10:44 KOMMUNAL

Palmen im Tessin: WSL rät sie notfalls zu fällen

Teaserbild-Quelle: Pero, Pixabay-Lizenz

Für viele sind sie ein Tessiner Wahrzeichen: die Palmen, oder vielmehr die Chinesische Hanfpalme. In tiefen Lagen und in Siedlungsnähe breitet sie sich massiv aus. Laut Experten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL  kann sich dies negativ auswirken, etwa was die Waldbrandgefahr betrifft. Sie schlagen Massnahmen zur Eindämmung vor.

Palmen im Wald am  Monte Bré

Quelle: Silva Maier

Beinahe tropisch anmutender Dschungel: Wald am Monte Bré, bei Lugano.

Im Tessin verströmen Wälder in Nähe von Siedlungsgebieten einen Hauch tropischer  Dschungelatmosphäre. Ursache sind Palmen, die inmitten des grünen Dickichts gedeihen. Es handelt sich dabei um die Chinesische Hanfpalme (Trachycarpus fortunei). Laut der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft habe sich die exotischen Gewächse, die in den vergangenen 50 Jahren in Gärten gesetzt worden sind, haben sich stark vermehrt – und verdrängen mancherorts einheimische Pflanzenarten.

Wie sich die Palmen konkret auf die Tessiner Wälder auswirken könnten hat ein Forschungsteam der WSL- im Rahmen des Pilotprogramms des Bundes «Anpassungen an den Klimawandel» untersucht. Dazu wurde die Tier- und Pflanzenwelt an je zehn Waldstandorten untersucht, die entweder eine Dichte an Palmen aufweisen, oder an denen keine Palmen gedeihen. Dabei zeigte sich, dass an palmenreichen Standorte zwar nicht weniger wirbellose Tiere leben, aber deutlich weniger Pflanzenarten vorhanden sind.

Erhöhte Waldbrandgefahr wegen Hanfpalmen?

Hanfpalmen schwächen laut WSL auch die Schutzfunktion von Wäldern vor Naturgefahren: Ihr Wurzelsystem verstärke den Boden nur wenig, ein reiner Palmenbestand wäre also ungünstig als Schutzwald. Das falle in gemischten Wäldern wenig ins Gewicht, und an steilen, felsigen Standorten, wo kaum andere Bäume wachsen, kann die Palme gar vor Steinschlag schützen. Weil sich allerdings an den Hanfpalmen viele trockene, abgestorbene Blätter ansammeln, könnte dies gemäss den WSL-Forscher hingegen für eine erhöhte Waldbrandgefahr sorgen.

Zurzeit ist die Chinesische Hanfpalme vor allem auf Wäldern tieferer Lagen beschränkt, das heisst auf solche, die unter 900 m ü. M. liegen. Allerdings gehen die WSL-Wissenschaftler davon aus, dass sie künftig aber auch in etwas höhere Lagen besiedeln kann, wenn es im Zuge des Klimawandels dort wärmer werde. Zudem rechnen sie damit, dass dass sich die Palme in Siedlungsnähe weiter stark ausbreiten dürfte. In siedlungsfernen Wäldern erwarten sie hingegen nur eine langsame Ausbreitung: Weil die Samenproduktion der Hanfpalme in schattigen Wäldern eingeschränkt sei, seien dort ausgedehnte und dichte Bestände unwahrscheinlich.

Die Palme, ein Tessiner Wahrzeichen

Postkarte aus den 50er-Jahren

Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / PK_004157 / Public Domain Mark

Südliche Idylle? Panorama von Lugano mit Palmen auf einer Postkarte aus den 50er-Jahren.

Neben den Untersuchungen in Feld und Labor hat das Team der WSL eine schweizweite Umfrage zur Wahrnehmung der Hanfpalme in der Bevölkerung durchgeführt. Mehr als die Hälfte (58.9%) der 2000 Teilnehmenden schätzen in ihrer Antwort die Hanfpalme positiv ein und sehen sie als ein Tessiner Wahrzeichen (53.9%). Während Kultivierungs- und Verkaufsverbote wenig Zuspruch bekämen, gebe es durchaus Zustimmung für Empfehlungen, die die weitere Ausbreitung der Palme einschränken würden, heisst es in der Medienmitteilung. Massnahmen, um die Vermehrung der Palme einzudämmen: zum Beispiel Blüten und Früchte entfernen, verwilderte Pflanzen beseitigen, alternative nicht-invasive Palmenarten setzen.

Auch wenn Kommunikationsmassnahmen für einen fachgerechten Umgang mit der Zierpflanze sensibilisieren können, ist es laut den Forschern trotzdem unumgänglich, die Palmenbestände in Schranken zu halten, wenn auch ihre komplette Beseitigung aus siedlungsnahen Wäldern unrealistisch sei. Sie empfehlen deshalb, an bestimmten ökologisch wertvollen Standorten wie in Auenwäldern das lokale Ökosystem wieder komplett palmenfrei zu machen und den Palmenbestand in Schutzwäldern, wo es sinnvoll ist, auszudünnen.

Um verwilderte Hanfpalmen zu beseitigen, hat die WSL eine zeit- und kosteneffiziente Methode entwickelt und getestet: Mit einem bodennahen Schnitt mit der Motorsäge können „erwachsene“ Palmen direkt absterben. Bei jungen Pflanzen genügt dies  aber nicht, denn die noch im Boden verbliebenen Palmenherzen treiben weiter aus. Um dies zu verhindern, sollte das Herz mit einem Bohrer zerstört werden. Der Kanton Tessin wird die Methode nun offiziell empfohlen und von Fachleuten angewandt. (mgt/mai)

Krone einer Hanfpalme

Quelle: Pero, Pixabay-Lizenz

Chinesische Hanfpalmen breiten sich in den Tessinerwäldern in Siedlungsnähe aus.

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