Kopenhagen, geprägt von Wasser und Hafen
Kopenhagen ist eng mit der Schiffahrt und dem Wasser verbunden. Dass sich daran bis heute wenig geändert hat, zeigt der Band «København – Urbane Architektur und öffentliche Räume». Er präsentiert 30 Projekte aus den letzten zehn Jahren, vom Erholungsgebiet auf Stegen über ein Parkhaus mit Spielplatz bis hin zu Luxuswohnungen in Silotürmen.
Quelle: Rasmus Hjortshoj
An heissen Sommertag zieht es die Bevölkerung von Kopenhagen ins Wasser, zum Beispiel ins Hafenbad Islands Brygge.
Es
ist ein Wahrzeichen von Kopenhagen. Vor allem aber ist es auch ein
Anziehungspunkt für Architektur- und Designbegeisterte: Arne Jacobsens
Hotel SAS Royal. Das Hotel gilt als ein Gesamtkunstwerk. Denn nicht nur
Konstruktion und städtebauliche Platzierung des 70-Meter-Hochhauses
stammen aus der Feder von Jacobsen, sondern er auch das Design der
Innenräume. Der Architekt gestaltete sie aufwendig bis ins letzte
Detail. Den Wandverkleidungen, Ablagen, Möbeln und Leuchten setzte er
ebenso seinen Stempel auf wie dem Besteck im Restaurant.
Allerdings hat das Hotel seit seiner Eröffnung 1960 immer wieder Anpassungen und Umbauten erfahren. So verschwand mancherorts auch die Handschrift des Architekten. Das änderte sich vor rund drei Jahren: Nachdem das Gebäude 1990 umfassend instandgesetzt worden war, konzentrierte man sich bei der Sanierung von 2018 auf die Wiederherstellung seines ursprünglichen Designs.
«Jacobsens Ikone ist auch heute eine zentrale Landmark Kopenhagens. Doch der Horizont der Architektur hat sich über die Jahrzehnte und Generationen verändert, schreibt Sandra Hofmeister im Vorwort zum «København – Urbane Architektur und öffentliche Räume». «Setzte das Hotel SAS Royal noch ein vertikales Zeichen im Stadtbild, so sind es heute vor allem öffentliche Räume und Plätze, die neue Horizonte für die dänische Hauptstadt erschliessen.»
Der Band präsentiert 30 Projekte aus den vergangenen zehn Jahren, die, ähnlich wie Jacobsens Hotel, die Stadt und ihren Alltag prägen. Sie werden jeweils mit Plänen, Fotos sowie einem kurzen Text vorgestellt und ergänzt mit Architekteninterviews und Essays verschiedener Autoren zu den einzelnen Schwerpunktthemen. – Ein wichtiger Aspekt ist bei allen Projekten die Nachhaltigkeit: Kopenhagen hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt bis 2025 CO2-neutral zu sein.
Schwimmbad im Hafen
Viele der vorgestellten Bauten und Plätze sind auch als Treffpunkt und für Freizeitaktivitäten gedacht. Und manche verleihen einst eher stiefmütterlich behandelten Stadtteilen völlig neue Qualitäten. Dies gilt etwa für das Gebiet um das bis vor wenigen Jahrzehnten unter industrieller Verschmutzung leidende Hafenbecken. Bei der Stadt hatte man schon in den 1980er-Jahren das Potenzial jener Areale erkannt und deshalb die Hafenquartiere zu Erholungszonen erklärt. In der Folge ergriff man Massnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität.
Nach und nach wurde das Gebiet revitalisiert, Kultureinrichtungen siedelten sich an. Und 2002 lud das Islands Brygge, das erste neue Hafenschwimmbad der Stadt, zum Abkühlen; seine Architektur stammt übrigens von Bjarke Ingels und Julien de Smedts Büro Plot. Im Jahr 1953 hatte das letzte Hafenbad wegen der katastrophalen Wasserqualität schliessen müssen.
Quelle: Astrid Maria Rasmussen
Auf dem Dach des Parkhauses der JAjA Architects wurde statt weiterer Parkplätze ein Spielplatz eingerichtet. Bei den beiden Hochhäuser auf der linken Seite handelt es sich um von MVRDV umgebaute Silos mit Luxuswohnungen.
Auf der gegenüberliegenden Seite ist in den letzten Jahren mit den «Kalvebod Waves» aus der Feder der Urban Agency und der JDS Architects eine Art Parklandschaft auf Pfählen entstanden. Oder vielmehr eine geschwungene Struktur aus verschiedenen Stegen, die übers Wasser und wieder ans Ufer führen. Mit Sitzgelegenheiten, Spielplätzen und Aussichtspunkten laden sie zum Verweilen ein. Gleichzeitig bilden sie zwei dreieckige Becken: Während im einen Bassin geschwommen werden kann, sind im anderen Kanus oder Kajaks unterwegs.
Auch wenn die Anlage verspielt und beinahe zufällig wirkt, liegt ihr ein genauer Plan zu Grunde. «Raue Winde in der exponierten Lage wurden bei der Positions-findung ebenso einberechnet wie der Verlauf der Sonneneinstrahlung und der Verschattung der umgebenden Bebauung», informiert der Band. Sorgfältig ging man auch bei der Material- und Farbwahl vor, die historische Industriehäfen inspiriert haben: Die Stege bestehen aus Beton und unbehandeltem Kiefernholz, während die in die Geländer integrierte Beleuchtung an den Bootsbau erinnern soll. Für Farbtupfer sorgen lediglich ein paar wenige leuchtend orangefarbene Elemente.
Veloweg am Wasser
Von der besonderen Beziehung der Stadt zum Hafen erzählen aber auch die zahlreichen neueren Projekte am Hafen und in seiner Nähe. Dies gilt zum Beispiel für die Gemini Towers, zwei von MVRDV zu Luxuswohnungen umgebaute Silotürme, oder aber das Schauspielhaus des Büros Lundgaard & Tranberg.
Dass sich das Gesicht des Hafenquartiers derart verändern konnte, liegt auch an einem laut dem Beitrag von Jakob Schoof «administrativen Kraftakt». Denn Ufergrundstücke und Kaianlagen sind teils Eigentum der Stadt, teils Eigentum von Privaten und teils Eigentum des dänischen Militärs oder der öffentlichen Entwicklungsgesellschaft By & Havn. Um in dieser Gemengelage etwas vorzudringen pflege die Stadtverwaltung seit Jahren eine intensive Gesprächskultur. «Wann immer die Neubebauung eines Areals ansteht, wird mit den Eigentümern und Anliegern verhandelt um den maximal möglichen Mehrwert aus dem Vorhaben zu gene-rieren», schreibt Schoof. Dabei kann es um öffentliche Räume gehen, aber auch etwa um kulturelle Nutzungen. Wie die der Band zeigt, scheint dies der Stadt zu gelingen.
«Maximale Mehrwerte» werden jedoch nicht nur hier, sondern überall in der Stadt geschaffen: dies gilt unter anderem für das Parkhaus Konditaget Lüders der JAJA Architects. Nebst den Autoabstell- und Veloparkplätzen, einem Supermarkt und einer Recyclingstation bietet es auf dem Dach einen grossangelegten Spielplatz.
«København. Urbane Architektur und Öffentliche Räume»; Sandra Hofmeister Hrsg.; Edition Detail; 304 Seiten; broschiert; zahlreiche Bilder, Fotos und Pläne; ISBN 978-3-95553-531-5; 74 Franken 90