09:04 KOMMUNAL

Elektrofahrzeuge: Lärm vs. Sicherheit?

Teaserbild-Quelle: Marcel Müller

Elektrofahrzeuge sind sehr leise. Was lärmempfindlichen Menschen gefällt, ist im Strassenverkehr etwa für Menschen mit Sehbehinderung gefährlich. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) hat die Geräuscharmut im Spannungsfeld von Lärmbelastung und Verkehrssicherheit analysiert.

Elektrofahrzeug in Rüschlikon

Quelle: Marcel Müller

In der Zürcher Seegemeinde Rüschlikon sind Werkhofmitarbeiter bereits seit mehreren Jahren auf leisen Sohlen – oder besser gesagt Motoren – unterwegs.

Im Mai 2008 wurde ein achtjähriger Junge in den USA von einem Hybridfahrzeug angefahren, das er nicht rechtzeitig bemerkt hatte. Der Knabe kam mit leichten Verletzungen davon. Durch die Berichterstattung auf dem Fernsehsender CNN wurde dieser Unfall beziehungsweise die Geräuscharmut von Elektrofahrzeugen als Unfallursache dadurch aber zur weltweiten Diskussion.

Weniger Lärmbelastung

Gleichzeitig ist auch der Lärm ein häufig diskutiertes Problem in modernen mobilen Gesellschaften. Elektrofahrzeuge könnten zu dessen Verminderung einen Beitrag leisten. Bei Nutzfahrzeugen mit Elektromotor, wie sie in Gemeinden immer häufiger anzutreffen sind (siehe auch «Elektro geht (fast) überall»), fällt der Lärmunterschied ganz besonders ins Gewicht.

Kausalität noch nicht nachgewiesen

Nun hat sich die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) mit der Geräuscharmut von Elektrofahrzeugen im Spannungsfeld von Lärmbelastung und Verkehrssicherheit befasst und eine Kurzanalyse dazu publiziert.

In ihrer Analyse ist die BFU zum Schluss gekommen, dass der Nachweis eines erhöhten Unfallrisikos für Elektrofahrzeuge, das eindeutig auf die geringere Geräuschentwicklung zurückzuführen ist, noch nicht definitiv vorliege. Es fehle der Nachweis der Kausalität zwischen Unfallgeschehen und Geräusch.

Geräusche künstlich generieren

Doch fehlender Nachweis hin oder her, die Politik hat bereits reagiert: Da geräuscharme Elektrofahrzeuge besonders für Sehbehinderte und Blinde schwer wahrzunehmen sind, wurden in Japan, den USA und in Europa schon entsprechende Regelungen eingeführt.

Ab September 2019 müssen in den USA alle Neufahrzeugemit einem elektrischen Antrieb einen Geräuschgenerator haben. Auch in Europa wird künftig ein akustisches Fahrzeugwarnsystem verlangt. Das betrifft alle Elektro- und Hybridfahrzeuge, die ab dem 1. Juli 2019 die Typengenehmigung beantragen.

Der Bundesrat beabsichtigt, die Vorschrift in der Schweiz zeitgleich in Kraft zu setzen, wie er 2015 in der Antwort auf eine entsprechende Interpellation festhielt.

Bestehende Elektrofahrzeuge nachrüsten?

Dass Elektrofahrzeuge künftig mit akustischen Fahrzeugwarnsystem ausgerüstet sein müssen, wird in der Kurzanalyse der BFU im Hinblick auf die Gefahren für Menschen mit Sehbehinderungen als «sehr sinnvoll» eingestuft.

Die Begrenzung von maximal 75 Dezibel bei zwei Metern Abstand, die für die künstlichen Geräuschemissionen festgelegt wurde, sollte für Sehbehinderte in den meisten Situationen kein Problem sein, so die BFU-Analyse. Allerdings könnten die minimalen Werte in verkehrsintensiven Situationen zu tief sein. Erfreulich sei dafür, dass bereits heute etliche Fahrzeughersteller – teilweise optional – ein künstliches Geräusch in ihre Fahrzeuge einbauen.

Da das künftige Obligatorium nur für neue Elektrofahrzeuge gilt, ermutigt die BFU heutige Käufer von Hybrid- und Elektrofahrzeugen, Geräuschgeneratoren nachzurüsten. (nsi/mgt)

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