Arm im Internet
Für armutsbetroffene Menschen gibt es eine Vielzahl an digitalen Beratungs- und Informationsangeboten privater und staatlicher Anbieter. Doch die Angebote sind für Betroffene trotz der heutigen technologischen Möglichkeiten schwierig zu finden. Dies liegt nicht zuletzt an mangelnder Verständlichkeit und fehlender Usability.
Quelle: ESB Professional/Shutterstock
Wenn Armutsbetroffene nach Hilfe im Internet suchen, finden sie nicht immer, was sie suchen.
Von Katinka Weissenfeld und Angelina Dungga*
Gemäss Bundesamt für Statistik leben heute mehr als eine halbe Million armutsbetroffene Menschen in der Schweiz. Armut ist ein vielschichtiges Phänomen mit sehr unterschiedlichen Ursachen sowie Ausprägungen und beschränkt sich nicht auf das gängige Verständnis. Denn dieses fokussiert meist allein auf die Betroffenen, deren Grundbedarf an Lebensunterhalt, Wohnen und Krankenversicherung nicht gedeckt ist.
Dezentrale Struktur erschwert die Suche
Eine Anlaufstelle, die sich umfassend mit allen Problemlagen von Armut beschäftigt, ist für Hilfesuchende meist schwierig zu finden. Erschwerend in der Informationsfindung und der Suche nach geeigneten Beratungsstellen wirkt sich die dezentrale Struktur im Sozialbereich aus.
In der Schweiz ist der Zugang zu sozialen Leistungen je nach Kanton oder Gemeinde unterschiedlich ausgestaltet und Dienst- und Beratungsleistungen werden teilweise über Leistungsvereinbarungen an private Akteure delegiert. Dadurch ist es für Ratsuchende schwierig einzuschätzen, ob und unter welchen Bedingungen sie eine Beratungsleistung beziehen können und inwiefern die gefundenen Informationen für ihren Wohnort gültig sind. Einfache Stichwortsuchen im Internet bringen sehr häufig nicht die gewünschten Ergebnisse, was ein proaktives Handeln erschwert.
Einfach ist Trumpf
Aus dieser Situation heraus führte die Berner Fachhochschule im Auftrag des Nationalen Programms gegen Armut eine Studie (Beyeler et al. 2016, siehe Box) durch. Diese beleuchtet unter anderem die Anforderungen an die online zugänglichen Informationen aus der Sicht von armutsbetroffenen Menschen. Das heisst konkret die Darstellung des Beratungs- und Informationsangebots im Internet und die Funktionalität einer Website.
Eine zentrale Anforderung Hilfesuchender ist die einfache Bedien- und Benutzbarkeit auf den jeweiligen Webseiten. Aufgrund von häufig vorkommenden gesundheitlichen Einschränkungen sind leicht anpassbare Schriftgrösse, eine Vorlese-Funktion und ein geringer Scrolling-Aufwand wichtig. Darüber hinaus ist eine Orientierungshilfe auf den Webseiten wesentlich, beispielsweise durch die Reduktion von Navigationsebenen und die Einführung einer Wegweiser-Funktion («Brotkrümelnavigation»).
Schreibfehler müssen zulässig sein
Die User messen auch einem gut sichtbaren Zurück-Button einen grossen Mehrwert bei, da er eine bessere Orientierung auf einer Webseite ermöglicht. Für die schnelle Auffindbarkeit der Informationen ist für viele Hilfesuchende eine gut sichtbare Volltextsuche auf der Startseite essentiell. Dabei sollen Schreibfehler bei der Sucheingabe zulässig sein, Wortvorschläge für mögliche Suchresultate gemacht und bereits eingegebene Suchbegriffe gespeichert werden. (...)
*Katinka Weissenfeld und Angelina Dungga sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am E-Government Institut der BFH. Sie beschäftigen sich mit Fragen rund um Identitätslösungen, den Zugang zu E-Government-Services und der Rolle des Staates bei der Bereitstellung der dafür notwendigen digitalen Infrastrukturen und Voraussetzungen.
Berner Fachhochschule
Das BFH-Zentrum Digital Society beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Es entwickelt praxistaugliche Lösungen basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen. Dabei setzt es auf die Analyse von Praxisbeispielen in ganz Europa und auf die experimentelle Entwicklung und Pilotierung neuer Lösungskonzepte.
Als Partner des Kommunalmagazins verfassen Mitglieder des BFH-Zentrums Digital Society in jeder Ausgabe einen Artikel zum Thema Digitalisierung und Gemeinden.
Studie:
M. Beyeler, A. Dungga, S. Imoberdorf, C. Urwyler, K. Walser, K. Weissenfeld (2016): Informations- und Beratungsangebote für armutsbetroffene Menschen. Bestandsaufnahme und Strukturierungsvorschlag für eine Online-Plattform; [Bern: BSV]. Beiträge zur sozialen Sicherheit; Forschungsbericht Nr. 14 /16.
Usability-Begriffe:
Brotkrümelnagivation: Entwurfsmuster für die Gestaltung grafischer Benutzeroberflächen. Üblicherweise ist es eine Textzeile, die dem Benutzer anzeigt, in welcher Verzweigung er sich innerhalb einer Applikation befindet.
Mouseover-Effekt: Sobald man mit der Maus über einen Fach-begriff fährt, erscheint ein kleines Popup-Fenster, das ein Text enthält, der den Begriff erklärt.