Ein Labor für staatliche Innovationen
Vier junge Menschen gründeten vor einem Jahr das Staatslabor zur Förderung von Innovation im öffentlichen Sektor. Geschäftsleiterin Alenka Bonnard erklärt, was das konkret bedeutet, wieso die meisten Innovationen heutzutage digital sind und weshalb den Gemeinden für den Service Public von morgen eine Schlüsselrolle zukommt.
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Ein Reagenzglas Digitalisierung, vermischt mit einem Tropfen Vernetzung und vielen neuen Ideen: Seit einem Jahr hat die Schweiz ein Staatslabor.
Hört man den Begriff «Staatslabor» zum ersten Mal, stellt man sich eher nichts Gutes darunter vor. Eine geheime Forschungseinrichtung der Regierung vielleicht, in welcher gefährliche Experimente durchgeführt werden. Oder die Verstaatlichung der Pharmaindustrie. Doch Alenka Bonnard, Geschäftsleiterin und Mitgründerin des Staatslabors, winkt ab: «Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich als Stelle für staatliche Innovation versteht. Das Staatslabor will eine Plattform schaffen, auf der sich Politik, Verwaltung, Bürger, Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Ziel besserer staatlicher Dienstleistungen vernetzen.»
Gegründet wurde der Verein Staatslabor Anfang 2017 von vier jungen, engagierten Personen. Nebst der auf die Bewertung öffentlicher Politik spezialisierten Juristin Bonnard waren Danny Bürkli, Nicola Forster und Maximilian Stern beteiligt. Auf der Webseite des Staatslabors ist die Idee hinter der Gründung in einem Satz zusammengefasst: «Das Staatslabor unterstützt Staat und Öffentlichkeit dabei, mit innovativen Methoden und Technologien wirksame Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln und die sich
bietenden Chancen zu nutzen.» Seinen Sitz hat das Staatslabor im Impact Hub Bern.
Inspiration im Ausland
Die Idee zum Staatslabor kam nicht aus dem Nichts: Innovationsstellen für die öffentliche Verwaltung gibt es bereits in verschiedenen Ländern, etwa Grossbritannien, Dänemark oder Frankreich (siehe Box unten). Mit diesen Organisationen pflegt das hiesige Staatslabor einen regen Austausch. «Eins zu eins übernehmen kann man im Ausland entwickelte Lösungen allerdings nicht. Die Schweiz ist mit dem föderalen Aufbau und der direkten Demokratie völlig anders organisiert als die anderen Länder», sagt Bonnard.
Inspirationen und Expertise kann man sich dort aber sehr wohl holen. Denn die Probleme ähneln sich überall: «Das dänische Mindlab etwa ist aus der Einsicht heraus entstanden, dass verschiedene Bundesämter besser miteinander zusammenarbeiten sollten», sagt Bonnard. Denn in der heutigen, komplexen und sich immer schneller verändernden Welt betreffen Probleme immer unterschiedliche Verwaltungseinheiten.
Finanziert wird das Schweizer Staatslabor in der Startphase von der 2012 gegründeten Stiftung Engagement Migros, die sich der Förderung von Pionierprojekten im gesellschaftlichen Wandel verpflichtet hat. «Das ist für Kontinentaleuropa sehr fortschrittlich», sagt Bonnard. «In Grossbritannien oder den USA engagieren sich Stiftungen schon länger im Bereich staatlicher Innovationen, hierzulande ist das noch ungewöhnlich.»
Im Verlauf des Jahres 2018 will man neu Mitgliedschaften im Verein Staatslabor anbieten. Im Visier hat man auch Städte und Gemeinden, damit diese einen günstigen Zugang zu den Veranstaltungen und zum Netzwerk des Staatslabors erhalten. «Das ist insbesondere für innovationsfreudige kleinere Gemeinden interessant, die sich nicht alleine um die Weiterentwicklung ihrer Angebote kümmern können», sagt Bonnard. Aus diesen Mitgliedschaften soll auch ein gewisses Einkommen generiert werden, denn in Zukunft muss das Staatslabor auf eigenen Füssen stehen können.
Ausganspunkt für das Wirken des Staatslabors ist der Design-Thinking-Ansatz. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwickeln, die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen berücksichtigen und dann Konzepte entwickeln. Das tönt anstrengend, ist aber sicher zielführender als aus dem Elfenbein- oder Bundeshausturm hinaus nicht praxiserprobte Lösungen zu diktieren. «Das gute an dieser Herangehensweise ist, dass sie den Nutzer im Fokus hat, und zwar sowohl den Bürger als auch den Staatsangestellten», so Bonnard.
Erst einmal zuhören
Im ersten Jahr seines Bestehens hat das Staatslabor-Team darum folgerichtig viel zugehört: Bei Besuchen auf verschiedensten Verwaltungen, vom Bundesamt bis zur Kleingemeinde, wurde viel mit den dort Arbeitenden gesprochen, um herauszufinden, was die Bedürfnisse und Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag sind. Daneben wurden verschiedenste Veranstaltungen organisiert, etwa mit digital affinen Verwaltungsmitarbeitern. «Es kamen nicht nur Junge, sondern auch Ältere, welche Innovationen gegenüber offen sind», sagt Bonnard.
Die Themen, die an den Events des Staatslabors diskutiert werden, sind teilweise ungewöhnlich und zeugen vom frischen Geist, der im Verein herrscht. Im September wurde beispielsweise ein Treffen zwischen Softwareentwicklern und Verwaltungen organisiert, das unter dem Motto stand: «Wie können Videospiele für den öffentlichen Bereich nützlich sein?».
Seit Juli lädt das Staatslabor jeden ersten Donnerstag im Monat über Mittag zur Diskussionsrunde «Staatskantine». Dort sprechen Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu Themen wie Blockchain, Wirkungsstudien, Smart City, Social Media oder Algorithmen. Danach folgt ein informeller Austausch mit den Anwesenden.