedeckte Gartenfläche, in welcher die Steine das hauptsächliche Gestaltungsmittel sind.» Pflanzen gibt es hier kaum, oder nur in geringer Zahl, und auch dann «oft durch strengen Formschnitt künstlich gestaltet».

So wenig attraktiv dies tönt, sind Schottergärten in Siedlungsgebieten zunehmend anzutreffen. Was aber vor allem negative Auswirkungen hat: Nicht nur sind diese «Gärten» biologisch eher Wüsten, sie treiben auch im Sommer die Temperaturen in die Höhe und haben negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Denn die Steine heizen das Klima weiter auf, und die schottergedeckten Flächen verlieren ihre Bedeutung als Lebensraum für Tiere wie für Pflanzen. Damit Letztere nicht zwischen den Steinen spriessen, muss bei einem Schottergarten übrigens der Untergrund mit einer Plane abgedeckt werden.

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Quelle: Facebook / Gärten des Grauens

Zweifarbiger Schottergarten mit zurechtgestutzten Büschen: Biodiversität ist hier ein Fremdwort.

Gemeinde Elgg zurückgepfiffen

Umstritten sind die grauen Steinwüsten schon lange: Letztes Jahr versuchte die Gemeinde Elgg ZH, ein Verbot dieser Gärten zu erlassen, wurde aber vom Kanton zurückgepfiffen, da die gesetzliche Grundlage in der Bauordnung fehlte. Diese wurde nun im Solothurn erlassen, der als erster Schweizer Kanton ein Verbot aussprach, wogegen indes noch ein Referendum ergriffen werden könnte: FDP und SVP haben bereits gegen diesen «massiven Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer und die Autonomie der Gemeinden» protestiert. 

Doch ob diesem Autonomie-Reflex haben die Bürgerlichen die Zeichen der Zeit nicht gesehen: Wenige Monate nach Solothurn hat auch der Kanton Zürich mit einem Verbot von Schottergärten nachgezogen, und auch in Basel-Stadt existiert ein solches faktisch (siehe Kasten «Verbote auch in Zürich und Basel»). Dazu ist im Kanton Jura ein solches Verbot angedacht, aber noch nicht vom Parlament entschieden. Auch in Deutschland haben zwei Bundesländer und einzelne Kommunen entsprechende Verbote erlassen.

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Quelle: Facebook / Gärten des Grauens

Schottergarten mit Skulptur: Auf Facebook gibt es eine reichhaltige Sammlung solcher zurecht «Gärten des Grauens» geheissenen Installationen.

Zunehmende Verschotterung

Die Zunahme der grauen Steinwüsten hat sogar den Bundesrat auf den Plan gerufen, der vor zwei Jahren den Bericht «Stopp der Verschotterung von Grünflächen» guthiess. Der Bericht weist darauf hin, dass sich in der Schweiz die Siedlungsfläche in den letzten vierzig Jahren um ein Drittel ausgeweitet hat und rund 60 Prozent dieser Flächen versiegelt sind. Zum Beispiel mit Schotter und Steinen. Zwischen den Jahren 2018 und 2021 hat die Verschotterung in Schweizer Gärten um 21 Prozent auf elf Quadratkilometer zugenommen, was 1500 Fussballfeldern entspricht. Mittels eines Luftbildklassifizierungs-Algorithmus und künstlicher Intelligenz konnte dies erhoben werden.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, schlägt der Bundesrat drei Massnahmen vor: Als Erstes können Gemeinden Vorschriften zur naturnahen Gestaltung des Aussenraumes erlassen. Wobei hier Schotterflächen nicht mehr zur Grünflächenziffer angerechnet werden sollen. Zweitens will der Bundesrat mit finanziellen Anreizen die gewünschte naturnahe Gestaltung fördern; dies ist auch ein Eckpunkt des indirekten Gegenvorschlags zur Biodiversitätsinitiative, über die im September abgestimmt wird. Und schliesslich will der Magistrat die Bevölkerung und die Behörden für die Vorteile von naturnahen Grünflächen und Gartengestaltungen sensibilisieren.

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Quelle: Facebook / Gärten des Grauens

Schottergarten in Deutschland: Auch hier haben zwei Bundesländer bereits Verbote für die Steinwüsten erlassen.

Aufwand unterschätzt

Warum aber legen Hausbesitzer überhaupt einen Schottergarten an, der auch für Menschen alles andere als schön oder gar attraktiv wirkt? Laut bundesrätlichem Bericht wird die Wahl eines Schottergartens häufig damit begründet, dass der Aufwand für dessen Unterhalt einfacher und kostengünstiger sei als für eine mit Pflanzen gestaltete Grünfläche. Was tatsächlich gar nicht stimmt: «Damit Schottergärten nicht verkrauten, ist ein regelmässiger Unterhalt erforderlich, der sowohl zeitlich als auch finanziell nicht zu unterschätzen ist.» 

Die Gartenbau Genossenschaft Zürich nennt auf ihrer Homepage die vielen nötigen Massnahmen: So müssen von Zeit zu Zeit neue Steine nachgefüllt werden. Über dem Zwischenvlies, das man unter der Schotterschicht aufbringen muss, um Pflanzenwachstum zu verhindern, bildet sich aus Staub, Laub und anderen organischen Ablagerungen ein keimtauglicher Untergrund, auf dem das Unkraut trotzdem wächst. «Um diesen Prozess zu verzögern, ist eine regelmässige Reinigung der Flächen mit dem Laubbläser nötig.» Erscheint das unerwünschte Unkraut trotzdem, muss es mittels Abflammen zwischen den Steinbrocken entfernt werden. «Im schlimmsten Fall kommen gar giftige (verbotene) Herbizide zum Einsatz.»

All dies lässt sich vermeiden, wie es im Bericht des Bundesrates steht: «Wenn man einen minimal begrünten Schottergarten anlegt, sprich das Wasser versickern kann, die Pflanzen daraus wachsen können und so der Garten minimal bepflanzt ist, dann zählt dieser zur Grünfläche und ist weiterhin erlaubt.» Mit wenigen Massnahmen lässt sich also aus einer grauen, ökologischen Ödfläche wieder ein wertvoller Lebensraum schaffen. Und der Schotter kann wieder dort zum Einsatz kommen, wo er richtig Sinn macht: unter Bahngleisen.

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Quelle: Facebook / Gärten des Grauens

Schottergarten, der ein Wasserbecken imitiert: Verschlimmbesserung par excellence.

Verbote auch in Zürich und Basel

Wenige Monate nach dem Kanton Solothurn hat auch Zürich ein Verbot für Schottergärten erlassen: Mit der Revision des Planungs- und Baugesetzes «Klimaangepasste Siedlungsentwicklung» dieses Frühjahr ist fortan vorgesehen, dass bei Neubauten und grösseren Umbauten Vorgärten und andere geeignete Teile des Gebäudeumschwungs als ökologisch wertvolle Grünflächen zu erhalten oder herzurichten sind. «Schottergärten erfüllen diese Kriterien in der Regel nicht, entsprechend werden sie in Zukunft nicht mehr bewilligungsfähig sein», sagt Markus Pfanner von der Baudirektion.

Mit obenstehender Gesetzesrevision wurde zudem eingeführt, dass die Versiegelung von Grundstücksflächen bei Neu- oder Umbauten möglichst gering zu halten ist. Dies gilt ebenfalls nur bei Neubauten oder grösseren Umbauten. «Neben den privaten Grundeigentümern wird auch die öffentliche Hand einen Beitrag zur Versickerung von Regenwasser leisten, indem öffentliche Flächen wie Strassen sofern möglich versickerungsfähig ausgestaltet werden.»

Schwammstädte

Dieses Konzept einer «Schwammstadt» verfolgt auch Basel-Stadt. Vor allem in den Transformationarealen wie Volta Nord und Klybeckquai / Westquai wurden Konzepte zum Umgang mit Regenwasser erarbeitet.

Bei den Schottergärten schreibt das kantonale Bau- und Planungsgesetz vor, dass die zwischen der Bau- und der Strassenlinie liegende Grundstücksfläche als Garten oder Grünfläche anzulegen ist. «Schottergärten sind in diesem Sinne im Kanton Basel-Stadt bereits heute unzulässig», sagt Daniel Hofer, der Co-Leiter Kommunikation beim Bau- und Verkehrsdepartement. Der Kanton sorge im Rahmen der Bewilligungsverfahren für grüne und strukturreich Vorgärten, damit sowohl die Lebensqualität in den Quartieren wie auch die städtische Biodiversität zunimmt. 

Im Kanton St. Gallen besteht aktuell kein Verbot von Schottergärten; auch eine spezifische Motion oder Initiative ist nicht hängig. «Den Gemeinden steht es allerdings frei, in ihren Bauordnungen entsprechende Verbote oder Einschränkungen zu verankern», sagt Adrienne Fehr-Dragojevic, Generalsekretär-Stellvertreterin beim kantonalen Volkswirtschaftsdepartement. Zudem sei sich der Kanton St. Gallen der Problematik von Schottergärten bewusst: «Es gibt Bestrebungen, den naturnahen Gartenbau zu fördern, und der Kanton geht hier mit gutem Beispiel voran.» 

So werden kantonale Bauten wie Kantonsschulen, Berufsschulen, Polizeistationen und Verwaltungsgebäude wo sinnvoll biodivers gestaltet. «Wir öffnen versiegelte Böden und ersetzen sie durch eine Chaussierung oder durch andere sickerfähige Materialien.» Die Stadt St. Gallen wiederum ist eine Vorreiterin in Sachen Schwammstadt und hat schon vor geraumer Zeit einen Fonds für entsprechende Massnahmen geäufnet. (bk)

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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