Macht der links-grüne Richtplan Zürich zur Velostadt?
Weniger Parkplätze, mehr Raum für Fussgänger und Velos: Gestern Freitag hat der Zürcher Gemeinderat mit einem sehr deutlichen Mehr von 78 zu 33 Stimmen den neuen Richtplan Verkehr festgesetzt. Die links-grüne Mehrheit hat ihm den Stempel aufgedrückt, die bürgerliche Minderheit will die Vorlage nun vor das Volk bringen.
Quelle: Simone Lütgert, pixelio.de
In der Stadt Zürich soll das Unterwegssein mit dem Velo gefördert und angenehmer werden.
Unter anderem wird mit dem Richtplan Verkehr der Stadt
Zürich der historische Parkplatzkompromiss aus dem Jahr 1996 aufgehoben. Das
heisst, werden oberirdische Parkplätze, aufgehoben, werden sie nicht mehr mit
unterirdischen Parkplätzen kompensiert. Gemäss Antrag der SP heisst es nun, dass
in der Innenstadt und in den citynahen Gebieten „oberirdische Parkplätze
gesamthaft reduziert werden“. Die frei werdenden Verkehrsflächen sollen in
Fussgänger-, Velo-, Grün- oder Aufenthaltsbereiche umgestaltet und auf diese
Weise der Stadtraum aufgewertet werden.
AL und Grüne hätten den Kompromiss am liebsten gleich ganz aufgegeben und den gesamten Abschnitt aus dem Richtplan gestrichen. Sie schwenkten aber, da sie in der Minderheit blieben, am Ende auf den SP-Antrag um. FDP, GLP und EVP hätten eine Reduktion der Parkplätze um maximal zehn Prozent hingenommen, wie dies der Stadtrat beantragt hatte - wenn weitere zehn Prozent der Abstellplätze elektrifiziert worden wären. Die SVP pochte derweil auf dem Erhalt aller Abstellplätze.
Velo, Tempo 30 und Klimaschutzziel von Netto-Null
Zudem hat der Gemeinderat im Richtplan verankert, dass bis
2030 ein Netz von Velovorzugsrouten von mindestens 50 Kilometer Länge erstellt
wird. Diese sollen auch für ungeübte Velofahrer attraktiv sein: Sie sind vom
motorisierten Individualverkehr befreit und in der Regel bei Querungen
vortrittsberechtigt. Damit wird die im September 2020 angenommene Volksinitiative
„Sichere Velorouten für Zürich“ im Richtplan festgeschrieben.
Zürich werde so endlich zu einer Velostadt, befand die Ratsmehrheit. Velowege würden nicht mehr länger irgendwo anfangen und gleich wieder aufhören. Für die SVP und die FDP hätte es hingegen genügt, wenn bloss das Grundsatzziel der Initiative festgehalten worden wäre.
Auf Antrag der links-grünen Seite ist im Richtplan nun unter
anderem auch enthalten, dass sich die städtische Mobilität bis ins Jahr 2030
auf das Klimaschutzziel von Netto-Null-Treibhausgase ausrichten soll und dass
auch auf Hauptstrassen Tempo 30 anzustreben sei. (sda/mai)
Kritik von SVP und FDP, Zufriedenheit bei Links-Grün
Die Vorlage lehnten SVP und FDP ab. Für die FDP wird die Stadt durch Einschränkungen ausgebremst und lahmgelegt, wie Catherine Pauli sagte. Sie kritisierte unter anderem die einseitige Kündigung des historischen Parkplatzkompromisses durch die links-grüne Seite. Die Freisinnigen haben bereits zu Beginn der Debatte angekündigt, das Referendum ergreifen zu wollen. Auch die SVP kritisierte die Stossrichtung des in ihren Augen einseitigen Richtplanes: „Es ist immer wieder nur gegen das Auto gegangen“, hielt Roger Bartholdi fest und verwies auf die Temporeduktionen, Fahrverbote und den Parkplatzabbau.
Derweil ist die links-grüne Seite mit dem Ausgang der
Debatte vom Mittwoch und Freitag zufrieden, die insgesamt etwas mehr als zehn
Stunden dauerte. Der Richtplan stelle „die Abkehr von der extremen Bevorzugung
der Automobilität“ dar, so Olivia Romanelli (AL). Die Menschen in Zürich wollen
weniger Autos, dafür aber mehr Platz, mehr Grün, mehr Begegnungsräume. Niemand
wünsche sich den Parkplatz auf dem Münsterhof zurück. Von einem überzeugenden
Programm von Rot-Grün für einen zukunftsfähigen Verkehr sprach Markus Knauss
(Grüne). Für die SP ist der Richtplan die Voraussetzung für eine lebenswerte
und ökologische Stadt der Zukunft, wie Davy Graf sagte. (sda/mai)