Berner Volk sagt Ja zu Fusionszwang
Die Verfassungsänderung wurde mit 166 633 gegen 102 301 Stimmen klar angenommen, die Gesetzesänderung ebenso deutlich mit 162 912 gegen 102 604 Stimmen, wie die Staatskanzlei mitteilte. Die Stimmbeteiligung lag bei bescheidenen 37,4 Prozent.
Der kantonale Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus (SVP) wertete das Ergebnis als Bestätigung für die bisherige Fusionspolitik des Kantons. Er sei sehr froh, aber auch überrascht über das deutliche Abstimmungsergebnis, sagte Neuhaus. Noch vor einer Woche hätte er nämlich nicht auf einen solchen Ausgang getippt, fügte er an. Neuhaus trat aus Überzeugung für seine Vorlage ein, die aber ausgerechnet von seiner eigenen Partei, der SVP, bekämpft wurde.
Das Stimmvolk habe wohl trotz der einseitigen Diskussion um Zwangsfusionen eingesehen, dass es sich hier nicht um eine «Holzhammer-Vorlage» handle, sagte Neuhaus. Die Vorlage sei moderat, denn nach wie vor stehe bei Gemeindefusionen die Freiwilligkeit im Vordergrund.
Keine Fusionswelle zu erwarten
Zu einer wahren Fusionswelle dürfte es im Kanton Bern mit seinen rund 380 Gemeinden auch nach der Zustimmung zur Vorlage nicht kommen. Denn das Parlament kann den Gemeinden eine «Zwangsheirat» nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen verordnen.
Erstens, wenn eine Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben dauerhaft selbständig zu erfüllen. Zweitens, wenn eine Fusion von mehr als zwei Gemeinden zu scheitern droht, obwohl eine Mehrheit der Stimmberechtigten dafür ist.
Als weiteres Instrument kann der Kanton auch Leistungen aus dem Finanzausgleich gegenüber fusionsunwilligen Gemeinden kürzen. Dies dann, wenn sich eine finanzschwache Gemeinde einer Fusion widersetzt, obschon sie dadurch weniger am staatlichen Tropf des Finanzausgleichs hängen würde. Die neue Regelung gilt sowohl für politische Gemeinden wie auch für Burger- und Kirchgemeinden.
«Alleine auf weiter Flur»
Gegen die Vorlage mobil machte allen voran die bernische SVP. Sie sah in der Zwangsfusion einen Eingriff in die Gemeindeautonomie. «Wir standen hier ganz alleine auf weiter Flur», sagte Parteipräsident Rudolf Joder am Sonntag. Dass das Volk die Vorlage dennoch angenommen habe, sei nicht dramatisch, sagte Joder weiter. Für ihn sei die Vorlage nicht besonders wirkungsvoll. Joder geht davon aus, dass die Zwangsklausel im Kanton Bern gar nicht angewendet wird. Er könne es sich kaum vorstellen, dass der Grosse Rat sich traue, Gemeinden gegen deren Willen zu fusionieren. Solche Probleme müsse man vor Ort in der Gemeinde selbst lösen, sagte Joder.
Es gehe nicht darum, kleine, gut funktionierende Gemeinden verschwinden zu lassen, konterten die Befürworter stets. Vielmehr sollten Zusammenschlüsse dort forciert werden, wo Gemeinden wirklich allein nicht mehr vorwärts kämen. Als potenzielle Kandidatin für eine Zwangsfusion gilt die bernjurassische Gemeinde Monible. Sie hat seit dem 1. April keinen Gemeinderat mehr und steht unter Zwangsverwaltung des Kantons. (sda/aes)