Berlin: Denkmalschutz für Plattenbauten der DDR-Politprominenz
Sie sind Zeitzeugen und vor allem aussergewöhnlich für ihre Art: die Plattenbauten an der Wilhelmsstrasse im ehemaligen Ost-Berlin oder vielmehr in Berlin-Mitte. Die grosszügigen Wohnungen waren ursprünglich der Politprominenz der DDR vorbehalten gewesen. Nun sind die Häuser unter Denkmalschutz gestellt worden.
Quelle: Gunnar Klack, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Die freistehenden Gebäude mit Innenhöfen erinnern an die Bauten die sich im 18. Jahrhundert an der Wilhelmstrasse befunden hatten.
Das Viertel sei politisch hochbedeutend und unterscheide sich in vielerlei Hinsicht von anderen Plattenbau-Quartieren, schreibt die Senatsverwaltung für Kultur und Europa in ihrer Pressemitteilung zur Unterschutzstellung der Nobelplattenbauten. „Die Gesamtanlage ist denkmalwert aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen.“
Wohnen wie im 18. Jahrhundert?
Obzwar im Arbeiter- und Bauernstaat errichtet, erinnern die Bauten an der Wilhelmstrasse an feudale Zeiten: Mit ihren Erkern, Balkonen, Lukarnen, Loggien, betonten Ecken und Mittelachsen spielen sie im Gegensatz zu allgemein üblichen Plattenbauten auf barocke Palais an, die im 18. Jahrhundert die Wilhelmstrasse gesäumt hatten. In ihren individuell zugeschnittenen, ungewöhnlich grossen Wohnungen residierte die gesellschaftliche und politische Führungselite der DDR. Unter anderem Günter Schabowski, Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ost-Berlin, Kurt Hager, einflussreicher Kulturpolitiker im Staatsrat der DDR, oder Heinrich Scheel, Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften der DDR. - Die Überbauung war für 4000 Menschen ausgelegt. Neben Wohnungen umfasste sie Geschäfte, Restaurants und Dienstleistungsangebote.
Errichtet worden ist das seinerzeit mit viel Grün und einer Strassenverbreiterung aufgewertete Wohnquartier zwischen 1987 und 1992 von der Baudirektion Hauptstadt Berlin des Ministeriums für Bauwesen unter Leitung von Erhardt Gisske. Gisske war unter Erich Honecker an der Realisierung zahlreicher Repräsentationsbauten in Ost-Berlin beteiligt gewesen. Chefarchitekt war Helmut Stingl, der unter anderem mit grossangelegten Plattenbausiedlungen das Gesicht Ost-Berlins mitgeprägt hatte.
Ein Leuchtturmprojekt der Hauptstadtplanung von Ost-Berlin
Weil sie sich direkt an der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin und in nächster Nähe zum Brandenburger Tor befanden, spielten die Häuser in der DDR eine grosse Rolle. „Das einen Steinwurf von der Grenze entfernte Quartier war ein wichtiger Baustein im Wettbewerb der politischen Systeme“, wird Landeskonservator Christoph Rauhut im Mediencommuniqué zitiert. Als Leuchtturmprojekt der Ost-Berliner Hauptstadtplanung habe es die Leistungsfähigkeit und Qualität des grossen Wohnungsbauprogramms der DDR an äusserst prominenter und historisch aufgeladener Lage öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt.
Derweil freut sich Ephraim Gothe, stellvertretender
Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat in Mitte, dass die Plattenbauten an
der Wilhelmstrasse als „Spätwerk“ des DDR-Städtebaus unter Denkmalschutz gestellt
worden sind. Zudem fügt er an, dass
damit auch ein strukturell bezahlbarer Mietwohnungsbau erhalten bleibt, der
nachhaltig einen Beitrag zu einer sozial gut gemischten Bevölkerungsstruktur in
der Berliner Mitte leiste.
Abgesehen von einem Rückbau ist das Wohnquartier an der Wilhelmstrasse bis in die Details
weitgehend im Ursprungszustand erhalten geblieben. (mai)
Videotipp
DDR-Film über die Vorteile und die Errichtung von Plattenbauten aus dem Jahr 1978.