18:38 KOMMUNAL

Fahrradverkehr: Was braucht es für mehr Abstand zwischen Auto und Velo?

Teaserbild-Quelle: Mikita Yo, Unsplash

Wie gefährlich ist es, wenn ein Auto ein Velo überholt? Darum ging es in einem schweizerisch-deutsch-österreichischen Forschungsprojekt, für welches Fachleute 7000 Überholvorgänge analysiert haben. Aus den gewonnen Erkenntnisse leiteten sie konkrete Empfehlungen ab, wie der Veloverkehr sicher auf beengten Hauptstrassen geführt werden kann.

Velo (Nahaufnahme)

Quelle: Mikita Yo, Unsplash

Wer in der Stadt in die Pedale treten und sicher vorwärtskommen will, ist oft mit beengten Strassenverhältnissen konfrontiert.

Damit Städte und Gemeinden von mehr und von einem flächendeckenden Fahrradverkehr profitieren können, brauchen sie ein durchgehendes, qualitativ hochwertiges Velonetz. Allerdings bieten Strassenquerschnitte auf Hauptstrassen oft zu wenig Platz, um den Veloverkehr klar vom Autoverkehr zu trennen. Fehlen dann auch noch Ausweichrouten sorgt dies für Lücken im Velonetz. Die Folge: An solchen Punkten nehmen die Konflikte zwischen den jeweiligen Verkehrsteilnehmern zu. 

Ein länderübergreifende Forschungsprojekt

 Das länderübergreifende Forschungsprojekt «RADBEST» unter der Leitung der Salzburg Research Forschungsgesellschaft ist solchen Situationen nun auf den Grund gegangen: Mit Hilfe modernster Technik – unter anderem mit sogenannten genannten Open Bike Sensoren sowie mit stationären und mobilen Laser-Systeme (LiDAR – Light Detection and Raging) und Kameras - .analysierte ein Team unter Leitung von Sven Leitinger vom auf Bewegungsdatenanalyse spezialisierten Forschungsinstitut Salzburg Research die Situationen auf Strassenabschnitten in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Insgesamt sind 7000 Überholvorgänge auf 22 Teststrecken untersucht. In der Schweiz befanden sie sich in Zürich, Gais, Teufen und Sachseln; in Deutschland etwa in Singen, Karlsruhe und Stuttgart sowie in Österreich unter anderem in Wien und Klagenfurt  Laut Medienmitteilung von Salzburg Research sind mit dem Projekt erstmals auf diese Weise umfassende Daten zur Verkehrssituation und wie sich diese auf Radfahrer auswirkt, erhoben worden. 

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse entwickelte das Team um Leitinger konkrete Empfehlungen, wie das Radfahren auf Hauptstrassen mit beengten Verhältnissen sicherer und komfortabler gestaltet werden kann. So zeigten die Analysen laut Leitinger, das es bei Strassen mit beengten Verhältnissen eine «deutlichere Sprache der Infrastruktur» sowie je nach dem «restriktive rechtliche Massnahmen» braucht, um einen den Mindestüberholabstand zu gewährleisten. Schliesslich ist der Abstand, den ein Autofahrer beim Überholen eines Fahrrads einhält massgebend für die Sicherheit und den Komfort für diejenigen, die mit dem Velo unterwegs sind. 

«Mediane der Überholabstände bei fast allen Teststrecken zwischen 1,0 und 1,3 Metern»

Im Ortsgebiet wird ein Überholabstand von 1,5 Metern als sicher empfunden, auch das zeigte die Studie. Deshalb lag ein besonderer Schwerpunkt des Forschungsprojekts auf der objektiven Ermittlung der tatsächlichen Überholabstände. So zeigten die umfangreichen Feldtests, dass auf schmalen, beengten Strassen eine herkömmliche Radfahrinfrastruktur – das heisst ein Mischverkehr von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern ohne Veloinfrastruktur – meist nicht zum gewünschten Überholverhalten führt. 

«Trotz unterschiedlichster Charakteristika liegen die Mediane der Überholabstände bei fast allen Teststrecken zwischen 1,0 und 1,3 Metern und damit unter dem in Österreich und Deutschland geltenden Mindestüberholabstand von 1,5 Metern», sagt Leitinger. Bei den Testfahrten mit dem Forschungsfahrrad wurden auch Distanzen und Geschwindigkeiten zwischen Auto und Fahrrad zu unterschiedlichen Zeitpunkten – in der Annäherung, beim Ausscheren und beim Vorbeifahren – erhoben. «Insbesondere bei Teststrecken mit höheren Verkehrsmengen kam es zu knapperem Auffahren der Kraftfahrzeuge, längerem Hinterherfahren mit kleinem Abstand, risikobereiteren Überholmanövern und gefährlicherem Wiedereinscheren vor den Fahrradfahrenden», resümiert Leitinger. 

Das Forschungsteam beobachtete auch, dass es für Hauptverkehrsstrassen mit zu wenig Platz für herkömmliche Veloinfrastruktur keine optimale Lösungen gibt. Fest steht aber, dass es für die Entschärfung schwieriger Situationen zentral ein ausreichend grosser Abstand beim Überholen zentral ist, oder aber dass Überholmanöver gar nicht erst stattfinden. Bei Strassenbreiten zwischen 6,5 und 9,5 Metern raten Leitinger und seine Kollegen zu breiteren Radstreifen schmaleren Kernfahrbahnen sowie zu Tempo 30. Für noch engere Strassenabschnitte empfehlen sie, auf  Mischverkehr mit einer Maximalgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern zu setzen und mit zusätzlichen Markierungen - etwa Piktogrammen – für mehr Sichtbarkeit der Velofahrer zu sorgen. 

Überdies stellten sie konkrete Empfehlungen zu rechtlichen Aspekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen. Ausserdem lieferten sie Vorschläge für asymmetrische Radverkehrsführung, bei punktuellen Engstellen und in Einrichtungsfahrbahnen. Des weiteren erarbeiteten sie Vorschläge für partizipative Prozesse zur Einbindung relevanter Akteure. 

«RADBEST» als Grundlage für die praktische Umsetzung in Städten

Die Handlungsempfehlungen sollen gemäss Medienmitteilung als wichtige Grundlage für die praktische Umsetzung in Städten und Gemeinden in der D-A-CH-Region dienen. Ziel sei es, bestehende Netzlücken zu schliessen und den Radverkehr sicherer und attraktiver und den Verkehr insgesamt klimafreundlicher zu gestalten. 

 «RADBEST»wird im Rahmen der D-A-CH Kooperation für Verkehrsinfrastrukturforschung vom Schweizer Bundesamt für Strassen (ASTRA), vom Österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz (BMK, und vom Deutschen Bundesministerium für Digitales und Verkehr finanziert. (mai/mgt)

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt und Studie zum Download auf https://srfg.at/radbest-endbericht


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