Freispruch trotz Schuld für privaten Sicherheitsangestellten
Eine Gruppe Jugendlicher verbrachte am 12. Juni 2015 unter einer Brücke in Aarberg BE einen gemütlichen Abend. Gegen 23 Uhr kontrollierten ein 32-jähriger Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma Broncos und seine Arbeitskollegin die Gruppe und fragten nach dem Ältesten. Als sich dieser meldete, forderte der Sicherheitsmann ihn auf, den Personalausweis zu zeigen. Der Jugendliche ist davon ausgegangen, dass der Uniformierte die Kontrolle durchführen dürfe – auch dann noch, als ein Kollege aus der Gruppe intervenierte.
Das Gespräch verlief laut dem Jugendlichen normal und ruhig. Daraufhin erwiderte der Sicherheitsangestellte, er müsse die Jugendlichen vom Platz verweisen, falls der Ausweis nicht gezeigt werde. Der Jugendliche gehorchte und der private Sicherheitsmitarbeiter fotografierte die ID mit seinem Mobiltelefon.
Als die Eltern des Jugendlichen von der Geschichte erfuhren, reichten sie Anzeige wegen Amtsanmassung gegen den Mitarbeiter der Broncos ein. Denn die Androhung von Zwang ist eine Amtshandlung und somit der Polizei vorbehalten. Nun kam es vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Biel zur Verhandlung. Bevor sich Gerichtspräsidentin Sonja Koch zwecks Urteilsfindung zurückzog, sagte sie: «Das wird nicht einfach und könnte länger dauern, da die rechtliche Ausgangslage schwierig ist.»
Gleichzeitig schuldig und unschuldig
Eigentlich wäre die Situation klar: Das Gericht sprach den Angeklagten grundsätzlich schuldig. «Der Beschuldigte griff in unzulässiger Weise in die Persönlichkeitsrechte des Privatklägers ein, indem er diesem keine andere Wahl liess, als seine Identität preiszugeben», steht im Strafbefehl. Für Gerichtspräsidentin Koch hatte der Mitarbeiter der Broncos also tatsächlich unerlaubterweise eine Amtshandlung vorgenommen, die allein der Polizei zusteht. Somit ist der objektive Tatbestand erfüllt.
Doch die Gemeinde Aarberg hatte der Broncos Security AG den Auftrag erteilt, an bestimmten Orten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Und genau dies habe der Beschuldigte getan. Der Mann habe nicht willentlich und wissentlich gehandelt. «Er meinte, er darf das, er hat sich auf die Rechtmässigkeit und die Zuständigkeit der Gemeinde verlassen», sagte Gerichtspräsidentin Koch. Somit sei der subjektive Tatbestand nicht erfüllt und der Angeklagte wurde freigesprochen. Er erhält eine Entschädigung von rund 4300 Franken, die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons.
Polizisten fordern Regulierung der Sicherheitsbranche
Das Urteil befeuert die laufende Diskussion um das staatliche Gewaltmonopol und private Sicherheitsdienste (mehr dazu im Artikel «Kampf um die Gewalt im Staat», Kommunalmagazin 4/2016).
Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) sagt: «Das Urteil ist wegweisend und stellt klar: Das Gewaltmonopol darf nicht an private Sicherheitsfirmen delegiert werden – und das ist gut so!» Sie ergänzt: «Anders als private Sicherheitsunternehmen ist die Polizei eine Behörde deren Aufbau und Einsatz direkt durch die Gesetzgebung legitimiert und reglementiert ist. Nicht so die privaten Sicherheitsdienste. Hier fehlt zurzeit eine gesamtschweizerische Regelung.»
(aes/mgt; mit Material der «Berner Zeitung»)