Differenzierter Winterdienst: Schonprogramm für Budget und Umwelt
Dass Strassen und Wege im Winter aus Sicherheitsgründen von Schnee und Eis befreit werden müssen, leuchtet ein. Doch wie geht das, ohne der Umwelt zu schaden oder das Budget übermässig zu strapazieren? Diese Frage bereitet im Spätherbst mancher Gemeinde Kopfschmerzen. Sorgfältige Planung und ein spezifisches Winterdienstkonzept können diese Aufgabe vereinfachen.
Quelle: Nadine Siegle
Beim differenzierten Winterdienst werden Ressourcen möglichst effizient eingesetzt. Das heisst, dass gewisse Strassen gar nicht oder nur reduziert geräumt werden.
Von Antonio Diblasi *
Aufgrund der klimatischen Begebenheiten der Schweiz sind alternierende Frost-Tau-Ereignisse im Winter keine Seltenheit. Auch wenn diese rasch eintreffenden Temperaturschwankungen zu unseren Breitengraden gehören, werden künftig extreme Wetterereignisse, rigide Wintermonate und schneereiche Tage aufgrund des Klimawandels immer häufiger zu beobachten sein.
Für die Städte und insbesondere für kleinere Gemeinden, die oft mit Budgetkürzungen und limitierten Ressourcen zu kämpfen haben, stellt diese Veränderung eine schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Die frühzeitige Planung des Winterdiensteinsatzes ist der einzige Weg, um sich dieser Herausforderung zu stellen.
Ist Streusalz des Teufels?
Das heute am meisten eingesetzte Streumittel zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit ist Streusalz. Es ist zwar eine einfach anwendbare, äusserst praktische und nicht allzu kostspielige Variante, die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, auf unsere Oberflächengewässer, auf die umgebende Vegetation und sogar auf private oder öffentliche Fahrzeuge dürfen allerdings nicht vernachlässigt werden.
Alternative Streumittel wie Sand, Blähton, Schnitzel oder Splitt haben sich bisher trotzdem nicht bewährt. Denn verschiedene wissenschaftliche Studien konnten aufzeigen, dass diese Streumethoden eine negativere Ökobilanz aufweisen als traditionelle und wirtschaftlich interessantere Streusalze.
Mehrere Schweizer Gemeinden und Städte trauten sich allerdings, die Flüssigsalzvariante, allgemein als Sole bekannt, auszuprobieren. Die zu behandelnde Strassen- oder Verkehrsfläche muss vor dem Flüssigsalzeinsatz mechanisch freigeräumt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass bei starken Temperaturschwankungen das Gleit- und Rutschpotenzial noch zusätzlich steigt.
Zu den Vorteilen der Soleanwendung gehören das Sparpotential bei der Salzmenge und die Möglichkeit, das Streumittel gleichmässiger und zielgerichteter auf die verschiedenen Flächen auszutragen. Es ist jedoch zwingend eine möglichst zuverlässige Wetterprognose erforderlich, da sich bei Schneefall nach dem Sole-Einsatz Eis bilden kann, wenn die Temperaturen drastisch sinken.
Umweltschutz durch Planung
Aufgrund der negativen Auswirkungen verschiedener Streumittel auf die Umwelt versuchen viele Gemeinden und Städte, präventiv und vorausschauend zu planen und ein differenziertes Winterdienstkonzept umzusetzen. Konkret heisst das, Streusalz nur so wenig wie nötig einzusetzen und nur die intensiv befahrenen Verkehrsstrassen freizuräumen.
Der Einsatz von Streumittel wird also in Abhängigkeit der Nutzung der Verkehrsflächen und des Wetters abgestuft. Im Gegensatz zum herkömmlichen Winterdienst wird so die Umwelt nur an jenen Stellen und in jenen Momenten mit Streumitteln belastet, wo es absolut notwendig ist. Der differenzierte Winterdienst soll sich auf die Normen des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) abstützen und wird dementsprechend den Ansprüchen an Verkehrs- und Bevölkerungssicherheit, Umwelt und Wirtschaftlichkeit abgestimmt.
Ein durchdachtes Winterdienstkonzept muss unter anderem folgende wichtige Punkte beinhalten:
- Schneeräumungspflichten
- Routenpläne
- Dringlichkeitsstufen
- Unterhaltsstandards
- Einschränkungen und Schneeräumungsfristen
- Massnahmen bei Winterglätte
Kleinere Fussgängerwege, wenig benutzte Parkplätze und selten befahrene Quartierstrassen werden beim differenzierten Winterdienst aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen nicht mehr oder nur gelegentlich geräumt oder gesalzen. Konfliktsituationen mit der Bevölkerung sind dabei keine Seltenheit und bei Zwischenfällen können rechtliche oder finanzielle Konsequenzen daraus folgen.
Gemäss Obligationenrecht können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn Unfälle wegen mangelnder Schneeräumung passieren. Deshalb ist es umso wichtiger in Gemeinden, die einen differenzierten Winterdienst umsetzen, die Bevölkerung möglichst frühzeitig zu informieren. Amtliche Warntafeln müssen auf die möglichen Gefahren hinweisen und dazu auffordern, das Fahr- und Gehverhalten aller Verkehrsteilnehmer den Strassenbedingungen anzupassen.
Bei der präventiven Streuung müssen die verschiedenen Akteure ebenfalls involviert werden. Der Strassenbetreiber und der Einsatzleiter koordinieren und kontrollieren in der Betriebsleitzentrale die verschiedenen Einsätze und entscheiden, wo die zur Verfügung stehenden Ressourcen effizient zum Einsatz kommen sollen. Die Strassensignalisation muss dabei minutiös vorbereitet werden, um die Verkehrsteilnehmer über mögliche Gefahren, nicht gesalzene Strassenabschnitte oder über Geschwindigkeitsbegrenzungen zu informieren.
Andere Methoden zur Sensibilisierung und zur Information der Bevölkerung sind tagesaktuelle Mitteilungen via Radio, SMS, Social Media oder Smartphone-Apps.
Unterstützung durch Technik
Technische Hilfsmittel sind nicht nur bei einer breit abgestützten Verbreitung von Informationsmeldungen hilfreich, sie können auch beim effizienten und sparsamen Streumittel-, Personal- und Maschineneinsatz als wertvolle Unterstützung dienen.
Der von der Meteogroup AG angebotene Frühwarnungsdienst kann beispielsweise eine optimierte Witterungsprognose liefern, die eine entsprechende Warnung losschickt. Dabei werden aktuelle Messdaten mit historischen Prognosen kombiniert und auf einem webbasierten Infoportal hinterlegt. Die Meteogroup kann auf 375 verschiedene Messstationen und 150 Strassensensoren des Bundesamts für Strassen (Astra) zurückgreifen. Die konkrete Prognose wird schliesslich farbcodiert dargestellt und je nach Voraussage wird ein automatisches Warnsystem ausgelöst. Die zuständigen Gemeindemitarbeiter erfahren so frühzeitig, wann mit grossen Schnee und Eismengen zu rechnen ist, und können entsprechend reagieren. Solche zuverlässige Warnsysteme vereinfachen die Planung erheblich.
Ein anderes Instrument heisst Thermal Mapping. Das thermische Profil einer Strasse wird dabei registriert und reproduziert, um besonders kalte Punkte einer Strasse oder einer Verkehrsfläche zu determinieren und diese zu überwachen. Ausserdem können an den Kommunalfahrzeugen GPS-Geräte und Dosierungssoftware angebracht und installiert werden, damit an neuralgischen Punkten eine präzis berechnete Menge Streusalz oder Sole ausgebracht werden kann. So kann die Streumittelmenge effizient und langfristig reduziert werden.
Die GPSGeräte ermöglichen dem Strassenbetreiber zudem, die Winterdienstrouten und die Einsatzpläne der Werkhofmitarbeiter zielführender zu planen. Die Aufzeichnungen der zurückgelegten Strecken dienen zu guter Letzt als hilfreiche Beweise, falls bei Unfällen die involvierten Fussgänger oder Verkehrsteilnehmer behaupten sollten, der Unfall sei aufgrund mangelnden Unterhalts zustande gekommen. Der Strassenbetreiber kann sich so vor unbegründeten Schadenersatzanforderungen schützen.
*Antonio Diblasi ist Projektleiter im Bereich Günmanagement bei der Sanu Future Learning AG. Das Unternehmen bietet Weiterbildung und Beratung für nachhaltige Entwicklung an, um die Integration von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten in Unternehmen und Verwaltungen sicherzustellen.
Weiterbildung im Winterdienst
Die Sanu Future Learning AG bietet im Frühjahr 2019 einen Praxiskurs zum Thema Winterdienst an. Im eintägigen Seminar werden die Grundlagen eines effizienten und nachhaltigen Winterdienstkonzepts, verschiedene Planungsinstrumente und technische Hilfsmittel vorgestellt.