Mehr Fussgängersicherheit – aber wie?
«Investitionen in bauliche Massnahmen lohnen sich»
Evi Allemann ist SP-Nationalrätin, Kanton Bern, und Vorstandsmitglied des VCS, Sektion Bern.
Die Sicherheit der Fussgängerinnen und Fussgänger liegt mir am Herzen. Deshalb haben wir in der «Via Sicura»-Vorlage alles versucht, um einen Passus aufzunehmen, der dem Handlungsbedarf im Bereich der Fussgängerübergänge gerecht wird. Denn dieser ist unbestritten: Gemäss der BFU entspricht rund die Hälfte der etwa 45 000 existierenden Fussgängerquerungen nicht den VSS-Normen.
Zwar ist das Anliegen nach mehr Sicherheit auf den Fussgängerstreifen breit getragen und der Ruf nach Massnahmen laut. Doch sobald es darum geht, die Finanzierung zu sichern, verstummen viele dieser Stimmen. Und das, obwohl sich der finanzielle Aufwand von 200 Millionen Franken für die konsequente Sanierung der unsicheren Fussgängerstreifen bereits nach einem Jahr lohnen würde.
Fussgängerunfälle verursachen nämlich jährliche Kosten von rund 250 Millionen Franken. Ein SP-Erfolg war die Aufnahme einer direkten Rechtsetzungskompetenz des Bundes in diesem Bereich. So heisst es in «Via Sicura» neu: «Der Bund erlässt in Zusammenarbeit mit den Kantonen bauliche Vorgaben für die Ausgestaltung von Fussgängerstreifen.» Zudem soll eine für den Verkehrssicherheitsbereich verantwortliche Ansprechperson (Sicherheitsbeauftragter) ernannt werden. Mit diesen Massnahmen wird auf den Fussgängerstreifen mehr Sicherheit geschaffen.
«Bund muss Anreize für Sanierung gefährlicher Querungen schaffen»
Franziska Teuscher ist Nationalrätin Grüne, Kanton Bern, und Zentralpräsidentin des VCS.
Jeder vierte Verkehrstote in der Schweiz ist ein Fussgänger. Gefährdet sind besonders Kinder und Senioren. In der Vergangenheit wurde auch aus Kostengründen bei der Sicherheit für Fussgänger gespart. Für ein sicheres Fussgängerwegnetz braucht es sichere Querungsstellen. Hier müssen wir Prioritäten setzen.
Besonders wirksam sind der Bau von Mittelinseln und eine optimale Strassenbeleuchtung bei Fussgängerpassagen. Es braucht aber auch verkehrsberuhigende Massnahmen im Bereich von Fussgängerquerungen. Man könnte diese wichtigen Änderungen mit Bussengeldern finanzieren. Diesen Vorschlag habe ich im Nationalrat eingebracht. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Finanzierung über die Agglomerationsprogramme des Bundes. Natürlich stehen in erster Linie die Gemeinden und Kantone als Strassenbesitzer in der Pflicht.
Ohne Förderanreize durch den Bund werden diese aber die Sanierung von gefährlichen Fussgängerquerungen nicht mit der nötigen Entschlossenheit vorantreiben. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Selbst eine sichere Fussgängerpassage ersetzt ein vorsichtiges und rücksichtsvolles Verhalten der Autofahrenden und Fussgänger nicht.
Das Problem ist, dass man als Verkehrsteilnehmer oft nicht die Perspektive der anderen kennt. Beim VCS Schweiz wollen wir darum mit der Kampagne «Sicher zu Fuss» Fussgänger und Autolenker für die Gefahren sensibilisieren.
«Ein konsequenter Vollzug löst mehr Probleme als neue Gesetze»
Martin Landolt ist BDP-Nationalrat, Kanton Glarus.
Eine zentrale Frage rund um «Via Sicura» ist der Grundsatz, ob und wie stark eine liberale Gesetzgebung die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürgern einschränken soll und darf. Das Ziel der Gesetzgebung müsste vereinfacht formuliert ein möglichst hoher Nutzen mit möglichst wenig gesetzlicher Einflussnahme sein. Aber das ist Theorie; die Praxis findet im Alltag statt. Und genau dort werden auch die Grenzen der Gesetzgebung aufgezeigt. Was immer der Gesetzgeber beschliesst, muss in der Praxis umgesetzt und kontrolliert werden. Oftmals würde man deshalb wohl eher einen konsequenteren Vollzug statt neue Gesetz fordern. So besteht beispielsweise im Bereich der Fussgängersicherheit tatsächlich an verschiedenen Orten Handlungsbedarf. Die Mängel sind weder neu noch unbekannt. Es ist deshalb erfreulich, dass einige Kantone und Gemeinden dies nun anpacken und lösen wollen. Dass andere hier immer noch zögern, ist wenig verständlich. Ich würde mir dort mehr Druck der kantonalen und kommunalen Politik wünschen. Die Forderung, dass hier der Bund die Aufgaben der Gemeinden lösen soll, entspricht nicht dem subsidiären Konzept unseres föderalistischen Staates und widerspricht auch meinen persönlichen Grundsätzen.
«Weniger, dafür bessere Zebrastreifen»
Markus Hutter ist FDP-Nationalrat, Kanton Zürich, und Vorstandsmitglied des ACS.
Die Sicherheit um die Fussgängerstreifen ist ein seit langem brennendes Thema, das mit «Via Sicura» und vor allem mit der jüngsten Häufung von Unfällen eine zusätzliche Aktualität erlangt hat.
Zunächst: Die effizienteste Massnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Fussgängern wäre die Rückkehr zum «freundlichen Handzeichen». Denn 1994 hat die Sicherheit auf den Fussgängerstreifen mit der Verschärfung des Vortrittsrechtes und der Abschaffung des obligatorischen Handzeichens eine negative Komponente erfahren.
Als zusätzliche Massnahme wäre eine gute Ausleuchtung der Fussgängerstreifen auch für die Autofahrer zu begrüs-sen. Allerdings müssten es dann alle sein, damit nicht verschiedene Klassen von Fussgängerstreifen entstehen. Denn überall gilt für beide Seiten das gleiche Recht – egal ob gut, schlecht oder gar nicht ausgeleuchtet. Bei den Tausenden von Fussgängerstreifen in der Schweiz kann man sich allerdings die Investitionskosten und vor allem die Betriebskosten leicht ausmalen. Nicht zu reden vom Energieverbrauch!
Um nicht in die gleiche Falle zu laufen wie bei der Vortrittsregelung, gibt es nur eine Lösung: Die Anzahl der Fussgängerstreifen ist massiv zu reduzieren auf die wichtigsten. Die verbleibenden sind jedoch ihrer Bedeutung entsprechend gut auszubauen, gut zu signalisieren und gut auszuleuchten. Kurz: sie sind wie eine Kreuzung zu projektieren, auszuführen und zu betreiben.
«Fussgängerstreifen sollen einheitlicher werden»
Peter Bieri ist CVP-Ständerat, Kanton Zug.
Mit den vom Parlament bereits beschlossenen Massnahmen in «Via Sicura» sollte die Anzahl der schweren Strassenverkehrsunfälle signifikant gesenkt werden können. Zwar hat das Parlament einzelne Massnahmen, wie die Befristung des Führerausweises und den obligatorischen Sehtest ab 50 Jahren bedauerlicherweise gestrichen. Andererseits hat das Parlament aber «Via Sicura» mit weiteren Massnahmen gegen Raser ergänzt. Ein Mangel wäre es, wenn das Parlament die Aussagekraft der Atemalkoholprobe in der Schlussrunde relativieren würde. Wir wären in Europa eigentliche Exoten.
Nach Einschätzung von Verkehrssicherheitsorganisa-
tionen erfüllt etwa die Hälfte der Fussgängerstreifen die Normanforderungen bezüglich Sicherheit nicht. Erforderlich ist deshalb eine flächendeckende Identifizierung und Sanierung dieser Anlagen durch die Kantone und Gemeinden. Ich habe deshalb in der ständerätlichen Verkehrskommission den Antrag für eine Bestimmung eingebracht, dass Fussgängerstreifen in der ganzen Schweiz besser, aber auch einheitlicher erstellt werden. Der Bund soll – unter Beachtung der Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden – künftig mehr tun dürfen. So soll der Bund den Strasseneigentümern ein Instrumentarium zur Verfügung stellen, das ihnen ermöglicht, selbständig mögliche Gefahrenstellen auf ihren Strassen zu vermeiden. Der Bund soll dieses Regelwerk – wie der Ständerat ausdrücklich verlangt – in Zusammenarbeit mit den Kantonen festlegen.
«Verfahren müssen beschleunigt werden»
Walter Wobmann ist SVP-Nationalrat, Kanton Solothurn, und Präsident der Föderation Motorradfahrer der Schweiz (FMS).
In letzter Zeit gab es auf Fussgängerstreifen vermehrt schwere Unfälle. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel die neue Rechtsordnung, wonach der Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen immer Vortritt hat. Dies führt dazu, dass die Fussgänger häufig gar nicht mehr vor dem Überqueren der Strasse halt machen und nach links und rechts schauen. Eigentlich völlig unbegreiflich, denn bei einem Unfall ziehen bekanntlich die Fussgänger immer den Kürzeren. Auch spielt vor allem in den Wintermonaten bei Nebel und Dunkelheit schlechte Sicht und dunkle Kleidung eine wichtige Rolle. Im Weiteren sind viele Fussgängerübergänge mangelhaft oder am falschen Ort. Auf Kuppen oder nach Kurven sind Fussgängerstreifen schlicht unverantwortlich, denn dort nützt auch grösste Aufmerksamkeit aller Beteiligten wenig. Dasselbe trifft bei Zebrastreifen in unmittelbarer Nähe von Kreiseln zu, denn die Automobilisten konzentrieren sich auf die Ein- und Ausfahrt des Kreisels und übersehen dabei die Fussgänger.
Auch problematisch ist die Flut von Verkehrstafeln, Verkehrshindernissen auf der Strasse zur Verkehrsberuhigung und die grundsätzliche Überregulierung für den Privatverkehr. Dies alles hindert den Autofahrer enorm, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. So kann es schneller passieren, dass ein Autofahrer vor lauter Signalen und Hindernissen Fussgänger am Strassenrand übersieht.
Die Gemeinden haben für die Verkehrssicherheit zuständige Personen, diese sollten alle Fussgängerübergänge auf ihrem Gemeindegebiet gründlich begutachten. Und wo nötig müssen entsprechende Massnahmen getroffen werden. Das heisst, notfalls müssen Fussgängerstreifen verschoben, baulich verändert oder sogar aufgehoben werden. Daraus entstehende Kosten könnten mit Bussengeldern bezahlt werden.