Die harzige Suche nach dem Gesprächspartner
Wer Generationen verbindet und das Zusammenleben in der Gemeinschaft stärkt, steigert die Lebensqualität und reduziert Armut und Kriminalität. Obwohl die Gemeinden von diesen positiven Auswirkungen der Generationenprojekte profitieren könnten, sehen sich engagierte Bürger regelmässig mit Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie die Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern suchen.
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Die Suche nach einer Ansprechperson für Generationenprojekte in der Gemeinde erweist sich häufig als schwierig.
Jedes Jahr leisten Menschen in der Schweiz rund 700 Millionen Stunden Freiwilligenarbeit. Aus diesem Engagement entstehen landauf landab Projekte, die das Zusammenleben stärken und Generationen verbinden. Intergenerationenprojekte zeichnen sich häufig durch innovative Ideen der Zivilgesellschaft und kreative Strategien zu deren Umsetzung aus. Vor allem aber verbindet sie, dass sie ohne Freiwilligenarbeit kaum überleben, geschweige denn Erfolge verbuchen könnten.
Freiwilliges, generationenverbindendes Engagement kann viel bewirken. Es stärkt die Gemeinschaft im Quartier, in der Gemeinde und in der Stadt – und genau davon kann die öffentliche Hand profitieren: «Gemeinschaften, in denen das soziale Zusammenleben floriert, sind erfolgreicher», sagt Markus Freitag, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, an einer Tagung zum Thema «Zusammenleben – Wie Gemeinden und Städte vom generationenverbindenden Engagement der Zivilgesellschaft profitieren können». «In diesen Gemeinschaften herrscht weniger Armut und Kriminalität», erklärt er weiter. Die Bevölkerung beteilige sich stärker am politischen Geschehen und das soziale Zusammenleben diene der Wahrung von Gesundheit und Wohlbefinden. «Die sozialen Beziehungen haben einen Wert: das Sozialkapital», so Freitag.
Engagement nimmt ab
Heute gilt es zwischen vier Generationen zu vermitteln, um das Zusammenleben in einer immer älter werdenden Gesellschaft zu stärken. Projekte, die sich diesem Thema verschrieben haben und Generationen zusammenbringen, steigern die Lebensqualität, davon ist Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands, überzeugt: «Solche Projekte tragen dazu bei, dass man gerne an einem Ort lebt, dass man ein Quartier, eine Gemeinde oder eine Stadt als Heimat erlebt und sich dort zuhause fühlt.» Ausserdem geben sie ein Gefühl von Sinnhaftigkeit. «Heute erhalten viele Menschen, besonders im Alter, sehr wenig Wertschätzung. Projekte, die zwischen den Generationen vermitteln, fördern auch diese gegenseitige Wertschätzung.»
Ein starkes soziales Zusammenleben dürfte also im Interesse aller, auch der Gemeinden und Städte, sein. Wer sagt denn schon Nein zu weniger Armut und Kriminalität oder zu mehr Lebensqualität und Wertschätzung? Doch wie bei jeder Form des Kapitals ist auch der Bestand des Sozialkapitals nicht selbstverständlich. Laut Markus Freitag nimmt das freiwillige Engagement mit der steigenden Individualisierung in der Gesellschaft immer weiter ab. Für diejenigen, die noch zum engagierten Teil der Bevölkerung zählen, ist jedoch nicht nur die sinkende Bereitschaft ihrer Mitbürger ein Problem. Häufig fühlen sie sich und ihr Engagement zu wenig wertgeschätzt und finden kaum Zugang zu den Entscheidungsträgern.
Unübersichtliche Strukturen
Am Beispiel der Generationenprojekte wird deutlich, dass sich die Verantwortlichen in vielen Fällen eine bessere – oder überhaupt eine – Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand wünschten. Doch genau dort hapert es: «Wenn ich mit einem Generationenprojekt an die Gemeinde gelange, muss ich mich häufig durchfragen und eigentlich ist niemand dafür zuständig», kritisiert Roland Guntern, Bereichsleiter Gemeinwesenarbeit der Pro Senectute Aargau. Die Verwaltungsstrukturen scheinen die Zusammenarbeit mit engagierten Bürgern nicht gerade zu erleichtern.
Mit seiner Beobachtung steht Guntern nicht alleine da. Stefan Tittman, Leiter Consulting am Ostschweizer Zentrum für Gemeinden der FHS St. Gallen, kennt die Problematik: «Es gibt viele Menschen, die in den Gemeinden etwas bewirken wollen. Sie möchten Begegnungsorte schaffen und miteinander im Dialog sein. Doch sie wissen nicht, an wen sie sich damit wenden sollen.» Die Strukturen in der öffentlichen Verwaltung und die damit verbundenen Zuständigkeitsfragen seien sehr unübersichtlich. «Hier braucht es vermehrt Anknüpfungspunkte und auch eine Art Übersetzungsarbeit, damit engagierte Private erfahren, mit welchem Amt sie wie kommunizieren müssen, um angehört zu werden.» Diesen Austausch zwischen der Bevölkerung, Vereinen, Organisationen, Politik und Verwaltung will das von Tittmann mitentwickelte Projekt «Zukunfts-Kafi» fördern. (...)