Agglomeration soll mehr ins Zentrum
Wie ernst ist es der Schweiz mit ihrer Agglomerationspolitik? Trotz parlamentarischem Auftrag lässt die gesetzliche Verankerung der Agglomerationspolitik weiter auf sich warten und in verschiedenen Politikbereichen bleiben die Anliegen von Städten und Agglomerationen – dem Lebensraum von rund drei Vierteln der Schweizer Bevölkerung– ungenügend berücksichtigt. So kritisierte Marcel Guignard,Präsident des Schweizerischen Städteverbandes, dass die Vorlage über die Finanzierung der Bahninfrastruktur (FABI) den Agglomerationsverkehr, der die stärksten Zuwachsraten aufweist, aussen vor lässt. «Der Bund muss die Mitfinanzierung des Agglomerationsverkehrs sicherstellen», forderte Guignard.
In funktionalen Räumen denken
Eine zukunftsgerichtete Agglomerationspolitik müsse auch in der Raumentwicklung ihre Wirkung entfalten. Wenn es nicht gelinge, die Siedlungsentwicklung besser auf die bereits überbauten Gebiete zu lenken, sei die Schweiz auf bestem Weg, viel von ihrer Vielfalt und Qualität einzubüssen, zeigte sich der Präsident des Städteverbandes überzeugt. Um der Zersiedelung entgegen zu wirken, müssten die drei Staatsebenen enger zusammenarbeiten und in funktionalen Räumen zu denken und handeln beginnen. Dadurch wird das Raumkonzept Schweiz, dessen Aussagen und Handlungsempfehlungen genau dies propagieren, zu einem wichtigen Element der Agglomerationspolitik.
Auf der lokalen Ebene sind es die dynamische Bevölkerungsentwicklung und der Ruf nach verdichtetem Wohnformen, welche die Quartierentwicklung zu einem Schlüsselelement der Agglomerationspolitik machen. Es gelte Quartiere zukunftsfähig zu machen, hielt die Direktorin des Städteverbandes, Renate Amstutz fest. Städtebauliche Qualität, verträglicher Verkehr, Energieeffizienz, soziale wie funktionelle Durchmischung sowie die Beteiligung Betroffener und das Denken über die Gemeindegrenzen hinaus seien zentral, damit Heimat im Quartier beginnen könne.
Wichtige Rolle der Agglomerationsgemeinden
Von Seiten der Gastgeber des Städtetages zeigte die Gemeindepräsidentin von Peseux, Erica di Nicola, auf, wie eine benachbarte Gemeinde einen Beitrag zu einem vielfältigen Angebot eines Zentrums leisten kann. Alain Ribaux, der Stadtpräsident von Neuenburg, betonte seinerseits an der Medienkonferenz, dass die Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur einer Stadt neue Impulse für die Quartierentwicklung geben und verwies dafür auf das Projekt Ecoparc in Neuenburg.
Was Quartierentwicklung praktisch bedeutet, stand im Zentrum des Städtetag-Kolloquiums nach der Pressekonferenz. Beispiele aus der ganzen Schweiz– Lausanne Ouest, Yverdon-les-Bains, Neuenburg, Basel, Schlieren– ermöglichten den rund 230 Delegierten und Gästen einen reichhaltigen Erfahrungsaustausch zum Thema. Allen Beispielen ist gemeinsam, dass Quartierentwicklung oft viel mit einer Zukunftswerkstatt gemein hat und für die betroffenen Städte und Gemeinden wie den funktionalen Raum der Agglomeration eine grosse Chance darstellt.
Diesen Aspekt der Chance betonte auch Bundesrat Didier Burkhalter in seiner Grussbotschaft. Er erinnert zudem daran, dass die «weiche» Infrastruktur eines Landes in ihrer Bedeutung der harten Infrastruktur in nichts nachstehen, und rief die Städte dazu auf, ihr dynamisches Potential als Labors der Zukunft vermehrt in die nationalen Reformdebatten einzubringen. (mgt/mrm)