Mit naturnahen Landschaften zu mehr Lebensqualität
Die uns umgebende Landschaft ist massgeblich mitverantwortlich für unsere Identität und Lebensqualität. Mit naturnahen Siedlungsumgebungen schaffen Gemeinden wertvolle Lebensräume für Mensch und Natur. Damit verbessern sie ihre Standortattraktivität und legen die Basis für soziale Interaktion, Gesundheit und Wohlbefinden.
Quelle: Pusch
Siedlungslandschaft hat Gewicht: Es sind die Erfahrungen in der unmittelbaren Umgebung, die unsere Identität und das Wohlbefinden prägen.
Von Jennifer Zimmermann*
Fragt man Schweizerinnen und Schweizer, welche Landschaften sie
als prägend für ihre Identität empfinden, nennen die allermeisten die Hügel und
Berge sowie die Seen und Flüsse. Das zeigte eine Befragung des Stapferhauses im
Vorfeld der Ausstellung «Heimat – eine Grenzerfahrung» von 2017. Es sind unbestritten
die charakteristischen Ikonen unseres Landes, die uns zuerst in den Sinn kommen
und welche die stärksten Gefühle von Identität und Zugehörigkeit auslösen.
Auf den zweiten Blick ist aber wohl unser unmittelbarer Lebensraum respektive die Landschaft, in der wir uns täglich aufhalten, bedeutend prägender für uns. Denn wir verbinden die Umgebung, in der wir als Kinder Schritt für Schritt eine Vorstellung von Raum und Leben entwickelten, oder die Freiräume, die wir als Jugendliche aufsuchten, um uns den überwachenden Blicken der Erwachsenen zu entziehen, mit einer Vielzahl von Erlebnissen.
Und wir spüren auch genau, wo
wir als Erwachsene täglich Erholung finden und uns wohlfühlen. Gerade weil die unmittelbare
Umgebung so wichtig ist für unser Wohlbefinden, lohnt es sich für Gemeinden, in
attraktive und identitätsstiftende Siedlungsumgebungen und Naherholungsgebiete
zu investieren.
Grüne Siedlungslandschaften mit Mehrwert
Vielfältige und gut gestaltete Frei- und Grünräume befriedigen
eine Vielzahl von Bedürfnissen. Dazu gehören soziale Begegnung und Interaktion,
Naturerlebnisse und ästhetischer Genuss sowie die Steigerung von Wohlbefinden
durch Erholung und Bewegung. Attraktive Wohnumgebungen und Naherholungsgebiete
tragen aber auch wesentlich zur Standortattraktivität einer Gemeinde bei und
können sogar eine Grundlage für den Tourismus sein.
Aber was zeichnet identitätsstiftende und wohltuende Siedlungslandschaften
aus? Als besonders attraktiv nehmen wir vielfältig strukturierte Landschaften wahr,
denn ein Zusammenspiel aus Grünflächen, Wasserläufen und schattenspendenden Bäumen
empfindet der Mensch als stimulierend. Unberührte Natur, aber auch belebte, verkehrsberuhigte
und intakte Orts- oder Quartierzentren sowie historische Zeitzeugen sind
wichtig für ein attraktives Landschaftsbild.
Verbindliche Ziele
Die gesellschaftlichen Ansprüche an Siedlungsumgebungen und Naherholungsgebiete und der Nutzen intakter Landschaften sind vielfältig. Darum umfasst das Landschaftskonzept Schweiz (LKS) für die Landschaftsförderung im Siedlungsraum mehrere behördenverbindliche Ziele für eine kohärente und qualitätsbasierte Entwicklung der Schweizer Landschaften.
Dazu gehören die
Anerkennung von kulturellem und natürlichem Erbe der Landschaft, die Sicherung
und Vernetzung hochwertiger Lebensräume, das Zulassen von natürlicher Dynamik, aber
auch die Verdichtung und der Schutz vor weiterer Zersiedlung in Kombination mit
der Sicherung von Grünräumen und der Gestaltung von Siedlungsrändern.
Kantone und Gemeinden am Hebel
Auch wenn der Bund die Landschaftsziele definiert, kommt den Kantonen und Gemeinden bei der Gestaltung der Landschaften die entscheidende Rolle zu. Die Kantone sind aufgefordert, die Ziele des LKS in der kantonalen Richtplanung zu verankern. Dabei erweist sich die Erarbeitung einer kohärenten Landschaftskonzeption und -politik als sehr wichtig.
Den Planungsbehörden auf
Stufe der Regionen und Gemeinden kommt dann die Aufgabe zu, die regionalen und
lokalen Richtpläne, Landschaftskonzepte, die kommunalen Nutzungspläne sowie
eigentümerverbindliche Bau- und Zonenverordnungen auf die übergeordneten Ziele
und Leitlinien auszurichten.
Rezepte für erfolgreiche Aufwertungen
Um wirklich Mehrwerte zu schaffen, muss die Aufwertung von Siedlungsumgebungen und Naherholungsgebieten nicht nur vielen Ansprüchen, sondern auch mannigfaltigen Zielen genügen. Entsprechend komplex ist die Aufgabe der Gemeinden, die Landschaftsqualität zu fördern. Ein interdisziplinäres, departementsübergreifendes und partizipatives, alle wichtigen Akteure einschliessendes Vorgehen ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
Um zielorientiert vorwärts zu kommen, sind klare und breit abgestützte Strategien zu ökologischen, siedlungsgestalterischen und siedlungsklimatischen Anliegen sowie effiziente Entscheidungsprozesse eine grosse Hilfe. Ein weiteres zentrales Element ist die Partizipation der Bevölkerung und der Austausch mit lokalen Akteuren im ganzen Planungsprozess. Dabei muss die Partizipation so organisiert sein, dass sie verschiedene Bevölkerungsgruppen anspricht und ergebnisoffen ist. Um die Vernetzung sicherzustellen, ist zudem häufig auch eine überkommunale Sichtweise wichtig.
Projekte zugunsten der Landschaftsqualität erweisen sich
dann als vielversprechend, wenn sie nicht nur Lebensräume für die Natur schaffen,
sondern auch die Lebensqualität der Wohnbevölkerung verbessern. Dies ist der
Schlüssel zum Erfolg für eine grosse Akzeptanz und gelungenen
Landschaftsschutz.
*Jennifer Zimmermann ist Leiterin Gemeindeangebote und Erwachsenenbildung und Mitglied der Geschäftsleitung bei Pusch – Praktischer Umweltschutz, Zürich.
Naturnah, vielfältig, verbindend - Landschaften für mehr Lebensqualität
Die Pusch-Tagung vom 10. September 2021 in Biel bietet die
Chance, sich vertieft mit dem Thema Landschaftsqualität auseinanderzusetzen,
sich über aktuelle Forschungsergebnisse zu informieren und von gelungenen
Praxisbeispielen inspirieren zu lassen. Die Tagung gibt Raum, um sich mit Gleichgesinnten
auszutauschen und mit Referentinnen und Referenten aus Fachwelt und
Gemeindepraxis weiterführende Fragen zu diskutieren.
Informationen und Anmeldung: www.pusch.ch/tagung-biodiversitaet