Luzern: Weitere Runde für Streit um Gewerbegebäude im Tribschenquartier?
Dem einst ganz im Stil des Neuen Bauens errichteten Gewerbegebäude im Tribschenquartier in Luzern droht der Abbruch. Der Schweizer und Innerschweizer Heimatschutz wehren sich dagegen und sehen sich vom Bundesgericht darin bestärkt.
Quelle: zVg
Das Gewerbegebäude kurz nach der Fertigstellung 1933.
In der Nacht vom 16. auf den 17. September des Jahres 1932 brannte es in der Luzerner Altstadt: Das Gewerbegebäude am Mühleplatz stand in Flammen, das Feuer zerstörte den Bau vollständig. Damit hatten zwanzig Betriebe ihre Werkstätten verloren. In der Folge schlossen sich ein paar der betroffenen Gewerbetreiber zur „Genossenschaft Gewerbegebäude der Stadt Luzern“ zusammen und beauftragten den Architekten Carl Mossdorf mit einem Ersatzbau auf einem Areal an der Tribschenstrasse. Mossdorf entwarf ein ganz dem Stil des Neuen Bauens verpflichtetes Gebäude.
Obwohl der Bau im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) als ein Bauwerk von „besonderer Bedeutung“ gelistet und mit dem Erhaltungsziel A – es fordert seinen Erhalt - versehen ist, hat die entsprechende Dienststelle der Stadt Luzern laut einem Bericht des Newsportals "Zentral+" vor wenigen Jahren entschieden, den Bau nicht unter Schutz zu stellen.
Keine externen Fachgutachten?
Dies und aber auch sein desolater Zustand dürften unter anderem mit ein
Grund sein, weswegen die Krankenversicherung CSS, seine aktuelle Eigentümerin, schon
länger plant, es abzureissen. An seiner Stelle soll ein Neubau mit 500 Arbeitsplätzen entstehen.
2018 ist die Abbruchbewilligung erteilt worden. Gegen diese erhoben der Innerschweizer Heimatschutz (IHS) und der Schweizer Heimatschutz (SHS) beim Kantonsgericht Beschwerde. Allerdings lehnten die Richter die Beschwerde ab. Die beiden Organisationen zweifelten darauf die Rechtmässigkeit des Verfahrens an: Es seien ungenügende Abklärungen und Feststellungen getroffen sowie keine externen Fachgutachten von den Vorinstanzen eingefordert worden, heisst es in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Auch hat gemäss IHS und SHS keine wirkliche Interessenabwägung stattgefunden.
SHS und IHS zogen den Fall vors Bundesgericht und beantragten die Aufhebung der Abbruchbewilligung sowie die Zurückweisung an das Kantonsgericht, damit es die Sache prüft und ein Gutachten der Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission respektive der Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege einholt.
Heimatschutz: „In der Sache Recht erhalten“
Dieser Tage hat das Bundesgericht nun entschieden. Das heisst, es ist gar nicht erst auf die Beschwerde von IHS und SHS eingetreten. Das Gewerbegebäude darf erst abgerissen werden, wenn auch die Baubewilligung für den Neubau rechtskräftig ist. Die Abbruchbewilligung ist jedoch an die Baubewilligung geknüpft und aus Sicht des Bundesgerichts nur ein Zwischenentscheid, was wiederum ein der Grund ist, weswegen das Gericht auf die Beschwerde des Heimatschutzes gegen die Abbruchbewilligung nicht eingetreten ist.
Dennoch sehen sich die beiden Organisationen in ihrer Kritik bestätigt: Man habe „in der Sache Recht erhalten“, schreiben sie in ihrer Medienmitteilung. Habe doch das Bundesgericht entschieden, dass der negative Schutzentscheid, der in einem einseitigen Verfahren ohne Mitwirkung und Anfechtungsmöglichkeit des Heimatschutzes ergangen war, für die Erteilung der Abbruchbewilligung entgegen der Auffassung der kantonalen Vorinstanzen nicht bindend sei und daher angefochten werden könne. Das Bundesgericht habe ebenfalls zugunsten des Heimatschutzes festgehalten, dass der Verzicht auf Schutzmassnahmen in der Ortsplanung einen Schutz durch Einzelverfügung nicht ausschliesst.
Entscheid erst wenn Baugesuch vorliegt
Wie SHS-Präsident Martin Killias gegenüber der Luzerner Zeitung erklärte, ist man in Lausanne nur deshalb nicht auf die Beschwerde eingegangen, weil das Verfahren falsch aufgegleist worden ist. Der endgültige Entscheid könne erst dann fallen, wenn ein Baugesuch vorliege, so Killias gegenüber der Zeitung. In einem solchen Fall würde der Heimatschutz laut Killias Einsprache einreichen. Beim SHS ist man „nach wie vor von der hohen Schutzwürdigkeit des Gebäudes überzeugt“. (mai)
Denkmalschützerisches und ingenieurtechnisches Gutachten
Der IHS hat zusammen mit den Zentralschweizer Sektionen vom Bund Schweizer Architekten, Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein, Verband freierwerbender Schweizer Architekten sowie dem Schweizerischen Werkbund zwei unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben. Bei dem einen geht es um den ingenieurtechnischen, kulturellen Wert und um die Leistungsfähigkeit der Eisenbetonkonstruktion respektive des Gebäudes. Das andere untersucht denkmalpflegerische Aspekte.
Die Autoren beider Papiere sind sich darin einig, dass es sich bei dem Werkgebäude um einen besonderen Zeugen des Neuen Bauens handelt. Das denkmalpflegerische Gutachten attestiert dem Bau „eine äusserst funktionelle Architektur“. Deren Ziel, kostengünstige, praktisch nutzbare Werkstatträume bereitzustellen, ist laut dem Papier „mit Bravour“ erreicht worden. „Kompromisslos und konsequent wurden am Gewerbegebäude die Grundsätze der Moderne vorbildlich und wegweisend umgesetzt.“
Damit die wesentlichen Merkmale des Gebäudes erhalten bleiben können, wird in den Gutachten dazu geraten, das Gebäude wo möglich wieder in seinen Originalzustand zu versetzen und dabei seine städtebauliche Wirkung als Solitär miteinzubeziehen.
Zudem kommt das ingenieurtechnische Gutachten unter anderem zum Schluss, dass die Tragfähigkeit der Eisenbetonkonstruktion ein grosses Potenzial aufweise, was künftige Nutzungen anbelangt: Verstärkungen des Tragwerks seien nicht notwendig. Zudem wird empfohlen im Hinblick auf eine weitere, nächste Nutzung den Zustand der Fassaden genauer zu untersuchen. (mai)
Weitere Informationen zum Gebäude und Links auf die Gutachten auf www.gewerbegebaeude.ch