Biogas gewinnt als Alternative zum Erdgas an Bedeutung
Alternativen für fossiles Erdgas haben mit dem Ukrainekrieg an Bedeutung gewonnen. So wird etwa Biogas zwar von Experten als geeignete Brückentechnologie betrachtet, aber ihr Potenzial in der Schweiz noch längst nicht voll ausgeschöpft. Es gibt auch keine staatliche Förderung.
Quelle: Florian Gerlach / pixelio.de
Biogasanlage (Symbolbild)
Unter dem Begriff erneuerbare Gase werden Biogas, synthetisches Methan und grüner Wasserstoff zusammengefasst. In der Schweiz gibt es laut Branchenverband der Gaswirtschaft 37 Biogasanlagen, die aus organischem Abfall - wie Klärschlamm, Silomais oder Altholz - Biogas produzieren und direkt ins Gasnetz einspeisen. Ein Beispiel ist die Biogasanlage Rhy Biogas: Drei Rheintaler Landwirte verarbeiten in Widnau SG gemeinsam Mist und Gülle von Rindern und Schweinen sowie Gemüsereste, Grüngut und Gastronomie-Abfälle aus der Umgebung zu Biogas, das unter anderem als Treibstoff genutzt wird.
Seit 2011 unterstützt der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) seine Mitglieder bei dem Bau solcher Biogasanlagen, und ebenfalls seit 2021 werden sogar alle erneuerbaren Gase gefördert. Die Produzenten und Netzbetreiber erhalten einen Investitionsbeitrag und Einspeisevergütungen während drei Jahren. Die jährliche Unterstützung beziffert der Verband auf rund 3 Millionen Franken. Die Mitgliedsunternehmen finanzieren einen Fonds.
Beschleunigt aktuelle Krise die Förderung von erneuerbarem Gas?
Staatliche Förderung gibt es hingegen keine. „Noch immer wird lediglich die Stromproduktion aus Biogas unterstützt, die der Gasversorgung keinen Nutzen bringt“, moniert der Verband. Das will auch der Bund ändern. Eine Förderung auch von Biogasanlagen, die Biomethan produzieren und ins Erdgasnetz einspeisen, könnte in einem zukünftigen Revisionsprojekt zum CO2-Gesetz umgesetzt werden, heisst es in einer Stellungnahme des Bundesrats vom Mai zum möglichen Zeitplan. Denn das noch ungenutzte Biomassepotenzial in der Schweiz ist laut Experten gross.
Die gegenwärtige Krise dürfte das Tempo bei der Förderung von erneuerbaren Gasen beschleunigen - in der Schweiz wie auch in anderen Ländern Europas, sagt Thomas Hegglin vom VSG auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Derzeit ist der Anteil der nachhaltigen Alternativen am Gasverbrauch aber noch verschwindend klein. In der Schweiz machen diese nur rund 5,5 Prozent aus. In den kommenden Jahrzehnten will die hiesige Gaswirtschaft das ändern:
Bis 2030 soll der Anteil an erneuerbaren Gasen auf 15 Prozent ausgebaut werden. Bis 2040 soll schon die Hälfte des Konsums aus erneuerbaren Quellen stammen und bis 2050 der vollständige Verbrauch. Die Zürcher Energie 360° - einer der grossen Gasversorger - verkauft seit 2009 Biogas am Wärmemarkt. Zudem sind auch synthetisches Methan und grüner Wasserstoff ein Thema beim Unternehmen, es bietet dazu momentan aber noch keine Produkte an.
Importe von Biogas aus dem europäischen Ausland
Aktuell seien etwa 17,5 Prozent der Gaslieferungen an Endkonsumenten „erneuerbar“, heisst es vom Zürcher Gasversorger. Für Biogas bezahlen die Haushalte in Zürich derzeit rund 40 Prozent mehr als zum Heizen mit Erdgas. Das Biogas stammt dabei aus der Schweiz und vor allem aus dem europäischen Ausland. Bis 2040 will Energie 360° ausschliesslich erneuerbare Energie anbieten. Einerseits soll laufend der Biogas-Anteil im Standardprodukt erhöht werden. Das Ziel bis 2025 sei ein Anteil von 30 Prozent, so Sprecher Michael Walser.
Andererseits setzt der Gasversorger parallel auf dezentrale Lösungen. Das Stichwort ist dabei die Sektorenkopplung. Gemeint ist die Vernetzung von sowohl Strom-, Wärme- und Gasnetzen als auch dem Mobilitätssektor miteinander. „Wir analysieren einerseits, welche Energieversorgung ein Areal oder ein ganzes Quartier benötigt, und wir klären andererseits ab, welche nachhaltigen Energiequellen lokal verfügbar sind“, erklärt Walser.
Biogas kann unabhängig vom Wetter erzeugt werden
Auch bei den Stromkonzernen sind erneuerbare Gase derweil ein Thema - und nicht erst seit dem Ukrainekrieg. „Dieses Geschäft hat eine grosse strategische Bedeutung für uns, weil so Strom abgeerntet respektive Energie gespeichert werden kann“, sagt Thomas Grond vom Bündner Energiekonzern Repower. Er verweist dabei auf den Überschuss an Strom, den es in der Schweiz üblicherweise im Sommer hat im Gegensatz zum Winter, wenn Strom fehlt und importiert werden muss. Das Problem bei Biogas ist allerdings die Menge: Das nur begrenzt vorhandene Rohmaterial limitiert das Potential. Biogas lasse sich kaum in ausreichend grossen Mengen produzieren, um die Energiemengen zu ersetzen, die es bräuchte, heisst es dazu von der BKW. Daher geht der Berner Energiekonzern aktuell höchstens von einem Einsatz als Brückentechnologie aus.
Der grosse Vorteil liegt laut Experten darin, dass Biogas unabhängig vom Wetter erzeugt werden kann und ausserdem gespeichert werden kann. Es ist also eine gute Ergänzung zu den erneuerbaren Energiequellen Wind- und Solarkraft. (sda / Young-Sim Song, AWP)