Rassismus: Keine kolonialistischen Spuren im Bahnhof Wiedikon in Zürich
Rassistische Namen und Darstellungen sollen aus dem Zürcher Stadtbild getilgt oder zumindest erklärt und kontextualisiert werden. Dies betrifft auch den Bahnhof Wiedikon, wie die NZZ heute meldete.
Quelle: Archäologie 2020
Eines der Häuser im Niederdorf: Solche Hausnamen sollen Geschichte werden.
„Zum Kleinen
Mohrenkopf“, „Zum Mohrentanz“ und „Zum kleinen Mohren“ sind die Namen dreier
Häuser im Zürcher Niederdorf, letzteres ist mit einer entsprechenden Malerei
versehen, einem dunkelhäutigen Jungen, der eine Bretzel in der Hand hält.
Weil solche Namen oder je nachdem auch Malereien laut Stadtrat Direktbetroffene mit bestehendem Rassismus konfrontieren und - wie es damals in der Medienmitteilung weiter hiess - „der Gesamtbevölkerung eine unhinterfragte Normalität suggerieren“ sollen sie aus dem öffentlichen Raum entfernt, aufgearbeitet oder zumindest erklärt und in einen Zusammenhang gestellt werden. Diese Frage stellte sich unter anderem auch bei einer mehr als hundertjährigen Wandmalerei in der Aula des Schulhauses Hirschengraben.
Wandmalereien von Otto Baumberger
Quelle: Paebi, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Kolonialistische Werbung im Bahnhof Wiedikon? Otto Baumberger schuf die beiden Wandbilder 1926.
Mittlerweile hat das Thema weitere Kreise gezogen. Dies geht aus einem aktuellen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) hervor. Die Eingangshalle des denkmalgeschützten Bahnhofs Wiedikon wird von zwei Wandbildern von Otto Baumberger (1889–1961) geschmückt. Der Zürcher Künstler zählt zu den Grossen der Schweizer Plakatkunst, einige seiner Werke sind legendär.
Im Fall der Bahnhofsbilder handelt es sich um Werbung für das
Warenhaus Jelmoli: Während auf der einen Wand Frauen zu sehen sind, die einen
Stoff begutachten, präsentieren auf der anderen jeweils eine afrikanisch-, eine
asiatisch- und eine arabisch aussehende Person Waren.
Laut städtischem Rassismusbericht lässt sich die Malerei „mit dem Wissen um die zentrale Bedeutung der Baumwolle im transatlantischen Sklavenhandel und der Verstrickung der Zürcher Baumwollindustrie“ nicht mehr als reine Werbegrafik interpretieren. „Sie repräsentiert insbesondere auch – die jüngst für die Stadt Zürich aufgearbeiteten – Ausbeutungsverhältnisse in der Baumwollproduktion, koloniale Verstrickungen des Warenhandels und werfen Fragen hinsichtlich der Darstellung der sogenannt ‚Anderen‘ auf.“ – Darum sollen die Malereien gemäss dem Bericht nun besser kontextualisiert werden.
Die NZZ fragte in diesem Zusammenhang bei der Abteilung für Denkmalpflege der SBB nach und zitiert deren Leiter Reto Bieli: Ein Schild an der Wand werde nicht reichen. Die SBB strebe eine breitere Kontextualisierung und Dokumentierung an. Entfernt werden sollen die Bilder aber nicht, weil es laut Bieli „nicht die richtige Antwort“ ist. Man wolle, dass eine Auseinandersetzung mit den Werken möglich sei. Wie die NZZ weiter berichtet, wollen die SBB die Bilder in Zukunft überprüfen.
Baubewilligung für Abdeckung
Was die Häusernamen in der Altstadt betrifft, so ist für zwei davon – sie befinden sich im Besitz der Stadt – eine Lösung gefunden worden: Wie die Stadt Ende November mitteilte, sollen die M-Worte abgedeckt werden. Zudem soll eine Informationstafel erklären, weshalb man sie verbirgt. Für die Abdeckung braucht es allerdings ein Baugesuch. Dieses ist mittlerweile eingereicht. (mai)