Hilfswerke wehren sich gegen Privatisierung der Armutsbekämpfung
Armutsbekämpfung dürfe nicht privatisiert werden, forderte Caritas-Direktor Hugo Fasel am Montag vor den Medien in Bern. Die Bundesverfassung sei klar: Menschen in Not hätten ein Recht auf Unterstützung und ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. «Wir wollen nicht zurück zum Almosenstaat.» Die Existenzsicherung sei Sache des Staates.
Fasel sieht die Sozialpolitik in der Schweiz vor neuen Herausforderungen. Während «alte Risiken» wie Alter, Invalidität, Krankheit oder Arbeitslosigkeit vom Sozialstaat gedeckt würden, fänden Themen wie Aussteuerung und Working Poor keinen Eingang in den «Risikokatalog». Dabei würden alleine dieses Jahr 40'000 Menschen ausgesteuert, rief Fasel in Erinnerung.
Weniger Zeit für Begleitung
Vor den Medien orteten die Vertreter der Caritas, dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) und der Heilsarmee insgesamt eine beunruhigende Entwicklung in der öffentlichen Sozialhilfe. Belegt wird dies auch durch eine Studie, die sie bei der Fachhochschule Nordwestschweiz in Auftrag gegeben haben. Unter dem Spardruck fehle den Sozialdiensten immer häufiger die Zeit für eine längerfristige Begleitung und Betreuung, lautet das Fazit der Studie. Hilfesuchende würden zudem ungenügend über ihre Rechte und Pflichten informiert. Gleichzeitig hätten die Hilfswerke ihre Angebotspalette ausgeweitet.
Politischer Druck wirkt
Nicht ohne Folgen bleibt auch der politische Druck. Sozialarbeiter nutzten in vorauseilendem Gehorsam ihren Ermessensspielraum zu Gunsten der Betroffenen bisweilen nicht aus, sagte Studienleiter Carlo Knöpfel. Sie hätten Angst, dass die Leistungen weiter gekürzt würden. Von einer systematischen Abschiebung von Fällen an die Hilfswerke kann laut Knöpfel zwar nicht die Rede sein. Wo die Sozialdienste ihren Auftrag nicht wahrnehmen, suchten die Betroffenen aber Hilfswerke auf. Diese seien in der Armutsbekämpfung nicht mehr wegzudenken.
Leistungsverträge an Hilfswerke
Für Daniel Röthlisberger, Leiter Sozialwerk bei der Heilsarmee, ist klar, dass die Hilfswerke die Situation nicht alleine lösen könnten. Dabei kritisierte er die unklare Rollenverteilung. Es müsse besser koordiniert werden, welche Aufgaben der Staat, Hilfswerke, Betroffene und auch die Wirtschaft wahrnähmen.
Eine Möglichkeit sieht die stellvertretende SRK-Direktorin Christine Kopp darin, dass die öffentliche Hand Leistungsverträge an Hilfswerke vergibt. Dies könnte etwa in Bereichen geschehen, in denen die Organisationen Dienstleistungen erbringen, die nicht bereits von staatlichen Stellen abgedeckt werden. (sda/nsi)
Die gesamte Studie «Hilfswerke und öffentliche Sozialhilfe – von der Komplementarität zur Subsidiarität?» finden Sie hier (Pdf, 54 Seiten).