15:24 KOMMUNAL

Einstellhallen in Hanglage: Geradeaus in die Tiefe

Geschrieben von: Manuel Pestalozzi (mp)
Teaserbild-Quelle: Manuel Pestalozzi

Hanglagen eignen sich für den Bau unterirdischer Einstellplätze. In zentrumsnahen Lagen können sie sogar Menschen ohne Fahrzeug von Nutzen sein – beispielsweise als wettersichere Abkürzung oder zur sommerlichen Abkühlung. Der Raum Zürich zeigt diesbezüglich ein interessantes Potenzial.

Olgastollen Bahnhof Stadelhofen

Quelle: Manuel Pestalozzi

Der «Olgastollen» verbindet die Gegend des Bahnhofs Stadelhofen mit dem Parkhaus Hohe Promenade und dem Heimplatz, an dem das Kunsthaus und das Schauspielhaus liegen.                

Der Stadtkern von Zürich schmiegt sich auf der rechten Seite der Limmat an den Hang des Zürichbergs. Auf beiden Seiten des Flusses erheben sich Moränenhügel. So gibt es im Zentrum verschiedene Hänge, die sich aushöhlen und als grosse Kavernen nutzen lassen. Mit dem Aufkommen des Automobils als Massenverkehrsmittel wurde dies an verschiedenen Orten getan. 

Auch an der Huttenstrasse am mittleren Zürichberg, an der ich aufgewachsen bin und heute noch lebe. Sie ist 560 Meter lang und folgt in etwa den Höhenlinien. Bis in die 1940er-Jahre war sie «fertiggebaut»; in meinen 60 plus Lebensjahren entstand gerade mal ein neues Haus an ihr. In den 1990er- und 2000er Jahren wurden aber auf der Hangseite und am südöstlichen Strassenende drei Einstellhallen in den Hang gelegt. Sie liegen unter Gartengrundstücken und sind entsprechend gut getarnt.

Kleine persönliche Anekdote

Am südöstlichen Ende, wo die Huttenstrasse auf die quer zum Hang verlaufende Schmelzbergstrasse stösst, wurde zwischen 1941 und 1946 eine Überbauung mit Wohnungen für den gehobenen Mittelstand gebaut. Um dessen Ansprüchen gerecht zu werden, ergänzte man sie mit einer dreigeschossigen Einstellhalle, inklusive Tankstelle und Reparaturwerkstätte. Eine interne Rampenanlage erschliesst die Ebenen, eine Terrassierung bringt Tageslicht ins Innere, das angrenzende Wohnhaus nutzt den Grünraum auf dem Dach. Diese frühe Tiefgarage im Hang, die praktisch unverändert bis heute fortbesteht, hatte Pioniercharakter. 1951 widmete ihr die Schweizerische Bauzeitung einen mehrseitigen, reich bebilderten Artikel.

Parkgarage Huttenstrasse Schmelzbergstrasse 1951

Quelle: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich/Wolf-Bender's Erben

Die Aufnahmen der Parkgarage bei der Einmündung der Huttenstrasse in die Schmelzbergstrasse stammen aus dem Jahr 1951. Die weissen Wände der Halle waren mit blauen Wandmalereien geschmückt.

Für uns Kinder war der Vorplatz der Garage ein wichtiger Treffpunkt und Aufenthaltsort. Werktags war das Tor zur Einstellhalle stets offen, wir gingen hier unbekümmert ein und aus. In der westlichen, hangseitigen Ecke der Halle gab es eine einsame Nottreppe, die in den oberen Teil der Überbauung führte, von der man die höher gelegene Quartierstrasse erreichen konnte. Unter dem ersten Treppenlauf legte ich als Siebenjähriger mit einem Freund ein Geheimdepot an – für den Fall der Fälle. Wir lagerten dort Comichefte, Süssigkeiten und eine Flasche Brauselimonade, in der Überzeugung, hier, in der Tiefe, sämtliche Katastrophen überleben zu können. Aus diesem Versteck gab es zwei Fluchtrichtungen, denn die Treppe bindet die Halle ins öffentliche Wegnetz ein.

Parkhaus Urania

Quelle: Manuel Pestalozzi

Das Portal des Parkhauses Urania ist eine begrünte Skulptur aus Rampen und Balkonen. Am Zugang befindet sich ausserdem ein kleines Restaurant.

Einfahrt im künstlichen Tal

Die bekanntesten Zürcher Parkhäuser im Hang stehen in einem engen Zusammenhang mit der Modifizierung des natürlichen Terrains im Stadtzentrum nach der Entfernung der Befestigungsanlagen. So auch das Parkhaus Urania. Die Moränenhügel, welche den Zürichsee abschliessen, waren dem Verkehr in der schnell wachsenden Stadt hinderlich. Ohne denkmalschützerische Skrupel gruben sich die Baufachkräfte durch archäologisch befrachtetes Erdreich. Für die Uraniastrasse musste direkt links der Limmat der Oetenbachhügel mit seinem Kloster dran glauben. 

Unter der Leitung des Stadtarchitekten Gustav Gull wurde um 1900 zugunsten dieser neuen Querachse ein künstliches Tal geschaffen, Gull plante eine Brücke über die Limmat, eine Brücke über das künstliche Tal, ausgedehnte Bauten der städtischen Verwaltung und eine Sternwarte. An der Südflanke, unter der Hügelkuppe mit dem historischen Lindenhof, bestand danach während Jahrzehnten eine durchgrünte Leerstelle. Im Zweiten Weltkrieg wurde auf der Anhöhe ein Rundbunker erstellt – als Fluchtort. Nach einer kurzen Episode als Autonomes Jugendzentrum (AJZ) im Jahr 1968 musste er einer grösseren Anlage weichen, einer Kombination Schutzraum / Tiefgarage. Sie wurde von Henauer Bauingenieure und Stücheli Architekten geplant, 1974 vollendet und in den letzten Jahren farblich und lichttechnisch von Schäublin Architekten aufgefrischt.

Der Eingang des Parkhauses an der Uraniastrasse ist eine veritable Raumskulptur. Sie integriert Zu- und Ausfahrtsrampen, Grünräume und eine Treppe zum Lindenhof in die historische Umgebung. Die architektonische Qualität ist bemerkenswert, selten kommt es vor, dass Diskretion, Monumentalität und gestalterischer Eigensinn so überzeugend harmonieren. Für den Fussverkehr gibt es als Trottoirverzweigung eine sanft geschwungene Zugangsrampe. Sie führt unter einem Vordach tangential am Eingang vorbei. An diesem Flanierbalkon, der sogar einen direkten, schnellen Zugang zu Gratis-WCs gewährt, liegt auch ein kleines Restaurant.

Die siebengeschossige Einstellhalle besteht aus geneigten Decks, die neben der Erschliessungsspirale auf der Eingangsseite ein weitgehend durchgängiges Raumkontinuum über alle Ebenen darstellt. In der Nordost- und der Nordwestecke verlaufen Vertikalerschliessungen für den Fussverkehr. Zuoberst führen die Treppenhäuser in die Gärten der angrenzenden Uferbebauung der Altstadt, die «Schipfe», und von dort in die lauschige Parkanlage auf dem Dach des Parkhauses. Diese informellen Ausgänge stellen eine Verbindung von der Uraniastrasse zum Lindenhof her. Einer führt in einen privaten Aussenraum, worauf man unter Umständen von den Anwohnerinnen und Anwohnern aufmerksam gemacht wird. Auch in diesem Fall ist die unterirdische Garage eine potenzielle Wegverbindung in der Stadt.

Vom Stadelhofen zum Kunsthaus

Dass Parkgaragen nicht nur Ruhestätten für Fahrzeuge, sondern auch Wandergebiete im Berg sein können, weiss Marie-Anne Lerjen. Die Spazierkünstlerin führt seit 2011 ihre Agentur für Gehkultur (lerjentours.ch) und organisiert erfahrungsreiche Spaziergänge. «Auch eine Tiefgarage ist ein Spaziergang wert», bestätigt sie, «surreale Atmosphären, Höhlenzeichnungen (z. B. Wandsprayereien von Harald Naegeli) oder zufällige Arrangements – beim Absteigen ins Untergeschoss habe ich bereits einiges entdeckt», erzählt sie.

Ohne Abstieg ins Untergeschoss verläuft eine Wanderung durch das Parkhaus Hohe Promenade auf der rechten Limmatseite, am östlichen Rand der Altstadt von Zürich. Die Autos erreichen es von der Rämistrasse, entweder über eine Brücke oder direkt durch eine Einfahrt in der hohen Stützmauer, welche sie östlich begrenzt. Wie die Uraniastrasse ist auch die Rämistrasse der Optimierung des Verkehrs im 19. Jahrhundert geschuldet, sie verbindet das Bellevue am Seebecken mit dem Hangplateau am Heimplatz, wo sich das Kunst- und das Schauspielhaus befinden. 

Auch hier stand der Strassenführung ein Hügelzug im Weg. Der «Durchstich» fand 1836 statt, knapp 100 Jahre später entstand im Zuge einer Verbreiterung die Stützmauer, hinter der sich die Erschliessungsrampen der fünf Ebenen der Einstellhalle verstecken. Diese Ebenen befinden sich östlich der historischen Kantonsschule, die auf der Hohen Promenade thront. Das Parkhaus, dessen Dach als Spielwiese der Kantonsschule dient, wurde zwischen 1964 und 1968 realisiert. Architekt und Ingenieur war Gottfried Schindler, der unter anderem wegen seiner Schutzbauten und Kleinbunker aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung ist.

Das Parkhaus erhielt auch von Süden her einen Zugang, von der Olgastrasse her, die oberhalb des S-Bahnhofs Stadelhofen verläuft. Es bietet daher für den Fussverkehr in Ansätzen eine geschützte Verbindung zwischen dem Bahnhof und der Gegend des Heimplatzes. Eine massentaugliche Variante ist aktuell im Zusammenhang mit dem Ausbau des Universitätsspitals und der Universitätsgebäude oberhalb des Heimplatzes im Gespräch. Beim letzten Ausbau des Parkhauses durch Schindler Magdeburg Architekten von 2010 – 2011 wurde der «Olgastollen» in eine geradezu nobel wirkende Passage für den Fussverkehr umgebaut. Auch der Zutritt an der Rämistrasse, ein längerer, sanft ansteigender Korridor, erhielt eine signifikante gestalterische Aufwertung.

Heute muss man sich für die Wanderung unter der Hohen Promenade hindurch noch mit etwas Geduld wappnen; wenn man vom Stadelhofen in den Berg will, ohne zuvor ein Auto eingeparkt zu haben, findet man sich vor einer regungslosen Glasschiebetür; es mag einige Minuten dauern, bis jemand aus der Gegenrichtung heranschreitet oder jemand im kleinen Vorhof einen Parkschein vor das Lesegerät hält und die Glasflügel zurückweichen. Doch die Geduld wird belohnt: Der unterirdische «Promenadencharakter» der Zugänge weist neben den gut ausgeleuchteten, mit einem Farbkonzept strukturierten Parketagen auf eine gewollte Optimierung der Aufenthaltsqualität hin.

Zentrumsüberbauung von Geroldswil

Quelle: Manuel Pestalozzi

Der Dorfplatz der Zentrumsüberbauung von Geroldswil (ZH) ist über eine Freitreppe zu erreichen. Er befindet sich auf dem Dach der ebenerdigen Einstellhalle.

Vom Luftschutz zum Klimaschutz

Ein erwähnenswerter, städtebaulich überzeugender Export des Stadtzürcher Parkhaustyps im Hang befindet sich etwas weiter flussabwärts am rechten Limmatufer, in Geroldswil. Architekt Jakob Schilling entwarf für die Vorortsgemeinde eine Zentrumsüberbauung, die bis 1976 fertiggestellt wurde. Unter dem zentralen Dorfplatz ordnete er die Einstellhalle so an, dass sie Teil des öffentlichen Wegnetzes wird: Eine breite Freitreppe führt neben der strassenebenen Garageneinfahrt auf den Platz, der auch das Garagendach ist, eine weitere Treppe und ein Lift verbinden die Garage im hinteren Teil mit der darüberliegenden Ebene. Gerade der Lift macht aus der Einstellhalle eine willkommene Verbindungsstrecke zwischen der Platz- und der Strassenebene, die beide Gastronomiebetriebe und Einkaufsmöglichkeiten bieten.

Wie das Parkhaus Urania deutlich macht, sind unterirdische Garagen oft mit Schutzräumen kombiniert. Im Zweiten Weltkrieg dachte man vor allem an den Luftschutz, seit die Menschen in Kiew oder Charkiw in die Metro flüchten, ist dieser Gedanke wieder stärker präsent. Neben dem Luftschutz können Räume unter der Erde aber auch zum Klimaschutz beitragen. Wenn es richtig heiss wird, ist es dort nämlich merklich kühler.

Es ist deshalb nicht abwegig, sich über die Einrichtung von kühlen Aufenthaltszonen in Parkgaragen ernsthaft Gedanken zu machen. Gerade zentral gelegene, von der Strasse direkt zugängliche Kavernen würden sich dazu eigentlich gut eignen. Eine ausgezeichnete Kandidatin für ein entsprechendes Konzept wäre das Parkhaus Central am Westrand der Altstadt, das die Stadt 2021 schloss. Es wurde 1943 als Schutzraum gebaut, wiederum hinter einer von Zürichs zahlreichen Stützmauern. 

Die geräumige Kaverne bot nur wenige Parkplätze, hinter dem hohen Gewölbe herrscht aber ein angenehmes Klima. Man könnte sich hier in der heissen Jahreszeit gut eine Salatbar und einen Glacestand vorstellen. Die Stadt scheint bis heute nicht zu wissen, was sie mit diesem einfach und schwellenfrei begehbaren, zentral gelegenen Klimapuffer anfangen soll und nutzt ihn als eine Art Rochadefläche. Eine Anfrage der Lokalzeitung «Tagblatt» ergab im Januar 2024 keine Informationen über dessen Zukunft, die nicht schon drei Jahre früher verbreitet worden waren. 

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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