14:59 KOMMUNAL

Bundesrat Ueli Maurer übernimmt den Lead

Teaserbild-Quelle: Christian Merz/Keystone

Im Windschatten des Digitalisierungsthemas wurde E-Government beim Bund zur Chefsache erklärt. Die Formulierung einer neuen nationalen Strategie wurde vorgezogen. Gemeinden und Städte sollten die Chance packen, die sich damit bietet.

Ueli Maurer

Quelle: Christian Merz/Keystone

Finanzminister Ueli Maurer will künftig eine wichtigere Rolle im E-Government übernehmen.

Bundesrat Ueli Maurer flog letztes Jahr persönlich nach Estland, um die E-Government-Deklaration von Tallinn zu unterschreiben. Sein Finanzdepartement organisiert neu einen E-Government-Roundtable und baut eine Plattform für Digitalisierung auf. Beides soll den Wissensaustausch fördern. Zudem soll die Plattform zudem auch Experimente mit neuen Technologien unterstützen.

Doch Maurer fördert nicht nur das E-Government, er fordert es auch ein. E-Government ist damit zur Chefsache geworden. Das ist neu, ungewöhnlich und schafft Aufbruchstimmung.

Um die neue Dynamik zu unterstreichen wurde die Formulierung einer neuen E-Government-Strategie für die ganze Schweiz vorgezogen. Diese soll von allen föderalen Ebenen gemeinsam ausgearbeitet werden und insbesondere die geplante Umsetzung der Tallinn-Deklaration in der Schweiz konkretisieren.

Für Gemeinden und Kantone bietet diese Aufbruchstimmung die Chance, endlich eine Rollenklärung im E-Government herbeizuführen, bei der insbesondere auch die Aufgaben des Bundes definiert werden. Denn die in der Tallinn-Deklaration formulierten Prinzipien können nur durch ein tatkräftiges Engagement des Bundes umgesetzt werden.

Prinzipien der Deklaration

Die Tallin-Deklaration stellt insgesamt fünf Prinzipien beziehungsweise Handlungsfelder ins Zentrum der digitalen Transformation der Verwaltung:

  1. Digital by default, Inklusion und Zugang für alle: Im Normalfall sollen alle Dienste der Verwaltung digital und für alle angeboten werden. Das Design der Dienste soll sich an den Wünschen der Nutzer ausrichten.
  2. Once only: Daten sollen der Verwaltung als Ganzes nur einmal geliefert werden müssen. Die Verpflichtung, unterschiedlichen Ämtern die gleichen Daten liefern zu müssen, soll abgeschafft werden.
  3. Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit: Diese sollen insbesondere durch die Einführung nationaler digitaler Identitäten gefördert werden.
  4. Offenheit und Transparenz: Einwohner und Unternehmen sollen die Daten, die die Verwaltung über sie besitzt, besser kontrollieren und managen können.
  5. Interoperabilität by default: Hiersollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass digitale Dienste in Zukunft automatisch über Organisations- und Ländergrenzen hinweg genutzt werden können. Ziel ist insbesondere, dass Dienste in unterschiedlichen Organisationen und Ländern miteinander verknüpft werden können.

Ergänzt werden diese fünf Prinzipien durch ein sechstes Handlungsfeld:

6. Horizontale Befähigungsaktivitäten (horizontal enabling policy steps): Unter anderem
sollen die digitalen Leadership Fähigkeiten, Big Data und das Experimentieren mit neuen
Technologien gefördert werden.

Daten nur einmal übermitteln

«Once only» kann man in unterschiedlich grossem Kontext anstreben: für ein Amt, eine Gemeinde, einen Kanton oder den Bund, aber auch Verwaltungsebenen übergreifend, für die ganze Schweiz oder sogar länderübergreifend. Für den jeweiligen Kontext bedeutet «once only» dann, dass die gleichen Daten nicht mehr als einmal von Einwohnern oder Unternehmen der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden müssen.

Darüber hinaus müssen von der Verwaltung erlassene Verfügungen von den Betroffenen nicht vorgelegt werden, um Sachverhalte zu beweisen, weil die damit verbundenen Daten ja bereits existieren.

«Interoperability by default» kann man ebenfalls in unterschiedlich grossem Kontext anstreben: beispielsweise innerhalb der Verwaltung eines Kantons, innerhalb der Bundesverwaltung, für die ganze Schweiz oder sogar international. Es ist das anspruchsvollste Handlungsfeld, weil es nicht weniger verlangt, als dass beim Design neuer E-Government-Dienste zukünftige Entwicklungen antizipiert und «saubere» Lösungen erarbeitet werden.

Das Fundament dafür bilden Infrastrukturdienste und standardisierte Lösungsbausteine, die die Interoperabilität sicherstellen und von allen Akteuren genutzt werden können (siehe Artikel «Interoperabilität statt Gleichmacherei»). Diese sollen als Open-Source-Software bereitgestellt werden.

Generell sieht die Tallinn-Deklaration vor, dass Verwaltungen möglichst alle ihrer Lösungen als Open-Source-Software für alle zugänglich machen. Mit wiederverwendbaren Lösungsbausteinen wird in Zukunft der Bau von komplexeren E-Government-Diensten und -Portalen wesentlich vereinfacht, was insbesondere den Gemeinden und Städten zugutekommt.

Das Gärtchen richtig pflegen

Will man «once only» und «interoperability by default» für die ganze Schweiz erfolgreich realisieren, dann müssen alle zusammenarbeiten und ihren Teil leisten. Dabei wird es entscheidend sein, die Rolle und die Aufgaben des Bundes klar zu definieren und einen Zeitplan festzulegen. Denn die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten wie auch der Gesamtnutzen werden stark von zwei Faktoren abhängen: davon, wie viel der Bund macht, und davon, wie sehr Gemeinden und Kantone bereit sind, ihre IT-Landschaft zu konsolidieren und sich auf gemeinsame Lösungen einzulassen.

Erfolgskritisch wird insbesondere sein, wie das «Gärtlidenken» gepflegt wird. Ein Gärtlidenken, das für Ordnung in der eigenen IT-Landschaft sorgt, hilft bei der Umsetzung der Tallinn-Deklaration. Ein Gärtlidenken dagegen, dass an «optimierten» (also zusammengebastelten) Lösungen festhält ist mit den Prinzipien von Tallinn inkompatibel.

Wer Einwohnern und Unternehmen gute Dienste leisten will, muss mit anderen zusammenarbeiten, und dies verlangt reife IT-Architekturen, die modular aufgebaut sind.

Vorhandenes Wissen nutzen

Grundvoraussetzung für signifikante Fortschritte im E-Government ist, dass Fachwissen über E-Government bei allen Akteuren – und auf allen Hierarchiestufen – aufgebaut wird. Zwar arbeitet die Schweizer Verwaltung vielerorts sehr gut und Verwaltungsmitarbeitende besitzen meist viel Wissen, aber oft fehlt es an Digitalisierungswissen.

Der neue E-Government-Roundtable und die neue Plattform Digitalisierung dienen einer breiten Wissensverteilung. Ihr Fokus liegt aber in der Bundesverwaltung. Was die Schweiz dringend benötigt, sind entsprechende Veranstaltungen und Plattformen in den Kantonen und Städten und für die Gemeinden.

Es ist äusserst unproduktiv, wenn vorhandenes Wissen nicht genutzt und die Welt jeweils neu erfunden wird. Und es schliesst finanzschwache Akteure von Innovationen zum Teil ganz aus. Wir müssen lernen, auch innerhalb der Verwaltung eine Art «once only 2.0» zu praktizieren: Erfindungen und vor allem Fehler sollten nur einmal gemacht werden – das gilt nicht nur für die Bundesverwaltung, sondern auch für Gemeinden und Kantone.

Man könnte sogar noch einen Schritt weitergehen: Warum nicht eine Plattform bauen, die Gemeinden und Kantone dabei unterstützt, gemeinsam experimentelle Pilotprojekte mit neuen Technologien durchzuführen? Mit «eOperations» der Schweizerischen Informatikkonferenz (SIK) besteht neu die Möglichkeit, solche Projekte nach der ersten Pilotphase einem dafür aufgestellten Betreiber zu übergeben.

Im Fall des E-Umzugs ist dies bereits geschehen. Die Bereitschaft, energisch vorwärts zu machen, ist jedenfalls derzeit bei fast allen Akteuren wesentlich höher als noch vor zwei oder drei Jahren. Wir sollten das nutzen!

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