Pop-up-Shops: Zum Trend aufgepoppt
Pop-ups haben mittlerweile viele Ausprägungen angenommen. Das reicht von der Zwischennutzung bis hin zu neuen Vertriebsformaten. Der Trend dürfte bei einem Teil der Retailflächen zu flexibleren Mietmodellen führen. Auch Immobiliengesellschaften reagieren auf die veränderten Konsumgewohnheiten.
Quelle: Stefan Schmid
Wegen umfangreicher Bauarbeiten im Breitenrain-Quartier in Bern ist die Kornhausbrücke für mehrere Wochen gesperrt, was Gelegenheit bietet für eine Zwischennutzung mit Pop-ups.
Kurz vor dem Mittag sind die Köche im
La Brea Pop-up mit dem Mise en Place beschäftigt für die Zubereitung von
Burritos. Das moderne mexikanische Gericht ist die neuste Kreation auf der
Karte, das hungrige Passanten beim Zürcher Hauptbahnhof an diesem Take-Away-Stand
bestellen können. «Es ist eine fantastische Möglichkeit, an diesem Ort mit der
besten Frequenzlage in der Schweiz das Angebot präsentieren zu können», sagt
Stephan von Matt von der Von Matt Hospitality Group.
Das Gastronomieunternehmen mit 60 bis 70 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern betreibt in Zürich sechs Restaurants. Vor anderthalb Jahren
nahm das La Brea den Betrieb auf. Wegen Corona stellten die Restaurants der
Gruppe rasch auf Home Delivery um. Dann ergab sich die Möglichkeit, ein Pop-up zu
betreiben. Für eine Dauer von drei Monaten stellten die SBB den Raum zur
Verfügung, der sich in professionellem Design präsentiert. Die Theke aus
Pressspanholz verrät jedoch, dass der Take-Away-Stand auf Zeit betrieben wird.
Temporäres soll erkennbar sein
Im Mai ging es los. Es sei ein Weg gewesen, um am Markt
aktiv bleiben zu können, sagt von Matt. Take Away lief auch in der Zeit der
Pandemiemassnahmen gut. Bahnhöfe waren Orte, wo man sich trotz Lockdown
verpflegen konnte. Mit dem Pop-up-Shop liess sich im direkten Kundenkontakt das
Angebot testen und wichtige Erkenntnisse über Abläufe, Logistik oder Ressourcen
gewinnen. Ziel war es zudem, durch die Aktivitäten an dieser Passantenlage den
Bekanntheitsgrad der Gruppe zu steigern und auf das Angebot im stationären
Restaurant aufmerksam zu machen.
Wenn ein Betrieb als Pop-up gekennzeichnet ist, sind die
Erwartungen der Kunden etwas tiefer, hat von Matt festgestellt. Das Kernprodukt
müsse zwar überzeugen, doch das Rundherum könne durchaus den kurzfristigen Charakter
des Improvisierten haben. «Es darf, soll und muss erkennbar sein, dass es
temporär ist. Das macht auch den Charme aus», sagt von Matt. Dadurch können
auch die Investitionen vergleichsweise klein gehalten werden. Ersatzgeräte aus
eigenen Betrieben waren schnell gefunden.
Angebot wird zunehmen
Bauspezialisten aus dem Kollegenkreis halfen tatkräftig mit. Grössere Aufwendungen verursachte lediglich das Marketing. «Wenn man alles kaufen muss, macht es keinen Sinn», betont von Matt. Aktuell betreiben die SBB beim Hauptbahnhof Zürich offiziell zwei Flächen mit 34 Quadratmetern, welche jeweils für drei bis vier Monate vermietet werden. Dazu kommen Flächen für laufende Projekte. Schweizweit werden zehn Flächen für Zwischennutzungen oder Pop-ups bespielt, wobei zwischen 80 und 100 Quadratmeter gemietet werden können. Pop-ups entwickelten sich laut Angaben der SBB «sehr gut», die Zahl habe in den letzten Jahren zugenommen. Mit dem wechselnden Angebot der Pop-up-Flächen, die bei der Kundschaft auf «grosse Resonanz» stossen, soll zudem die Attraktivität der Bahnhöfe als Orte der Begegnung erhöht werden.
Quelle: zvg
Im Retail Concept Lab, das die Swiss Life im Glattzentrum seit Mitte 2020 anbietet, findet die Kundschaft neue Produkte, die es im Schweizer Detailhandel noch nicht zu kaufen gibt.
Kleine und mittelgrosse Unternehmen sollten zudem die
Möglichkeit erhalten, Produkte und Dienstleistungen an attraktiver Lage
anbieten zu können. Die Art der Pop-ups überlässt die SBB den Betreibern, wobei
auf einen passenden Mieter- und Angebotsmix geachtet werde, wie es heisst.
Vorherrschend dürften aber Flächen sein, die für Retail oder gastronomische
Konzepte genutzt werden. Zwar seien Pop-ups zeitintensiv in der Betreuung, doch
gehen die SBB davon aus, dass das Angebot aufgrund der bisherigen Erfahrungen
weiter zunehmen werde.
In der Deutschschweiz verbreitet
Der Trend zu Pop-ups als neuem Vertriebsformat zeichnete
sich bereits vor Jahren ab. «Die Corona-bedingten Einschränkungen haben den
bestehenden Trend zur Flexibilisierung von Retailflächen beschleunigt», sagt
Chalid El Ashker, Gründer und Geschäftsführer von «Pop Up Shops». Über die
Plattform suchen Unternehmen nach passenden Räumen, oder Vermieter bieten ihre
flexibel nutzbaren Flächen dort an. Beim Retail sei ein Trend zu Konzepten
festzustellen, welche weniger auf den direkten Verkauf vor Ort ausgerichtet
sei. Das zeige sich auch bei den Pop-ups.
Gewisse Flächen würden mit flexibler Vermietung bessere Renditen
abwerfen. Daher ist laut El Ashker davon auszugehen, dass künftig ein Teil der
Verkaufsflächen konstant flexibel vermietet werde. Es sei damit zu rechnen,
dass in den nächsten drei Jahren mindestens zehn Prozent der Retailflächen
basierend auf flexiblen Mietmodellen angeboten und weitere rund zehn Prozent
umgenutzt werden. Allgemein geht er von einer Dynamisierung des
Vermietungsgeschäfts mit flexibleren Verträgen aus.
Die Zahl der flexiblen verfügbaren Flächen steigt laut El
Ashker stetig, jedoch nicht in allen Landesteilen gleich stark. Gemäss
Statistiken von «Pop Up Shops» entfällt fast ein Drittel der Vermittlungen, die
über die Plattform laufen, auf die Region Zürich, rund ein Viertel auf Espace
Mittelland, die Zentral- und Nordwestschweiz machen etwas mehr als ein Viertel
der Buchungen aus. Am erfolgreichsten ist die Vermarktungsform in den Städten
Zürich, Bern und Genf. In der gesamten Genferseeregion und in der Ostschweiz
sind Pop-up-Shops eher noch selten anzutreffen. Im Tessin scheinen sie noch ein
Randphänomen zu sein.
Sehr offen gegenüber flexiblen Vermietungen sei man in
Frankreich und Deutschland. Die unterschiedliche Entwicklung erklärt El Ashker
mit der hiesigen Marktstruktur. Der Schweizer Markt absorbiere entstandene
Leerflächen besser als beispielsweise jener von Deutschland. Zudem könnten
Vermieter Flächen eher länger leer lassen. Im internationalen Vergleich befinde
sich die Schweiz bei der Nutzung dieser neuen Vermarktungsform im Mittelfeld.
Einfluss von Pop-ups noch klein
Der Markt für Geschäftsflächen war bisher nicht sehr
transparent. In einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen
schätzen Wüest Partner die monatlichen Nettomieten bei Verkaufsflächen
gesamthaft auf 400 Millionen Franken. Bei gastronomische genutzten Flächen sind
es rund 200 Millionen Franken, wobei auch selbstgenutzte Flächen eine Rolle
spielen. Angesichts des Volumens dürfte der Einfluss von Pop-ups auf den Markt
noch nicht allzu gross sein, was sich auch bei der Vertragsdauer von
Geschäftsflächen zeigt. Diese ist gemäss Immobilienexperten tendenziell leicht
rückläufig, wobei sich kein klarer Zusammenhang zu den Entwicklungen bei den
Pop-ups ergibt.
Der Trend zu neuen Ladenkonzepten und vielfältigeren
Nutzungen von Retailflächen dürfte aber anhalten. Getrieben wird die
Entwicklung von Konsumverlagerungen. Gemäss Berechnungen der Credit Suisse auf
Basis von Zahlen des Bundesamts für Statistik hat der stationäre Detailhandel
in den Jahren 2015 bis 2019 im Schnitt 1,5 Prozent an Umsatz an die
Online-Kanäle verloren, die 2020 nochmals kräftig zulegen konnten. Die
Basisdaten weichen von den Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK ab, das vor
allem die 50 grossen Detailhändler erfasst. Gemäss der Grossbank ist davon
auszugehen, dass der Grossteil der verlorenen Umsätze nicht zurückgeholt werden
kann. Verkaufsflächen dürften daher vermehrt als neue Vertriebskanäle genutzt
werden, wobei sich die Dynamik bei den Pop-ups vor allem in Innenstädten
intensiviert.
Fläche gemeinsam nutzen
Zur Lancierung der Luxusmarke in Europa hat der
südkoreanische Autohersteller Hyundai an der Bahnhofstrasse ein vierstöckiges
Haus gemietet und umgebaut. Weil die Fläche im obersten Stock verfügbar war, ergab
sich die Möglichkeit einer Mischnutzung mit einem Pop-up. Im grosszügigen Raum
des Dachgeschosses sind Möbel und weitere Einrichtungsgegenstände zu Ensembles
gruppiert, was ein galerieartiges Ambiente schafft.
An den Wänden hängen grossformatige Bilder von Berglandschaften. Angestellte des Autoherstellers nutzen zwei Sitzgruppen für ihre Besprechungen. Der Raum ist sowohl Coworking Space als auch Ausstellungsraum, wo man sich treffen kann. «Wir sind Dienstleister in der Eventbranche und kreieren bei Veranstaltungen ein passendes Ambiente. Wir bauen auf Zeit, deshalb passt die Pop-up-Idee zu uns», sagt Rosanna Lopomo, Geschäftsführerin der Blasto AG. Das Unternehmen mit rund 20 Angestellten vermietet Zelte samt passendem Mobiliar für die unterschiedlichsten Anlässe. Das reicht von der privaten Hochzeitsfeier bis zu Anlässen, bei denen jeweils Flächen von 6500 Quadratmetern einzurichten sind.
Auf 256 Quadratmetern sollen sich Kundinnen und Kunden bei der Planung ihrer Anlässe inspirieren können. Der Pop-up-Showroom soll aber auch die Basis bieten für die Weiterentwicklung von Möbeln. Im direkten Kontakt sollen Trends erspürt und mit der Kundschaft Konzepte entwickelt werden. Das Ziel sei es aber auch, die Bekanntheit der Blasto AG im Markt auszubauen und Aufträge zu generieren oder neue Tätigkeitsfelder zu erschliessen.
Ein Hotelier etwa hat
Interesse bekundet an den Diensten der Blasto AG für saisonal wechselnde
Aussenraumgestaltungen. «Die Ansprüche der Kundschaft sind gestiegen.» Das ist
einer der Schlüsse, die Lopomo mit Blick auf die schwer gebeutelte Eventbranche
aus der Corona-Krise gezogen hat. Ein Pop-up in diesem Raum sei daher eine
einmalige Chance, zumal die Anmietung einer solchen Fläche an dieser Lage das
Budget des Unternehmens sprengen würde. Der Pop-up-Raum wird auf unbestimmte
Zeit genutzt, soll aber mehr sein als eine klassische Ausstellungsfläche. Eine
Fotoausstellung und eine Buchvernissage sowie eine Vortragsserie soll jeweils
den Rahmen bilden für Begegnungen.
In der Nähe der Bahnhofstrasse nutzt übrigens auch der
deutsche Autohersteller Porsche seit einigen Wochen das temporäre
Vertriebsformat. Der Pop-up-Store soll die Standorte in der Umgebung von Zürich
ergänzen. Auf 190 Quadratmetern werden bis Ende Jahr Fahrzeuge ausgestellt.
Besucher können beispielsweise ein Auto nach individuellen Wünschen
konfigurieren und anschliessend mit einer Virtual-Reality-Brille erleben.
Mehr als Zwischennutzungen
«Mit Zwischennutzungen wie Pop-up-Stores haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht», sagt Renato Piffaretti, Leiter Immobilien Schweiz bei Swiss Life Asset Managers, die das grösste private Immobilienportfolio der Schweiz bewirtschaften. Als Beispiele nennt er temporäre Gastronomiebetriebe. Mittlerweile handle es sich bei Pop-up-Stores aber um Konzepte, die weit über die Zwischennutzung hinaus Wirkung entfalten würden.
Räume mit improvisierter Einrichtung bildeten immer mehr die Kulisse für Inszenierungen von Marken und Produkten, was ein Ambiente für Verkaufserlebnisse schaffe. Kundinnen und Kunden wollten überrascht und unterhalten werden, neue Pop-ups in Einkaufsstrassen sollen die Neugier wecken. Der Kauf rücke bei diesen Konzepten in den Hintergrund, Bestellung und Bezahlung könnten auch erst später online erfolgen. Detailhändler evaluieren gemäss Piffaretti heutzutage die Standorte sehr genau. Für die Swiss Life entsprechen Pop-ups einem anhaltenden Trend, den sie antizipiert.
Quelle: Stefan Schmid
Auf 256 Quadratmetern sollen sich Kundinnen und Kunden bei der Planung ihres Anlasses inspirieren können. Der Pop-up-Showroom soll aber auch die Basis sein für die Weiterentwicklung von Möbeln.
Und Piffaretti sieht die Entwicklung im Markt für Retailflächen auch als ein Zeichen der Beschleunigung, etwa wenn über Nacht Verkaufsflächen umgestaltet werden, um mit einem neuen Laden Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das zeige sich auch immer mehr bei Pop-up-Shops, die eingerichtet werden, um saisonal die Nachfrage zu bedienen, indem etwa Skiausrüstung zeitlich passend von Oktober bis Dezember angeboten werde, dafür möglichst zentral und an attraktiven Lagen.
Mit Pop-ups reagiere der stationäre Handel
auch auf den Erfolg der Online-Kanäle, die in den letzten Jahren ein
starkes Wachstum verzeichneten. Aus Kostengründen passt der Detailhandel die
Ladenkonzepte der schwankenden Nachfrage an. «Wichtig sind flexible Flächen und
moderne Grundrisse. Gefragt sind Flächen, die wandel- und belastbar sind sowie
wechselnde und gemischte Nutzungen zulassen», betont Piffaretti.
Weniger Areale für Pop-ups
Die ursprüngliche Idee der Pop-ups funktioniert für von Matt
immer noch, auch wenn heute die Konzepte viel professioneller umgesetzt werden.
Früher seien beispielsweise alte Industrie- und Gewerbeflächen eine bestimmte
Zeit lang für wenig Geld mit einer gewissen Unbeschwertheit für gastronomische
Konzepte oder unterschiedlichste Zwecke umgenutzt worden. Aber es sei heute für
Junge schwieriger geworden, solche Areale zu finden, um Erfahrungen zu sammeln.
Einen Trend erkennt von Matt bei Mischnutzungen. An guten
Lagen sei ein Mix aus Restaurantbetrieb, Lieferservice oder Take Away denkbar.
Oder im gleichen Raum richtet ein Anbieter im Sommer eine Gelateria ein,
während ein anderer im Winter Raclettes streicht. Mischnutzungen könnten für
Vermieter vorteilhaft sein. Und von Matt sieht bei Pop-ups auch für Innenstädte
Potenzial. Eine bessere Durchmischung bereichere das soziale Leben.
Auf jeden Fall habe das Pop-up die Erwartungen erfüllt. «Es war eine super Erfahrung», sagt von Matt. Nun gelte es, die letzten drei Monate zu analysieren. Allenfalls liesse sich aus dem Konzept etwas Langfristiges machen. Eine realistische Basis dafür sei eine umfassende Kalkulation unter Einbezug des tatsächlichen Mietpreises. Die Burritos haben es nach dem Pop-up-Test jedenfalls schon mal auf die Speisekarte des stationären Restaurants geschafft. Ende Juli geht der Laden runter. Dann zieht das nächste Pop-up ein. Serviert werden dann drei Monate lang Hamburger.
Arten von Pop-ups
Mit Pop-ups werden befristete Nutzungen von Verkaufsflächen
umschrieben, wobei die Mietdauer in der Regel weniger als ein Jahr beträgt.
Treiber des Pop-up-Phänomens sind Veränderungen beim Konsumverhalten mit
Bestellungen über Online-Kanäle. Mit flexiblen Konzepten soll die Kundschaft
Produkte vor dem Kauf physisch erleben können.
Pop-ups decken mittlerweile ein breites Spektrum an
physischen Formaten ab wie Monobrand-Shops, Shop-Sharing, Shop-in-Shop,
Pop-Up-Market oder Containers. Inhaltlich geht es um vier Hauptkategorien:
- Concept Shop: Im direkten Kundenkontakt neue Geschäftsmodelle und Standorte testen.
- Brand Shop: Eine Marke als Erlebnis vermitteln und deren Bekanntheitsgrad steigern.
- Product Event: Neue Produkte lancieren oder Varianten davon präsentieren.
- Sale Shop: Im Vordergrund steht der klassische Verkauf von Produkten.
Die durchschnittlich gemietete Fläche richtet sich gemäss Statistiken von «Pop Up Shops» nach dem Bedarf. Dabei werden grob zwei Gruppen unterschieden. Die in Einkaufszentren und für Promotionszwecke genutzten Flächen umfassen in der Regel zwischen zehn und 25 Quadratmeter. Bei Retailflächen sind es zwischen 30 und 200 Quadratmeter. Flächengrösse darüber werden eher seltener als Pop-up-Stores genutzt. (sts)