Schöner Schein
Vorsicht, bei diesem Editorial handelt es sich um ein Produkt der Lügenpresse. Es enthält Schein-Argumente, die Leser dazu bringen könnten, die Durchsetzungsinitiative abzulehnen, über die am 28. Februar 2016 abgestimmt wird.
Quelle: Elijah O'Donnell/unsplash
Vorsicht vor der Lügenpresse.
Bevor Sie weiterlesen, möchte ich Sie warnen: Bei diesem Editorial handelt es sich um ein Elaborat der Lügenpresse. Es finden sich darin die typischen Schein-Argumente, mit denen aufrechte Medienkonsumenten manipuliert und in blauäugige Gutmenschen verwandelt werden sollen. Machen Sie es also wie einst Wilhelm Tell und seien Sie auf der Hut!
Doch zur Sache: Ich kann mich an keine Volksinitiative erinnern, die mich derart aufgebracht hat, wie es derzeit die Durchsetzungsinitiative tut, über die wir am 28. Februar abstimmen. Der Grund liegt weniger in der Forderung, die Praxis für den Landesverweis krimineller Ausländer zu verschärfen. Dies hatte vor fünf Jahren bekanntlich bereits die Ausschaffungsinitiative verlangt. Vielmehr empört mich, dass die SVP mit diesem «Volksbegehren» die eidgenössischen Räte und die Gerichte zu Statisten degradieren will.
So enthält die Durchsetzungsinitiative einen fixfertig ausformulierten Gesetzestext, der direkt anwendbar wird, wenn das Volk ja sagt. Das Parlament kann daran nichts mehr ändern. Den Richtern würde bei einer Annahme die Einzelfallprüfung untersagt. Ihr Urteil würde fortan immer gleich lauten: Ausschaffung.
Damit sabotiert die ansonsten so traditionsbewusste SVP im Namen des Volkswillens zentrale Prinzipien unseres Staatswesens. Sie missachtet die Gewaltentrennung und verletzt rechtsstaatliche Grundsätze wie jenen der Verhältnismässigkeit. Das müsste jedem Bürger, vor allem aber jedem Politiker und jedem Staatsangestellten, zu denken geben. Konsequenterweise hat sich der Städteverband gegen die Initiative gestellt. Vom Gemeindeverband hingegen gibt es bisher keine offizielle Stellungnahme.
Vordergründig soll die Durchsetzungsinitiative mehr Sicherheit schaffen. Doch bereits heute können verurteilte Straftäter des Landes verwiesen werden. Dass in der Praxis wesentlich weniger Ausländer ausgeschafft werden, als den Initianten lieb ist, liegt weniger an fehlenden Gesetzen, sondern vor allem an Problemen beim Vollzug. Diese kann die Durchsetzungsinitiative nicht lösen. Das weiss man auch bei der SVP. Dennoch wird der Anschein erweckt, dass nach einer Annahme endlich alles in Butter wäre.
Ironischerweise wird ausgerechnet die SVP nicht müde zu betonen, dass der Schein zuweilen trügt. Man denke nur an all die «Schein-Invaliden» oder die «Schein-Flüchtlinge», die sie schon entlarvt hat. Vielleicht wäre es darum ratsam, auch dem stets strahlenden Sünneli im Parteilogo etwas misstrauischer zu begegnen. Schliesslich steckt auch im hellsten Sonnenschein vor allem eines: sehr viel Schein.
Marcel Müller, Chefredaktor Kommunalmagazin