Ohne Wasser keine Hitzeminderung im Siedlungsgebiet
Nehmen Hitzeperioden und lokale Starkregen zu, stösst die traditionelle Siedlungsentwässerung an ihre Grenzen. Dem könnten Konzepte aus blau-grüner Infrastruktur abhelfen und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern. Dies zeigt eine Studie der Eawag.
Quelle: Joachim Kohler Bremen, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Sorgt an heissen Sommertagen führ Kühlung und Schatten: der MFO-Park in Zürich Oerlikon.
Dass Hitze- und Trockenperioden künftig auch in der Schweiz länger anhalten und intensiver sein werden, darin sind sich alle Klimamodelle einig. Wegen der steigenden Temperaturen werden allerdings auch heftige Regenfälle zunehmen, was die Siedlungsentwässerung laut Eawag vor grosse Probleme stellt.
Fast ein wenig als „Allerweltsheilmittel“ gegen beide Tendenzen werde zurzeit der Begriff der Blau-Grüne Infrastruktur (BGI) gehandelt, schreibt die Eawag. Unter BGI werden städtische Grün- und Wasserflächen verstanden, inklusive Bäume sowie begrünter Dächer und Fassaden. Weil solches das Wasser zurückhält und verzögert, dass es abgegeben wird, spricht man gelegentlich in diesem Zusammenhang auch von der „Schwammstadt“. Oder aber – noch weiter gefasst – von naturnahen Lösungsansätze oder Nature Based Solutions (NBL)..
Wenn ein einzelner Baum noch keine BGI ausmacht
Ein modernes Verständnis von BGI bedeutet, dass darunter nicht nur ein einzelner Baum oder ein Springbrunnen im Park verstanden wird, sondern auch, dass dahinter eine strategische Planungsabsicht steckt und das Potenzial von BGI zur Verbesserung der Ökologie erfasst wird.
Ein möglichst naturnaher Wasserkreislauf mit Bachläufen und offenen Wasserflächen im Siedlungsraum spiele daher eine wichtige Rolle in allen BGI-Konzepten, heisst es bei der Eawag. Dies insbesondere deshalb, weil verdunstendes Wasser klar der vorherrschende Kühlungsmechanismus ist und weil Gewässer als Vernetzungs- und Wanderkorridore im Siedlungsgebiet für die Biodiversität sorgt.
Bewässerung von Oberflächen, Grünräume und Kaltluftkorridore
Wie eine vom Wasserforschungsinstitut Eawag durchgeführte Analyse zur Literatur über zu blau-grüner Infrastruktur zeigt, bieten vor allem multifunktionale Anlagen Chancen: Die beteiligten Forscherinnen und Forscher haben dazu nicht nur die Vegetation und Wasserflächen unter die Lupe genommen, sondern auch spezielle Oberflächen wie wasserdurchlässigen Asphalt. Ebenso haben sie auf Kühlung ausgerichtete Massnahmen – zum Beispiel die Förderung von Kaltluftkorridoren - untersucht und bezogen auf ihr Potenzial klassifiziert.
Dabei zeigte sich, dass die Bewässerung von Oberflächen und Grünflächen aber auch Kaltluftkorridore am effizientesten kühlen. Besonders attraktiv sind laut dem Forschungsteam städtische Feuchtgebiete: eine Kombination von Vegetation und offenen Wasserflächen. Sie bieten der Bevölkerung einerseits einen kühlen Grünraum, andererseits leisten sie einen Beitrag zur Artenvielfalt. „Diese Multifunktionalität der Anlagen wurde bisher oft ignoriert“, sagt Peter Bach, von der Eawag-Abteilung Siedlungswasserwirtschaft.
Erste Kantone und Städte mit Strategien zur Hitzeminderung
Während die Siedlungsentwässerung oft bereits vor Jahren geplant wurde, fehlt es laut Eawag an vielen Orten am integralen Ansatz für die blau-grüne Infrastruktur. „Es werden zwar isoliert Massnahmen evaluiert, aber dass ein ganzes Konzept Eingang findet in bestehende Planungen, ist die Ausnahme“, heisst es in der Medienmitteilung.
Immerhin: Mittlerweile haben erste Kantone Klimaanpassungs- oder Hitzeminderungsstrategien erstellt, zum Beispiel Genf, Luzern oder der Kanton Aargau. Zudem sind in einzelnen Städten Fachplanungen vorangetrieben worden, dies gilt etwa für die Hitzeminderung Stadt Zürich oder den Rahmenplan Stadtklima Winterthur.
Die Instrumente seien aber bisher kaum in Gesetzen,
Verordnungen und Normen verankert, kritisiert die Eawag. Ebenso seien
Förderprogramme noch eine Seltenheit. Dabei sei es wichtig, den absehbaren
Problemen aus Klimawandel und Innenverdichtung jetzt zu begegnen. Studienautor Peter
Bach dazu: „Ohne integrale Berücksichtigung von BGI werden wir den
Anforderungen an die Siedlungsentwässerung nicht mehr gerecht.“ (mgt/mai)
Mehr zur Studie lesen Sie hier: www.aquaetgas.ch