Russrindenkrankheit in Basel: Der schwarze Tod von Bäumen
Rissige Rinde und schwarz berusste Stämme sind die Anzeichen der Russrindenkrankheit, die im Baselbiet grassiert. Befallene Bäume dürfen nur in Schutzkleidung gefällt werden, da Pilzsporen bei häufigem Kontakt gefährlich sind. Eine Herausforderung für Förster und Stadtgärtnerei.
Eine schwarze russartige Schicht, ein dichter Teppich aus Sporen des Pilzes Cryptostroma corticale, hat der Russrindenkrankheit zu ihrem Namen verholfen. Nach zwei heissen trockenen Sommern sind rund um Basel mit seinen durchlässigen Jurakalkböden zahlreiche Ahornbäume geschwächt.
Ein Pilz, der vermutlich schon jahrelang unbemerkt in ihnen schlummerte, bringt ihnen nun den Tod. In langen Streifen platzt die Rinde auf und die Bäume sterben ab. Im Stammquerschnitt befallener Bäume sind grossflächige bläuliche bis grünliche Verfärbungen erkennbar. Bald tritt Weissfäule ein und die betroffenen Bäume werden bruchanfällig.
Holz vernichten
Das Holz muss vernichtet werden, da die Pilzsporen dem Menschen gefährlich werden können. Die Sporen können zu einer allergisch bedingten Entzündung der Lungenbläschen führen, einer so genannten Alveolitis, sofern man sich ihnen mehrfach sowie ungeschützt aussetzt und in grosser Menge einatmet. Wobei es von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein kann, ob und wie stark der Körper reagiert, wie Stephan Ramin von der Basler Stadtgärtnerei anmerkt.
Die Russrindenkrankheit ist nicht meldepflichtig. Dennoch sammelt Valentin Queloz vom Waldschutz Schweiz der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die Meldungen: «Im Sommer 2019 wurden gehäuft vor allem aus dem Raum Basel Fälle gemeldet. Einzelne Meldungen gibt es auch aus Neuenburg und Solothurn», so Queloz. Auch vorher gab es immer wieder Einzelfälle, vor allem im Tessin oder in der Westschweiz.
Quelle: zvg Stadtgärtnerei Basel
Der Pilz kann lange Zeit ruhen und erst bei geschwächten Bäumen ausbrechen, die etwa unter Trockenstress leiden. Schliesslich muss der Baum gefällt werden.
Trockenstress ruft Ausbruch hervor
Holger Stockhaus und Andreas Etter vom Amt für Wald beider Basel richten beim Ortstermin am Schänzli in der Nähe des St. Jakob-Stadions den Blick aufmerksam auf die Stämme der Ahornbäume am Ufer der Birs. Gleich an mehreren Stellen entlang der parallel zum Ufer verlaufenden Autobahn werden sie fündig. «Vor allem Bergahorn ist betroffen. Es ist möglich, dass der Pilz bereits seit Jahrzehnten in den Bäumen vorhanden war, ohne dass er bisher auffällig in Erscheinung trat.
Erst der Stress durch die Trockenjahre hat den Ausbruch hervorgerufen.» Wie lange die Baselbieter Bäume bereits befallen waren, ist nicht untersucht. Es gibt zahlreiche Verweise in der Literatur, dass der Pilz lange im Baum sozusagen in Wartestellung verbringen kann. Für Stockhaus und Etter ist das Ganze noch neu. Sie sind daran, sich an die beste Vorgehensweise heranzutasten. Nach Meldung der ersten Fälle, veranstalteten sie umgehend Ortstermine mit Fachleuten, um die vorhandenen Informationen zusammenzutragen.
Quelle: zvg Stadtgärtnerei Basel
Beim Beseitigen eines befallenen Baumes in einer Basler Parkanlage müssen die Baumpfleger wegen der Gesundheitsgefahr durch die Sporen neben einem Schutzanzug auch Atemschutzmasken mit Partikelfilter tragen.
Bekämpfung illusorisch
Schnell war klar, dass eine Bekämpfung, ähnlich wie beim Eschentriebsterben illusorisch ist. Auf einer daumennagelgrossen Fläche bildet der Pilz hundert Millionen Sporen (Konidien), die sich mit dem Wind über grosse Distanzen verbreiten.
«Das Fällen erfordert Schutzmontur, geschlossene Behälter und das Häckseln oder zumindest Zerkleinern der Stämme, wenn das Holz nicht im Bestand verbleiben kann, sondern in der Kehrrichtverbrennung entsorgt werden muss», so Stockhaus. Maschinelles Fällen ist ja bei weitem nicht überall möglich. Eine weitere Möglichkeit ist, das Holz abgedeckt zu lagern und im Winter unter Wasserzufuhr zu hacken, um eine Ausbreitung der Sporen einzudämmen. Im Wald dürfen die Stämme auch einfach vergraben werden.
Gefahr vor allem für Forstarbeiter
«Unterdessen haben uns die Kantonsärzte erklärt, dass es sich bei der Alveolitis, die die Sporen beim Menschen auslösen können, vorrangig um eine durch direkten, wiederholten Kontakt ausgelöste Allergie handelt. Entsprechend sind eher Forstarbeiter gefährdet als die breite Bevölkerung », berichtet Stockhaus weiter. Panik ist also nicht angesagt, sofern Spaziergänger ausreichend Abstand zu den Bäumen halten. Die Symptome der sogenannten «Farmerlunge» sind Schüttelfrost, Atemnot, Fieber und Reizhusten (siehe Kasten «Cryptostroma corticale»).
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Es sind eher Forstarbeiter gefährdet als die breite Bevölkerung.
Holger Stockhaus, Stadtgärtnerei Basel
Holger Stockhaus, Stadtgärtnerei Basel
Auf dieser Basis wird im Basler Forst vorerst auf eine gangbare wie pragmatische Lösung gesetzt. Sie wird angepasst, falls neue Erkenntnisse vorliegen. Nicht in jedem Fall sind Massnahmen zu ergreifen, doch erfordert die Russrindenkrankheit ein situatives Vorgehen, wie Stockhaus erklärt: «Wir lassen den Grossteil der Bäume stehen. Mittlerweile wissen wir nämlich, dass die Virulenz der Sporen im Herbst und Winter schnell abnimmt. Lediglich in der Umgebung etwa von Picknickplätzen, an denen sich Erholungssuchende über längere Zeit aufhalten, werden die Bäume entfernt.»
Anders sieht es in den Parks aus. Ramin erläutert das Vorgehen der Basler Stadtgärtnerei: «Wir müssen jedes Mal handeln, wenn unsere Mitarbeitenden einen Fall entdecken. Die von uns betreuten Bäume stehen in Grünanlagen, die stark zur Naherholung genutzt werden.»
Den ersten derartigen Einsatz hatten die Spezialisten in Basel-Stadt bereits im Juni 2018 in einer städtischen Parkanlage. Wegen der Gesundheitsgefahr durch die Sporen rückten die Baumpfleger in Schutzmontur aus, eingehüllt in weisse Anzüge mit Kapuze und mit Partikelfiltern versehenen Atemschutzmasken. «Das hat schon einige Spaziergänger irritiert. Da muss man sich die Zeit nehmen und den Leuten die Situation erklären», berichtet Ramin.
Aufwendige Entsorgung
Nach Möglichkeit wird mit dem Greifer gefällt und der Baum direkt auf den gedeckten Lastwagen gehoben mit dem Ziel, die weitere Verbreitung der Sporen möglichst in Grenzen zu halten. «Um den Aufwand etwas geringer zu halten haben wir mittlerweile einen Container bereitgestellt, in dem wir grössere Teile von Bäumen sammeln können. Gehäckselt wird dann unter Beregnung, damit möglichst wenig Sporen aufgewirbelt werden», so Ramin weiter. Auch Valentin Queloz von der WSL hat Empfehlungen zur korrekten Entsorgung: «Damit Sporen sich nicht über die Luft verbreiten, können Bäume vor dem Fällen auch mit einem Lebensmittelfilm umwickelt werden.»
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Der russartige Belag gab der Krankheit den Namen. Auf die Bildung von Nekrosen und Schleimfluss am Stamm folgen Rindenrisse und Welke. Das sind die Anzeichen eines sterbenden Baumes.
Cryptostroma corticale
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Auf einer Fläche von der Grösse eines Daumennagels bildet der Pilz hundert Millionen Sporen (Konidien), die sich mit dem Wind über grosse Distanzen verbreiten.
Die Russrindenkrankheit stammt ursprünglich aus Nordamerika, wo sie 1889 erstmals nachgewiesen wurde. Der erste Fall in Deutschland (Baden-Württemberg) datiert auf das Jahr 2005. Auch in Österreich, Frankreich, Tschechien und den Niederlanden ist der Pilz bereits etabliert. Längst hat er sich auch in der Schweiz festgesetzt. Erste Fälle gab es hier im Trockenjahr 2003. Wirtspflanze ist der Bergahorn (Acer pseudoplatanus), seltener der Spitzahorn (A. platanoides) und Silberahorn (A. saccharinum) sowie Feldahorn (A. campestre).
Gesundheitsgefahr
Der intensive Kontakt mit den Sporen kann eine sogenannte «Farmerlunge» (Alveolitis) hervorrufen. Die Symptome sind Schüttelfrost, Atemnot, Fieber und Reizhusten. Sie treten vorrangig bei Personen auf, die direkten und wiederholten Kontakt mit den Sporen hatten. Je nach persönlicher Konstitution ist es sehr unterschiedlich, ob der Körper überhaupt reagiert und wie stark er das tut.
Auslöser und Verlauf
Man geht davon aus, dass der Pilz lange Zeit ruhen kann und erst bei geschwächten Bäumen, die unter Trockenstress leiden, massiv ausbricht. Zuerst werden Nekrosen und Schleimfluss am Stamm ausgebildet. Bald treten Rindenrisse und Welke auf, anschliessend stirbt die Krone ab. Am absterbenden Baum reisst die Rinde auf und es werden massenweise Konidien (Sporen) freigesetzt. Auf den ersten Blick denkt man vermeintlich an Russ, daher der Name der Krankheit.
Vorgehen bei Befall
Eine systematische Bekämpfung ist wegen der massenhaft produzierten Sporen unmöglich, was amtliche Tilgungsmassnahmen sinnlos macht. Nur wo sich Erholungssuchende über längere Zeit aufhalten, ist das Entfernen kranker Bäume sinnvoll, wobei Schutzkleidung und eine Atemschutzmaske mit Partikelfilter und Ausatemventil erforderlich sind.
Umgang mit dem Holz
Das Holz ist gedeckt zu lagern und abzutransportieren und der Verbrennung zuzuführen. Die Zerkleinerung sollte bei feuchter Witterung oder unter Beregnung erfolgen, um möglichst wenig Sporen aufzuwirbeln. Eine Verwendung als Brennholz ist ebenso ausgeschlossen wie die Kompostierung. (ava)