Archäologie: Wie wurde ein römisches Aquädukt in Stand gehalten?
Wie wurden Aquädukte im römischen Reich gewartet? Und was lässt sich daraus schliessen? Ein deutsch-britisches Wissenschaftsteam hat das Aquädukt von Divona – dem heutigen Cahors – im Südwesten Frankreichs untersucht und stellte fest, dass es regelmässig gereinigt und von Kalkablagerungen befreit worden ist.
Quelle: Cees Passchier
Der Aquäduktkanal von Divona wurde über weite Strecken in den Fels geschlagen.
Das Aquädukt von Divona im Südwesten Frankreichs zählt zu den ältesten des Landes. Im frühen ersten Jahrhundert erbaut versorgte es wahrscheinlich bis ins 4. oder 5. Jahrhundert hinein die gallorömische Stadt Divona Cadurcorum, das heutige Cahors: Es leitete das Wasser von einer Quelle im Vers-Tal zunächst über in den Felsen gehauene Leitungen und dann über gemauerte Kanäle über eine Strecke 31,6 Kilometer zu den Bädern der Stadt.
In der Regel führten Römische Aquädukte, die von Quellen oder Flüssen in Kalksteinregionen gespeist worden sind, hartes Wasser mit sich, das heisst Wasser, das gelöstes Kalziumkarbonat enthält. Ist beim Transport im Kanal Kohlendioxid über die Wasseroberfläche ausgetreten, ist das gelöste Karbonat ausgefallen und hat sich sich an den Wänden und am Boden des Kanals abgelagert. Sofern man sie nicht entfernte, konnten solche Ablagerungen konnten im Lauf der Jahrzehnte eine Dicke von mehreren Zentimeter erreichen und die Wasserleitung verstopfen.
Aquädukte als Archive für ungeschriebene Geschichte
Derartige Kalkspuren finden sich auch im Aquädukt von Divona. Wie Georachäologin Gül Sürmelhindi von der Universität Oxford erklärt, dürfte der Kalk sehr wahrscheinlich aus dem 3. oder 4. Jahrhundert stammen. – Sürmelhindi hat mit Cees Passchier von der Johannes-Gutenberg-Universität von Mainz und weiteren Kollegen untersucht.
«Die Aquädukte sind in verschiedener Hinsicht Archive für ungeschriebene Geschichte», so Sürmelhindi. Denn anhand ihrer Kalkablagerungen lässt sich die Nutzung eines aber auch das Klima in der Antike über lange Zeiträume von Jahrzehnten bis zu Jahrhunderten ermitteln. Dies allerdings nur möglich, wenn sie nicht bei den Wartungsarbeite in der Antike nicht gereinigt worden sind. Auch das Aquädukt von Divona ist regelmässig gewartet worden, wie die Forschungsgruppe um Sürmelihindi und Passchier feststellte. Spuren zeigen, dass man die Kalkablagerungen jeweils mit Hilfe von Werkzeugen entfernt hatte. An den Kalzitkristallen stellten die Forscher zudem, kleine Verformungszwillinge fest, diese können sich bilden, wenn Kristalle von einem schweren Gegenstand wie einer Hacke getroffen werden.
Quelle: Cees Passchier
Gemauerter Kanal mit Opus Signinum als Wasserschutz: Da sich dieser Teil des Kanals in der Nähe der Quelle befindet, erfolgte noch keine Karbonatbildung.
Nachdem das Team die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen des Wassers im Aquädukt bestimmt und dieses Profil genutzt hatte, um die jährlich abgelagerten Schichten zu zählen, kamen sie zu Schluss, dass das Aquädukt 88 Jahre in Betrieb gewesen ist. Während dieser Zeit ist der Kanal regelmässig gereinigt worden, insgesamt 28 Mal. «Jede Reinigung wurde zügig durchgeführt und dauerte wahrscheinlich höchstens einen Monat. Sie erfolgte ausserdem nie im Sommer, wenn die Menschen das meiste Wasser benötigten», erklärt Sürmelihindi. Dies wiederum entspricht den Empfehlungen des römischen Senators und Schriftstellers Sextus Iulius Frontinus zur Instandhaltung der Aquädukte der Stadt Rom – der einzig bekannten Abhandlung zu diesem Thema. Die aktuelle Studie könnte nun die erste Forschungsarbeit sein, die die theoretischen Wartungsempfehlungen von Frontinus archäologisch bestätige, schreibt heisst es in der Medienmitteilung der Johannes-Gutenberg-Universität.
Opus Signum, ein wasserdichter Mörtel
Daneben
entdeckten die Archäologen Opus Signum, roten wasserdichten Mörtel, mit
dem das Aquädukt insegesamt offenbar zwei Mal repariert worden ist.
Während der Sanierungsarbeiten war der Wasserzufluss für längere Zeit
unterbrochen, auch das zeigen die Spuren. Wie man weiter feststellte,
wurden die Reinigungsarbeiten während der letzten Jahre des Aquädukts
seltener. Paschieer vermutet die Ursache dafür in einem
Bevölkerungsrückgang und dem daraus folgenden geringeren Wasserverbrauch
oder aber, dass weniger Ressourcen für die Instandhaltung zur Verfügung
standen.
«Wir sind der Meinung, dass diese Art von Untersuchungen ein neues, leistungsfähiges Instrument in der Archäologie sein können, um die lokale Wirtschaft und die politische Stabilität zu beurteilen», so Sürmelihindi. «Eine regelmässige Instandhaltung kann als Beweis für die gut strukturierte Organisation einer antiken Stadt gewertet werden, während eine weniger regelmässige Instandhaltung oder ihr komplettes Fehlen auf sozioökonomischen Stress hindeuten könnte.» (mgt/mai)